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Interview

„Deutsche Manager gelten im Ausland als strukturiert und ergebnisorientiert – könnten aber lockerer sein“

Jan-Christoph Daniel berät internationale Unternehmen in Fragen des Mitarbeitereinsatzes im Ausland. Im Interview erläutert er, warum deutsche Expats im Ausland Unpünktlichkeit entspannter sehen sollten und warum eine interkulturelle Vorbereitung bares Geld sparen kann.

BDAE: Sie haben mehrere Jahre zusammen mit Ihrer Frau in Singapur und Hongkong gelebt. Wie kam es dazu?

Daniel: Wir sind selbst aus eigenem Antrieb gegangen, weil wir neugierig waren und unbedingt in Asien arbeiten wollten. Es war also keine Entsendung durch einen Arbeitgeber in Deutschland, und wir mussten uns alles selbst erarbeiten. Wir sind ohne Job und lediglich mit ein paar vagen Kontakten nach Singapur gegangen. Als wir 2004 dort ankamen, ahnten wir noch nicht, dass dies den Anfang eines siebenjährigen Aufenthalts in Asien markieren sollte.

Der Zeitpunkt war damals genau richtig. Meine Frau – damals noch Lebensgefährtin – hatte gerade ihr Studium abgeschlossen und ich arbeitete als freiberuflicher Editor und Gestalter für verschiedene Medienunternehmen. Mit internationalen Projekten hatte ich bereits erste Erfahrungen gesammelt. Mein Ziel war es, einen Job in der Filmindustrie in Singapur zu landen. Es hatte geklappt, und nach gut einem Monat intensivem Netzwerken vor Ort hatte ich zwei Jobangebote in der Postproduktion bei lokalen Filmproduktionen. Die Filmindustrie erfuhr zu dieser Zeit so etwas wie einen Boom, da die Kreativwirtschaft systematisch als neuer Wirtschaftszweig ausgebaut und entwickelt wurde. Singapur ist ja den meisten Menschen eher als internationale Finanzmetropole und Handelsplatz bekannt.

BDAE: Als Ihre Frau später ein Jobangebot in Hongkong bekam haben Sie sogar Ihren Arbeitsplatz gekündigt, um ihr zu folgen. Was umgekehrt noch immer weitgehend selbstverständlich ist, war in Ihrem Fall etwas Besonderes. Wie hat Ihr Umfeld reagiert?

Daniel: Viele meiner Freunde und Geschäftskontakte sind über die ganze Welt verteilt, und häufige Veränderungen und Standortwechsel gehören für viele Menschen in meinem Netzwerk einfach dazu. Insofern waren die meisten nicht so wahnsinnig überrascht über die Entscheidung, nach Hongkong umzuziehen. Die Menschen, die meine Frau und mich kennen, wissen, dass wir einfallsreich und hartnäckig sind. Und vor beruflichen Herausforderungen habe ich mich noch nie gescheut.

Ich hatte mir ja schon in Singapur vor Ort einen Job gesucht und war sicher, dass das in Hongkong wieder funktioniert. Zwischen Singapur und Hongkong gibt es gerade in der Filmindustrie traditionell enge Verbindungen, und so konnte ich viele Kontakte durch Singaporeans knüpfen, die in Hongkong lebten. Das geschäftliche Netzwerk systematisch auszubauen war (und ist immer noch) eine wichtige Komponente meiner beruflichen Entwicklung.

BDAE: Wie haben Sie Ihr Leben „als male spouse“ damals in Honkong gestaltet?

Daniel: Die Voraussetzungen waren durch den festen Job meiner Frau sehr gut. Das Schöne an Hongkong ist nämlich, dass man als mitreisender Partner, anders als in Singapur, eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis bekommt. Somit konnte ich auch projektbasiert arbeiten. Ich konzentrierte mich bei der Jobsuche in Hongkong primär auf die beiden Branchen, in denen ich schon vorher aktiv gewesen war – professionelle Filmproduktion und später Dozententätigkeit und Lehraufträge.

Nach zwei Monaten hartnäckigem Akquirieren hatte ich dann zwei projektbasierte Beratungsverträge für Filmproduktionen in der Tasche. Ein paar Monate später kam dann noch ein Lehrauftrag im englischsprachigen Global Communication Programm der Chinese University of Hong Kong hinzu.

