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Gesundheit

Spanien stimmt für bezahlten Urlaub während der Menstruation

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Spanien wird das erste Land in Europa sein, das einen bezahlten Urlaub während der Menstruation einführt. Mit dieser neuen Maßnahme soll das Tabu um die Periode gebrochen werden, so die spanische Regierung.

Durchschnittlich jede vierte Frau, die menstruiert, leidet unter quälenden Menstruationsbeschwerden, die sich darin äußern, dass sie Medikamente einnehmen muss und nicht in der Lage ist, ihren alltäglichen Aktivitäten nachzugehen, so eine wissenschaftliche Studie.

Doch nur eine Handvoll Länder bietet denjenigen, die unter solchen Schmerzen leiden, die Möglichkeit, bezahlten Menstruationsurlaub zu nehmen. Seit dem 15. Februar 2023 ist Spanien das erste Land in Europa mit dieser Möglichkeit.

Irene Montero, die Gleichstellungsministerin der spanischen Linksregierung, bezeichnete diesen Tag als einen „historischen Tag des Fortschritts in Sachen Frauenrechte“. Und auch wenn einige Leute argumentieren mögen, dass ein bezahlter Menstruationsurlaub nicht der richtige Weg ist, um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, wurde diese Maßnahme von vielen gelobt.

GESUNDHEIT Irene Montero

Schmerzhafte Periode: immer noch ein Tabu am Arbeitsplatz

Die Menstruation wird von mindestens 50 Prozent der weiblichen Bevölkerung als schmerzhaft empfunden. Und für viele, die sie erleben, kann sie sehr schmerzhaft sein: starke Blutungen, Übelkeit, Kopfschmerzen und so weiter.

Die medizinische Bezeichnung für schmerzhafte Menstruationsbeschwerden ist Dysmenorrhoe. Sie kann durch natürliche Chemikalien verursacht werden. In einigen Fällen kann sie aber auch durch Grunderkrankungen wie Fibrose oder Endometriose verursacht werden.

Diese Schmerzen haben natürlich Auswirkungen auf die Arbeitsleistung der Betroffenen. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 gaben 80,7 Prozent der Befragten an, während ihrer Periode „Präsentismus“ zu haben, was bedeutet, dass sie zwar zur Arbeit kamen, ihre Produktivität jedoch beeinträchtigt war.

Die Forschenden in dieser Studie schätzen zudem, dass Frauen, die einen Menstruationszyklus haben, aufgrund ihrer Menstruation im Durchschnitt neun Tage an Produktivität verlieren.  Wie können wir also den Arbeitsplatz an diese physiologischen Bedürfnisse anpassen?

Eines der Hauptprobleme besteht darin, dass das Gespräch über Menstruationsbeschwerden am Arbeitsplatz immer noch ein Tabuthema ist. Viele Betroffene verbergen ihre Symptome, geben vor, eine Grippe zu haben, wenn sie sich krank melden, anstatt zu sagen, dass es an ihrer Periode liegt. Andere tragen dunkle Hosen und verstecken ihre Tampons im Ärmel, wenn sie sich auf der Toilette umziehen müssen.

Auf dem Symposium „Menstruation in ROT auf der Tagesordnung“ erklärte Marlies Bongers, Professorin für Gynäkologie an der Universität Maastricht, dass eine Möglichkeit, dies zu ändern, darin besteht, darüber zu sprechen. Die Periode sei ein natürlicher Vorgang und niemand sollte sich dafür schämen. Deshalb ist es wichtig, ein Gespräch zwischen Arbeitnehmenden und Angestellten zu führen, damit sich alle sicher und unterstützt fühlen.

Menstruationsbedingter Urlaub: eine gute Lösung?

Eine der von Marlies Bongers vorgestellten Lösungen zur Unterstützung menstruierender Menschen ist der Menstruationsurlaub. Diese Maßnahme nimmt heute einen immer größeren Platz im politischen Raum ein. Aber was ist das eigentlich und funktioniert sie?

