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Interview
Robert Johnson, Professor an der Regents University in London; © Regent University London; kras99, AdobeStock

„Selbstgefälligkeit ist die größte Herausforderung von Expats.“

Wie sehen die Bedingungen für interkulturelles Arbeiten aktuell aus und wie stellen Expats sich am besten auf einen Arbeitsplatz in einem neuen Land ein? Darüber sprachen wir mit Robert Johnson, Professor für interkulturelles Management an der Regent’s Universität in London und Experte für interkulturelle Arbeitsbedingungen.

In allen OECD-Ländern einer Analyse von Preply zufolge waren ausländische Arbeitnehmende mit ihrem Arbeitsplatz zufriedener als einheimische Kolleginnen und Kollegen. Warum glauben Sie, dass Personen, die ins Ausland gehen, bessere Bewertungen über Unternehmen im Allgemeinen abgeben? Spielt die Motivation eine Rolle?

Johnson: Motivation spielt sicherlich eine Rolle, denn diejenigen, die sich für Jobs im Ausland bewerben und diese Jobmöglichkeiten annehmen, sind in der Regel am besten qualifiziert, am fähigsten und die abenteuerlustigsten Mitarbeitenden. Sie sind ihren Arbeitgebern wahrscheinlich auch dankbar, dass diese ihnen die Möglichkeit geben, diesen glamourösen Lebensstil in einer der großten Städte der Welt zu erleben.

Untersuchungen zufolge sind ausländische Arbeitnehmende, also Expats, deutlich zufriedener mit ihrem Arbeitsumfeld als lokale Angestellte.

Ihr Einsatz ist oft von begrenzter Dauer, so dass sie, selbst wenn sie eine harte Zeit durchmachen, wissen, dass sie bald nach Hause zurückkehren und die Früchte ihrer Karriere ernten können, weil sie “den Kurs in feindlichem Gebiet durchgehalten haben” und dem Büro in der Heimat ein paar spannende Geschichten erzählen können.

Währenddessen sitzen die Einheimischen zu Hause fest und müssen ihre Rechnungen bezahlen.

Johnson: Es könnte jedoch noch andere Gründe geben: Ein Expat trägt im Allgemeinen weniger politisches und soziales Gepäck mit sich herum als die Einheimischen, die eher dazu neigen, gewisse Situationen zu kritisieren. Ein weiterer Grund ist, dass Auswandernde, die die Landessprache nicht sprechen, oft nur oberflächliche Erfahrungen sammeln und die lokale Kultur nur durch Essen, Festivals und lustige Aktivitäten wirklich kennen lernen. Sie fühlen sich eher zu einer kleinen, genau definierten Expat-Gemeinschaft von Gleichgesinnten hingezogen, und das ist eine enge, aber oft sehr gut unterstützte und komfortable Welt, in der man eine Zeit lang leben kann.

„Die Entsendung von Mitarbeitenden ins Ausland ist für Unternehmen ein kostspieliges und potenziell riskantes Unterfangen.“

Warum wollen Menschen im Ausland arbeiten? Glauben Sie, dass in Zukunft mehr Menschen aus beruflichen Gründen ins Ausland gehen werden? 

Johnson: Die Pandemie hat sich eindeutig auf die Fähigkeit und Bereitschaft der Unternehmen ausgewirkt, Mitarbeitende ins Ausland zu entsenden. Dieser Effekt wird allmählich nachlassen, da sich die Volkswirtschaften und Märkte öffnen und die Beschränkungen gelockert werden. Der Wunsch ehrgeiziger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich bei einem Auslandseinsatz zu beweisen, ist nach wie vor vorhanden.

Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass es nach der Pandemie langfristig zu einem deutlichen Wechsel hin zu einer virtuellen Teamarbeit gekommen ist, die eher durch kürzere persönliche Treffen unterbrochen wird als durch längere Auslandseinsätze. Schließlich ist die Entsendung von Mitarbeitenden ins Ausland für Unternehmen ein kostspieliges und potenziell riskantes Unterfangen.

Das ist schade, denn die Vorteile für das berufliche Weiterkommen liegen auf der Hand, ebenso wie der Gewinn an praktischer Erfahrung. Lokale Perspektiven und Kontakte, die man außerhalb der Heimat macht, können für diejenigen, die nach oben streben, von unschätzbarem Wert sein.

