Wer dieses Jahr ins ferne Ausland reisen möchte, sollte dabei nicht nur an die optimale Reisegarderobe, Kosmetik und Urlaubslektüre denken, sondern auch an die medizinische Reisevorsorge. Darauf weisen Professor Dr. Emil Reisinger, Direktor des Instituts für Tropenmedizin und Infektiologie an der Universitätsmedizin Rostock und Dr. Alfred von Krempelhuber, Medizinischer Direktor bei Moderna Deutschland hin.
Die Mediziner geben fundierte Tipps zur Urlaubsvorbereitung und erläutern die Impfsituation zum Thema Reisen und Covid-19.
Das Jahr 2023 könnte zu einem „Rekord-Reisejahr“ der Deutschen werden, wie diverse Umfragen belegen. Im dritten Jahr der Corona-Pandemie, in dem die Schutzmaßnahmen gegen das SARS-CoV-2-Virus aus dem Infektionsschutzgesetz in eigenverantwortliche Vorsorgeempfehlungen der Bundesregierung übergehen, scheint die Reiselust der Deutschen besonders hoch.
Impfpass rechtzeitig prüfen lassen
„Ich empfehle vor jeder Auslandsreise, insbesondere bei Fernreisen, rechtzeitig einen Vorab-Termin beim Hausarzt oder der Hausärztin zu vereinbaren und den Impfpass mitzubringen“, so Tropenmediziner Reisinger. „Denn Impflücken sollten geschlossen und die von der Ständigen Impfkommission, der STIKO, und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. für Reisen empfohlenen Impfungen sollten durchgeführt werden. Außerdem gibt es Pflichtimpfungen, die für die Einreise in bestimmte Länder notwendig sind. Welche Impfungen das sind, können die Gesundheitsbehörden der jeweiligen Länder festlegen.“
„Es ist wichtig, sich ärztlich beraten zu lassen, welche Impfungen für welche Urlaubsziele infrage kommen.“
Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass Infektionsrisiken und Reisetätigkeiten eng miteinander verbunden sind. „Das betrifft nicht nur Infektionen mit dem Coronavirus, sondern auch andere Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Influenza, Tollwut oder Cholera, um hier nur einige zu nennen“, sagt der Tropenmediziner aus Rostock.
„Deshalb ist es wichtig, sich ärztlich beraten zu lassen, welche Impfungen für welche Urlaubsziele infrage kommen. Eine gute Grundlage sind die Standardimpfungen, die die STIKO empfiehlt, doch Reisebesonderheiten können weitere Impfungen erforderlich machen.“ So seien Hygienestandards, medizinische Versorgungsmöglichkeiten sowie die mögliche Verbreitung von Infektionskrankheiten im jeweiligen Land zu beurteilen. Außerdem empfehle er seinen Patientinnen und Patienten immer auch Impfungen auf Basis individueller Gesundheitsrisiken, also je nach Alter oder möglichen Vorerkrankungen.
Den Covid-19-Impfstatus aktualisieren – gemäß STIKO-Empfehlungen für Reisende
„Während der aktuell immer noch andauernden Covid-19-Pandemie, empfiehlt die STIKO für erwachsene Reisende eine Covid-19-Auffrischungsimpfung“, ergänzt Mediziner von Krempelhuber von Moderna. „Das gilt beispielsweise auch für Erwachsene, die nach einer Covid-19-Impfung eine Durchbruchsinfektion durchgemacht haben oder nach einer Infektion bereits eine Covid-19-Impfung erhalten haben. Eine zweite Auffrischungsimpfung empfiehlt die STIKO für Personen ab 60 Jahren oder besonders gefährdete Personengruppen.
Was viele zudem nicht wissen: Wer beispielsweise derzeit in die USA einreisen möchte, muss aktuell nach wie vor eine vollständige Corona-Grundimmunisierung nachweisen“, von Krempelhuber weiter. „Eine ärztliche Beratung sollte daher in jedem Fall rechtzeitig vor Abreise eingeplant werden, am besten sechs bis acht Wochen vorher, damit die konkreten STIKO-Empfehlungen umgesetzt beziehungsweise die Gültigkeit des Impfstatus gewahrt werden kann, sodass es bei der Einreise nicht zu Schwierigkeiten kommt.“
„Ich frage meine Patientinnen und Patienten immer zuerst: Wo soll’s hingehen, für wie lange und welche Art Urlaub ist geplant?“
Wer den Covid-19-Impfstatus auf dem aktuellen Stand halte, reduziere das Risiko für einen schweren Verlauf im Falle einer Infektion. “Durch den Wegfall der meisten Schutzmaßnahmen kann der Eindruck entstehen, das Coronavirus sei nicht mehr virulent oder zirkuliere nicht mehr“, betont von Krempelhuber. „Doch gerade auf Reisen sind Vorsorgemaßnahmen gegen das SARS-CoV-2-Virus ratsam – können doch regelmäßig Situationen entstehen, in denen man mit vielen Menschen in Innenräumen verweilt, zum Beispiel am Flughafen oder im Flugzeug, wo eine Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus über virushaltige Tröpfchen oder Schwebeteilchen in der Luft möglich ist.“
Wer sich vor der Reise informieren möchte, wie sich die Corona-Infektionszahlen weltweit entwickeln, findet auf dieser Webseite eine Übersicht.