Der bezahlte Menstruationsurlaub

Die neue Gesetzgebung in Spanien gewährt Arbeitnehmerinnen, die während ihrer Periode unter Schmerzen leiden, eine Auszeit, um sich zu erholen. Diese Freistellung wird dank des staatlichen Sozialversicherungssystems bezahlt. Der Krankheitsurlaub muss von einer Ärztin oder einem Arzt verschrieben werden, und das Gesetz legt bis heute keine bestimmte Anzahl von Tagen fest, die Ärzte gewähren können.

Spanien ist zwar das erste europäische Land, das ein solches Gesetz verabschiedet hat, aber es ist nicht das erste Mal, dass es in Europa diskutiert wird, und die Idee gewinnt immer mehr Anhänger. In Italien wurde 2017 fast ein Gesetz verabschiedet, wonach Unternehmen drei Tage bezahlten Urlaub für Menschen mit Dysmenorrhoe anbieten müssen, und 2022 hatte eine der Kandidatinnen für die französischen Präsidentschaftswahlen, Anne Hidalgo, die derzeitige Bürgermeisterin von Paris, eine solche Maßnahme in ihrem Programm.

Während es sich in Europa um ein recht neues Konzept handelt, haben viele Länder bereits einen Menstruationsurlaub in ihre Arbeitsvorschriften aufgenommen. Japan, Südkorea, Taiwan, Indonesien und Sambia haben alle eine Art von Politik, die menstruierenden Menschen zusätzliche Ruhezeiten gewährt.

In Japan zum Beispiel gibt es den Menstruationsurlaub seit 1947, und in Sambia haben Frauen seit 2015 jeden Monat einen Tag frei, den sogenannten „Muttertag“.

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Funktioniert das wirklich?

Es gibt jedoch eine Debatte über die Wirksamkeit eines solchen bezahlten Urlaubs. Einige feministische Vereinigungen befürchten, dass die Einführung eines zusätzlichen Urlaubs aufgrund des Menstruationszyklus Unternehmen davon abhalten könnte, Frauen einzustellen. Außerdem könnte dies dazu beitragen, dass der Glaube aufrechterhalten wird, dass die Periode eine Krankheit ist und dass Menschen, die sie haben, schwächer sind als diejenigen, die sie nicht haben.

Eine weitere Frage ist: Werden die Personen, die Anspruch auf dieses Recht auf Ruhe haben, es auch nutzen? In Japan zum Beispiel nehmen viele die ihnen gesetzlich zustehende Auszeit nicht in Anspruch, weil sie befürchten, von ihren Vorgesetzten schlecht angesehen zu werden und als schwach zu gelten. Eine Studie aus dem Jahr 2022 schätzt, dass weniger als zehn Prozent der menstruierenden Arbeitnehmerinnen ihren Menstruationsurlaub in Anspruch nehmen.

„Die Geschichte des Feminismus ist eine Geschichte der Beharrlichkeit im Angesicht sozialer Ungerechtigkeit“. – UN-Menschenrechtsrat

Und wenn Frauen in Südkorea auf den Urlaub verzichten um mehr Gehalt zu erhalten, was sollte japanische Unternehmen daran hindern, diese Option ebenfalls anzubieten? Der „Menstruationsurlaub“ allein wird also nicht das Problem lösen können. Es bedarf einer breiteren Diskussion über dieses Thema, eines besseren Zugangs zu medizinischer Versorgung für Personen, die unter Regelschmerzen leiden und einer Enttabuisierung der Periode.

Abschließend lässt sich sagen, dass der Weg noch sehr lang ist und es einige Zeit dauern könnte, bis Frauen  mit Menstruationsbeschwerden als gleichberechtigt mit Menschen ohne Menstruationsbeschwerden angesehen werden. Ungeachtet dessen ist der bezahlte Menstruationsurlaub ein großer Schritt.

Lob vom UN-Menschenrechtsrat

Der UN-Menschenrechtsrat hat das neue Gesetz in einer Pressemitteilung begrüßt und daran erinnert, dass gesetzliche Maßnahmen ein Schlüsselelement seien, um sicherzustellen, dass jeder Mensch frei und gleichberechtigt in Würde und Rechten leben kann.

