Streik: Wenn der Flieger am Boden bleibt
Im Falle eines erneuten Streiks an Flughäfen haben Reisende eine Reihe von Handlungsoptionen.
Der Streik an deutschen Flughäfen Ende Februar wird vermutlich nicht die letzte Arbeitsniederlegung sein, die den Luftverkehr durcheinanderwirbelt. Daher informieren Expertinnen und Experten der ARAG sowie der Europäischen Verbraucherzentrale (EVZ) Deutschland, welche Leistungen Fluggästen zustehen und wann eine Entschädigung fällig wird, wenn Reisepläne durchkreuzt werden.
Der Warnstreik der Gewerkschaft Verdi hat Ende Februar den Flugverkehr an sieben deutschen Flughäfen (München, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Dortmund, Hannover und Bremen) fast zum Stillstand gebracht. Laut Flughafenverband ADV fielen rund 2.340 Flüge aus, knapp 300.000 Passagiere waren betroffen. Die Auswirkungen haben Reisende noch Tage später zu spüren bekommen.
Der Ausfall hatte die ohnehin verschärfte Lage an den deutschen Flughäfen nur noch weiter verschärft. Durch eine Störung am Mittwochvormittag hatte die Lufthansa nahezu den gesamten Tag den Flugverkehr ruhen lassen müssen. In der Folge waren viele Passagiere der Airline und der Geschwister-Fluglinien wie Swiss und Eurowings an deutschen Flughäfen gestrandet.
Was im Streikfall gilt
Fällt der Flug aufgrund des Streiks aus, haben Fluggäste unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Ersatzbeförderung, die die ausführende Airline beziehungsweise der Pauschalreise-Veranstalter anbieten muss. Zum Beispiel ein anderer Flug oder die Beförderung per Bahn oder Bus. Das berichtet die EVZ. All dies muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt und zu vergleichbaren Reisebedingungen erfolgen.
Die Ersatzbeförderung müssen Passagiere aber nicht annehmen. Sie können stattdessen auch ganz auf den Flug verzichten und sich den Ticketpreis erstatten lassen. Individualreisende wenden sich dazu an die Airline. Pauschalreisende müssen sich dafür an den Reiseveranstalter wenden.
Die ARAG gibt dagegen zu bedenken, dass Streik grundsätzlich ein sogenannter „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union ist, wenn es sich – wie in diesem Fall – nicht um einen Streik der Airline-Mitarbeitenden handelt. Bei einem gebuchten Flug soll es dann von der Airline keine Entschädigungszahlungen geben. Die ARAG erläutert aber, dass es doch einige Rechte gebe, die betroffene Fluggäste einfordern sollten.
Bei internationalen Flügen muss die Airline versuchen, einen anderen Flug zum gebuchten Zielort zu beschaffen. Das kann bedeuten, dass Passagiere auch einen Umweg und Zwischenstopp in Kauf nehmen müssen. Diese müssen dabei gegebenenfalls auch auf andere Fluggesellschaften umgebucht werden, sofern dort noch Plätze frei sind. Vom Streik betroffene Personen von innerdeutschen Flügen werden auf Züge der Deutschen Bahn umsteigen können. Die Experten-Redaktion der ARAG weist darauf hin, dass für Fernzüge Gutscheine der Fluggesellschaft („Good für Train“) oder ein reguläres DB-Ticket erforderlich sind. Zudem ist es sinnvoll, einen Sitz zu reservieren, da bei Arbeitsniederlegungen im Luftverkehr eine hohe Auslastung der Züge zu erwarten ist.
Wer eine Pauschalreise mit Flug und Hotel gebucht hat, kann bei einer längeren Verspätung seines Abflugs unter Umständen auch eine Minderung des gezahlten Reisepreises beim Veranstalter geltend machen. In der Regel gilt hier: Ab einer Verspätung von fünf Stunden kann der Tagesreisepreis für jede weitere Stunde um fünf Prozent gemindert werden. Storniert werden kann die Reise sogar, wenn sie sich durch den Streik erheblich verkürzt, was zum Beispiel bei Kurzurlauben der Fall sein kann.