BDAE: Nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland arbeiteten Sie zunächst zwei Jahre in einer festen Anstellung und haben sich dann Ende 2013 als Berater und Trainer für interkulturelle Kommunikation selbständig gemacht. Was genau kann man sich unter Ihren Aktivitäten im Bereich „Learning & Development“ vorstellen?

Daniel: Unter dem Markennamen »Untold Colors« helfe ich mittelständischen Unternehmen bei der strategischen Personalentwicklung. Die zunehmende Globalisierung und die internationale Verflechtung der Märkte erfordert meines Erachtens ein globales Bewusstsein, um langfristig geschäftliche Ziele zu erreichen. Auch Unternehmen, die bisher nur lokal oder regional geschäftlich aktiv waren, stehen zunehmend den Herausforderungen der Globalisierung gegenüber.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung des Menschen und die Veränderungen zwischenmenschlicher Kommunikation in einer medial geprägten Gesellschaft kritisch zu hinterfragen, zu reflektieren und aktiv zu gestalten. Emphatisches Denken und soziales Handeln in spezifischen kulturellen Kontexten soll durch meine Tätigkeit greifbar gemacht werden. Es fasziniert mich seit jeher, wie Unternehmen in der Gesellschaft Sinn stiften und wie sie ihr Leitbild, ihre Mission und ihr Selbstverständnis entwickeln.

BDAE: Im Unterschied zu vielen anderen interkulturellen Beratern arbeiten Sie mit Filmtechnik und E-Learning Methoden. Was ist der besondere Mehrwert für die Teilnehmer?

Daniel: Der Mehrwert für Unternehmen ist ein kosteneffizientes, ganzheitliches Lernkonzept, das verschiedene didaktische Methoden bündelt und aufeinander abstimmt. Lebenslanges Lernen ist längst zur essentiellen Überlebensfrage geworden und jeder lernt auf unterschiedliche Art und Weise. Daher sind die Inhalte individuell anpassbar und modular strukturiert. Die Teilnehmer stehen dabei immer im Mittelpunkt.

Seit einiger Zeit konzipiere ich E-Learning Formate zur beruflichen Weiterentwicklung für den Lehrmittelverlag video2brain, ein Tochterunternehmen von LinkedIn. Bisher habe ich Video-Trainings in den Themenbereichen Auslandsentsendungen, multikulturelle Teamführung und internationale Personalentwicklung umgesetzt.

Ich denke, dass bewegte Bilder und gut gemachte Geschichten die Menschen immer faszinieren werden. Film als Medium ist ja bereits über 120 Jahre alt und bot von Anfang an ein Fenster zu neuen Welten. Denken Sie nur daran, wie die faszinierenden ersten Filmaufnahmen der Lumière-Brüder aus China, Indien, Japan und Vietnam das Denken über andere Kulturen verändert hat. Wie durch das neue Medium plötzlich ferne Länder greifbar wurden und ganz nah rückten. Die Methoden der Wissensvermittlung und -übertragung mag sich ändern, aber die Grundprinzipien einer mitreißenden Geschichte bleiben gleich. In meinen Seminaren arbeite ich daher gerne mit Techniken aus dem Storytelling und visuellen Erzählen, um Sachverhalte und Fallbeispiele anschaulich zu gestalten.

BDAE: Wer sind Ihre Kunden und welche Anliegen haben diese?

Daniel: Als Berater und Trainer begleite ich Menschen, die Veränderungsprozesse durchlaufen – seien es Fach- und Führungskräfte oder Hochschulabsolventen. Durch meine langjährige Erfahrung in der Medienproduktion und in der Zusammenarbeit mit multikulturellen Teams bin ich mit den Besonderheiten länderübergreifender Projekte vertraut. Für mehrere mittelständische Unternehmen habe ich Entsendungen nach Südostasien begleitet und Reintegrationsseminare für zurückkehrende Expats durchgeführt.

Im vergangenen Jahr hatte ich einen besonders spannenden Auftrag. Das war eine Trainingsreihe für ein Medienunternehmen in Abu Dhabi, die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Dort wurden die Wüstenszenen für den Blockbuster „Star Wars: The Force Awakens“ gedreht und der Kunde stellte dafür einen Teil der technischen Infrastruktur bereit. Die Zusammenarbeit innerhalb des multikulturellen Drehteams gestaltete sich dabei nicht immer ganz einfach, und es wurden Impulse benötigt, um kulturelle Spannungen zu überbrücken. Ich habe dann für den Kunden ein Trainingsformat entwickelt und durchgeführt, das den Teilnehmern half, die Kommunikationstechniken zu optimieren.