Bezahlter Menstruationsurlaub gibt menstruierenden Menschen die Freiheit zu wählen, was sie tun möchten, und er gibt Anlass zum Dialog über die Periode, was den Weg zu mehr sozialem Fortschritt ebnen kann.

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Wie kann ich meinen Arbeitsplatz menstruationsfreundlicher gestalten?

Hier sind einige Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um das Leben menstruierender Frauen zu erleichtern.

  • Garantieren Sie den Zugang zu Toiletten. Während der Menstruation ist der einfache Zugang zu einer Toilette und einem Mülleimer unerlässlich: Wenn Sie dafür sorgen, dass Ihr Arbeitsplatz über eine solche Möglichkeit verfügt, ist das ein guter Anfang, um das Wohlergehen aller zu gewährleisten.
  • Achten Sie auf die Farben. Egal, ob es sich um die Farbe der Uniformen oder um die Farbe der Bürostühle handelt, die Wahl einer dunkleren Farbe wie Schwarz kann für menstruierende Menschen von Vorteil sein. Es nimmt den Stress, einen Blutfleck zu hinterlassen und trägt dazu bei, Frauen mit Zyklus ihre Würde und ihr Selbstbewusstsein zu erhalten.
  • Sorgen Sie dafür, dass die Frauen einen Platz zum Ausruhen haben. Die Menstruation ist eine Belastung für den Körper und die psychische Gesundheit. Es ist wichtig, dass Personen, die diesen Prozess durchlaufen, einen Ort haben, an dem sie einfach nur sein können. Eine Möglichkeit, ihnen zu helfen, wäre der Zugang zu einem Ruheraum, ein Achtsamkeitsprogramm oder Yogamatten, auf denen sie sich dehnen können, was zur Linderung von Menstruationsbeschwerden beitragen kann.
  • Zugang zu hilfreichen Produkten anbieten: Eine Möglichkeit, den Stress für Menstruierende zu verringern, ist der Zugang zu Tampons und Menstruationstassen, da frau manchmal von ihrer Periode überrascht wird und keine Produkte zur Verfügung hat. Eine andere Möglichkeit, Beschwerden zu lindern, besteht darin, Schmerzmittel oder Wärmflaschen zur Verfügung zu stellen, um Krämpfe zu lindern oder Ventilatoren bereitzustellen, um Frauen in den Wechseljahren bei Hitzewallungen zu helfen.
  • Zuhören und vertrauen: Die Enttabuisierung der Menstruation wird einige Zeit dauern, aber der beste Anfang ist, Gespräche zu fördern. Hören Sie den Betroffenen in Ihrer Umgebung zu, versuchen Sie, sie zu verstehen, und seien Sie, wenn Sie können, entgegenkommend. Die Periode ist eine schwierige Zeit und keine Ausrede, um zu faulenzen oder nicht zur Arbeit zu erscheinen. 

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Corinna Opitz

Wie sieht es beim BDAE aus?

Hier bei BDAE versuchen wir sicherzustellen, dass sich alle unterstützt fühlen. Deshalb bieten wir nicht nur flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, um uns an die Bedürfnisse und das Leben unserer Mitarbeitenden anzupassen. Wir planen außerdem, kostenlos Produkte für die Periode bereitzustellen.

Diese Idee stammt von Corinna Opitz, die beim BDAE für das Personalwesen zuständig ist. „Das Wichtigste für den BDAE ist der menschliche Aspekt. Und das gilt eben auch für unsere Mitarbeitenden: Wir glauben, dass jeder Mensch, der beim BDAE arbeitet, sich unterstützt fühlen und wissen sollte, dass sie oder er wichtig ist. Daher ist es für uns sehr wichtig, sicherzustellen, dass jede unserer Mitarbeiterinnen, die ihre Periode hat, mit Würde behandelt wird und Zugang zu kostenlosen Menstruationsprodukten hat. Die Periode ist ein normaler und natürlicher Teil des Lebens, und so sollte sie auch behandelt werden.“

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe März 2023 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.