Selbst tätig werden
Fallen Flüge aus, bieten Airlines in der Regel Ersatzbeförderungen an. Wenn es keine entsprechenden Angebote seitens der Airline gibt, raten die ARAG-Expertinnen und -Experten Betroffenen, die Airline schriftlich um eine alternative Reisemöglichkeit innerhalb der nächsten drei Stunden zu bitten und anzukündigen, dass man sich ansonsten selbstständig um die Weiterreise kümmert und anfallende Kosten, wie etwa für Mietwagen, Übernachtung oder neuen Flug, in Rechnung stellt. Fallen Zusatzkosten an, müssen unbedingt alle Rechnungen und Belege aufbewahrt und bei der Airline eingereicht werden.
Versorgungsleistungen
Darüber hinaus haben Fluggäste, die am Flughafen gestrandet sind, Anspruch auf sogenannte Betreuungsleistungen wie beispielsweise kostenlose Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit sowie auf eine kostenlose Hotelunterbringung und Transfer, wenn die Weiterreise erst am nächsten Tag stattfindet. Egal, ob Individualreisende oder Pauschalreisende: Ansprechpartner ist in diesem Fall die Airline, Auskunft gibt es direkt am Schalter.
Das EVZ Deutschland erläutert weiter: Der Abflug eines Fluges von bis zu 1.500 Kilometern Länge müsse sich um mehr als zwei Stunden verspäten, damit wartenden Passagieren Unterstützungsleistungen zustehen. Für weitere Strecken innerhalb der EU oder zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern muss sich der Abflug um mehr als drei Stunden verspäten, bei Flugstrecken über 3.500 Kilometern muss die Abflugverspätung mehr als vier Stunden betragen, damit es Betreuungsleistungen von der Airline gibt. Bei einer Verspätung von mehr als fünf Stunden darf man die Reise abbrechen. Dann haben Passagiere Anspruch auf eine Erstattung des Ticketpreises innerhalb von sieben Tagen und gegebenenfalls einen kostenlosen Rückflug zum Startflughafen.
Fluggastrechte geltend machen
Fluggastrechte bei Verspätungen oder Annullierungen können laut ARAG noch bis zu drei Jahre später geltend gemacht werden. Um diese Rechte gegenüber der Fluggesellschaft durchzusetzen, ist der Gang zum Anwaltsbüro oder zu einer öffentlichen Schlichtungsstelle möglich. Daneben gibt es Dienstleister wie beispielsweise flightright, EUclaim oder Fairplane. Diese vertreten Verbraucher gegenüber den Airlines – und falls die Klage scheitert, tragen sie die Kosten für das Verfahren. Allerdings ist hier nicht alles Gold was glänzt: Zum einen übernehmen Inkassounternehmen oft nur Erfolg versprechende Fälle an. Zum anderen lassen sie sich im Erfolgsfall ihre Dienste gut bezahlen – mit Provisionen bis zu 30 Prozent der ausgezahlten Entschädigung.
Wenn die Airline in einem anderen EU-Land, Island, Norwegen oder dem Vereinigten Königreich liegt, bietet sich das EVZ Deutschland als kostenfreie Anlaufstelle an. Sollte das EVZ für den individuellen Fall ausnahmsweise einmal nicht zuständig sein, nennen die Expertinnen und Experten weitere mögliche Ansprechpartner.
Voraussetzung: Betroffene haben die Airline beziehungsweise den Pauschalreiseveranstalter zuvor selbst kontaktiert. Reisende, die sich zunächst noch selbst an die Airline wenden müssen, unterstützt das EVZ Deutschland. Unter selbsthilfe.evz.de stellt es kostenlos Musterschreiben bereit.