Tuberkulose, Hepatitis und Malaria fordern weiterhin viele Todesopfer
Kein Thema hat die weltweiten Medien in den letzten zwei Jahren so dominiert wie die Corona-Pandemie. Nie zuvor wurden innerhalb kürzester Zeit derartig viele Forschungsgelder zur Bekämpfung einer Krankheit gesammelt. Allein im Jahr 2020 hat die Finanzierungssumme für die Forschung an dem neuartigen Coronavirus insgesamt über neun Milliarden US-Dollar betragen.
Die allgemeine Aufmerksamkeit für andere potenziell tödliche Krankheiten ist dabei in den Hintergrund geraten. Im selben Jahr konnten für die Forschung und Entwicklung von HIV/AIDS-Medikamenten laut Policy Cures Research etwa 1,3 Milliarden US-Dollar aufgebracht werden. Auf Tuberkulose entfielen “nur” rund 684 Millionen US-Dollar, trotz jährlich etwa 1,5 Millionen Todesopfern im Zusammenhang mit der Infektionskrankheit.
Auch Malaria ist weiterhin eines der größten Gesundheitsprobleme in den afrikanischen Tropenregionen und für etwa 627.000 Tote weltweit im Jahr 2020 verantwortlich – die Forschungsgelder für das größtenteils durch Moskitos übertragene “Tropenfieber” waren jedoch nicht einmal halb so hoch wie die von HIV/AIDS.
Laut Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin sterben vor allem Kinder unter fünf Jahren an Malaria. Die schnelle Verbreitung der Krankheit durch Insektenstiche, macht es schwer, die Infektionen unter Kontrolle zu bringen. Etwa 50.000 zusätzliche Todesfälle sind auf Unterbrechungen bei der Prävention, Diagnose und Behandlung der Malaria während der Covid-Pandemie zurückzuführen.
Der Weltmalariatag am 25. April soll an die rund drei Millionen weltweit betroffenen Menschen erinnern aber auch gleichzeitig die positiven Fortschritte der Bekämpfung hervorheben. Seit der Jahrtausendwende sind beispielsweise bisher 23 Länder weltweit von der WHO für malariafrei erklärt worden.
Tropenmediziner rät: „Indikationsimpfungen“ einplanen
Neben den von der STIKO empfohlenen Standard-Impfungen sowie Impfnachweisen, die von manchen Einreiseländern gefordert werden, gibt es auf Basis der existierenden Impfzulassungen sogenannte Indikationsimpfungen, die für einzelne Reisende sinnvoll sein können. „Ich frage meine Patientinnen und Patienten immer zuerst: Wo soll’s hingehen, für wie lange und welche Art Urlaub ist geplant?“, sagt Prof. Reisinger. „Vor diesem Hintergrund kann es sein, dass ich zu weiteren Impfungen, also Indikationsimpfungen, rate. Denn es macht einen Risiko-Unterschied, ob jemand in einer europäischen Hotelanlage verweilt oder auf eigene Faust eine Rundreise in einem exotischen Land unternimmt. Je nach Situation empfehle ich also individuelle Indikationsimpfungen. Das können unter anderem Impfungen gegen das Gelbfieber-Virus oder Typhus sein, aber auch innerdeutsch gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, die durch einen Zeckenstich übertragen werden kann.“
Das A und O bei der Reisevorbereitung ist, sich frühzeitig mit einem bestenfalls reisemedizinisch erfahrenen Hausarzt oder einer Hausärztin in Verbindung zu setzen. Prof. Reisinger: „Im Falle eines Impfbedarfs müssen auch immer die jeweils vorgeschriebenen Impfschemata beachtet werden. Das heißt, es gibt Impfungen, die benötigen mehrere Injektionen – über Tage oder Wochen verteilt – um wirksam zu werden, wie zum Beispiel die Covid-19-Grundimmunisierung oder die Impfung gegen FSME.“
Tropenkrankheiten haben seit der Pandemie zugenommen
Infektionen mit Tropenkrankheiten haben in Zeiten von Reisebeschränkungen und Quarantäne sogar zugenommen. Zwar haben sich die Vorgaben für den Reiseimpfschutz mit der Covid-19-Pandemie kaum verändert. Jedoch sind Infektionen mit dem Malaria-, Dengue-, Chikungunya- oder Zika-Erreger teilweise deutlich angestiegen. Lesen Sie mehr dazu in einem BDAE-Journal-Beitrag.