BDAE: Viele Expats und vor allem Entscheider sind der Ansicht, interkulturelle Vorbereitung sei für den Erfolg eines Auslandseinsatzes nicht entscheidend. Und tatsächlich sind viele Entsendungen auch ohne ein entsprechendes Training erfolgreich. Warum sind diese Ihrer Erfahrung nach dennoch wichtig?

Daniel: Interkulturelle Vorbereitung ist kein Allheilmittel, das ist völlig richtig. Und selbstverständlich können Entsendungen auch ohne ein entsprechendes Training erfolgreich verlaufen. Meiner Erfahrung nach kann allerdings eine zielgerichtete interkulturelle Vorbereitung die Effizienz erhöhen, die Nerven des Expats schonen und vor allem Zeit- und damit Geldverlust aufgrund kultureller Missverständnisse minimieren.

Interkulturelle Vorbereitung unterstützt dabei, Triebkräfte für menschliches Verhalten zu strukturieren und dadurch komplexe Sachverhalte aus dem Kontext heraus zu deuten. Mögliche Probleme können somit rechtzeitig vorhergesehen werden, so dass man frühzeitig an einer Lösung arbeiten und auch nachhaltige Geschäftsszenarien entwickeln kann. Entscheidend ist dabei, dass die Vorbereitung exakt auf das individuelle Anforderungsprofil des Expats zugeschnitten ist. Dabei sind mir maßgeschneiderte Inhalte sehr wichtig, um das Erlernte auch in der Praxis umsetzen zu kennen. Weiterbildungsmaßnahmen und Trainings dürfen keine isolierten „Lerninseln“ von der Stange sein. Der Kontext der gewünschten Veränderung muss stets mit einbezogen werden.

BDAE: Was sind Ihrer Ansicht nach die am häufigsten auftretenden interkulturellen Konflikte zwischen Deutschen und anderen Nationen?

Daniel: Um diese zu beantworten, könnte man ganze Bücher füllen. Erfreulich ist, dass deutsche Fach- und Führungskräfte grundsätzlich einen sehr guten Ruf in der Welt genießen. Deutsche Manager gelten als strukturiert und ergebnisorientiert. Dadurch kann zuweilen der menschliche Faktor auf der Strecke bleiben. Ich erinnere mich an mein erstes Mitarbeitergespräch in der Filmproduktion in Singapur. Mein chinesischer Chef sagte damals zu mir: „Jan, du arbeitest sehr organisiert und strukturiert, aber Du musst lockerer werden.“ (lacht) Er bezog das damals vor allem auf mein striktes Zeitmanagement. Wenn Leute zu spät zu Drehterminen oder Produzenten und Kunden zu spät zum Schnittraum kamen, habe ich mich anfänglich oft geärgert und dies auch offen gezeigt.

Trotz aller Effizienz in Singapur gibt es nach meiner Erfahrung ein anderes, meist flexibleres Zeitempfinden als in Deutschland. Interkulturalisten nennen das polychrone Zeit. Wir raten dazu, es nicht gleich als respektlos zu empfinden, wenn der Geschäftspartner fünf Minuten zu spät ist. Es erleichtert die Dinge, wenn man sich als Expat an den „zeitlichen Rhythmus“ des Landes anpasst.

Empathie zu entwickeln, kreative Lösungen zu erarbeiten und Vertrauen aufzubauen sind unsere wichtigsten Aufgaben. Wir nehmen uns oft zu wichtig und sollten vielleicht einfach mehr lächeln.


Über Jan-Christoph Daniel

Jan-Christoph Daniel hat über 7 Jahre in Singapur und Hong Kong gelebt und gearbeitet. Unter dem Markennamen »Untold Colors« hilft er Unternehmen bei der strategischen Mitarbeiterentwicklung und der länderübergreifenden Zusammenarbeit. Als Berater und Trainer bietet er maßgeschneiderte Learning & Development Lösungen an.

Er ist zertifizierter interkultureller Business Trainer/Moderator nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für interkulturelle Trainingsqualität (DGIKT) und dem Hofstede Centre in Den Haag. Als Produzent und Editor ist er an zahlreichen internationalen Koproduktionen für Fernsehsender, wie arte, das ZDF, ORF, ESPN Star Sports und Discovery Channel beteiligt gewesen.

Spannende Stories und Interviews auf

http://www.untoldcolors.com/blog/ 

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe November 2016 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.