Preply-Studie über die Arbeitszufriedenheit von Expats

Eine neue Stelle anzutreten, kann eine nervenaufreibende Erfahrung sein, aber aus beruflichen Gründen ins Ausland zuziehen, ist eine ganz andere Liga. Die Anpassung an einen anderen Arbeitsplatz, an andere Arbeitsmethoden und an eine andere Kultur und Sprache kann für neue Teammitglieder besonders schwierig sein. Trotz der Hindernisse und Herausforderungen zieht es immer mehr Menschen für einen Arbeitsplatzwechsel ins Ausland: Die Zahlen für 2019 zeigen, dass fast zehn Prozent der Arbeitnehmenden in der EU nicht in dem Land geboren wurden, in dem sie derzeit arbeiten.

Doch wie wirkt sich die Arbeit in einem fremden Land auf die Arbeitszufriedenheit aus? Gibt es bestimmte Länder und Unternehmen, in denen ausländische Fachkräfte die besten Erfahrungen am Arbeitsplatz sammeln? Und wie wichtig ist es, die offizielle Amtssprache, die auch im Unternehmen gesprochen wird, zu lernen?

Um das herauszufinden, hat das Sprachlern-Portal Preply gemeinsam mit Robert Johnson, Dozent für interkulturelles Management und interkulturelle Kommunikation an der Regent’s University in London, tausende Glassdoor-Bewertungen analysiert, die von einheimischen Arbeitnehmenden und ausländischen Fachkräften abgegeben wurden.

Die Ergebnisse der Analyse bieten einen Einblick in die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, sowohl von Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern als auch von ausländischen Fachkräften in verschiedenen Ländern auf der Welt.

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INTERVIEW Beschaeftigung auslaendischer Staatsangehoeriger nach Sektoren

Wenn man in Erwägung zieht, eine Stelle in einem anderen Land anzunehmen: Was sind die wichtigsten Dinge, über die man sich informieren sollte, bevor man eine Entscheidung trifft?

Johnson: Nach der Berücksichtigung der Merkmale des Standorts, der politischen Stabilität, der Qualität der medizinischen Versorgung – vor allem bei besonderen medizinischen Bedürfnissen – sowie der Offenheit gegenüber Fremden und gegenüber das Klima, ist unter anderem das Maß an Unterstützung sehr wichtig, welches der oder die Entsandte vom Arbeitgeber und von Familienangehörigen erhält, wenn sie den Umzug gemeinsam unternehmen.

Es ist wirklich wichtig, mit jemandem zu sprechen, der dort eine Zeit lang in einer ähnlichen Funktion und Situation tätig war. Und potenzielle Expats sollten vom Unternehmen ein interkulturelles Training und gegebenenfalls einen grundlegenden Sprachkurs verlangen. Es ist immer leicht anzunehmen, dass der Partner oder die Partnerin in der Lage sein wird, eine  berufliche Möglichkeit im Ausland zu finden, aber das ist nicht immer der Fall. Dies ist sogar meistens der wichtigste Faktor für das Scheitern eines Auslandseinsatzes: ob der Partner beziehungsweise die Partnerin oder der “mitreisende Ehepartner”, wie er manchmal genannt wird, in der Lage ist, allgemeine Freude und Zufriedenheit in der neuen Umgebung zu finden.

„Es ist wirklich wichtig, mit jemandem zu sprechen, der eine Zeit lang in einer ähnlichen Funktion und Situation im Ausland tätig war.“

Mit welchen Hindernissen und Herausforderungen am Arbeitsplatz sehen sich Personen, die eine neue Stelle in einem Land annehmen, häufig konfrontiert und wie können diese überwunden werden?

Johnson: Für einen Expat gibt es zahlreiche Herausforderungen. Ich würde sagen, die erste und wichtigste ist die Selbstgefälligkeit – die Annahme, dass man von dieser grundlegenden Veränderung in seinem Leben nicht betroffen sein wird. Kulturschock ist ein etwas übertriebener Begriff, daher verwende ich lieber den Ausdruck ‘neuer Lebensstress’, um den Prozess zu beschreiben, den wir durchlaufen müssen, um uns an ein anderes System zu gewöhnen, über das wir keine Kontrolle haben.

Es ist wichtig, gleichzeitig nach außen und nach innen zu schauen – finden Sie neue Freunde, mit denen Sie sich über die Geschehnisse auf der Arbeit austauschen können, aber vergessen Sie nicht, sich mit Ihren Angehörigen und Kollegen zu Hause in Verbindung zu setzen. Geben Sie sich nicht mit Leuten ab, die zynisch geworden sind. Nehmen Sie soziale Angebote von lokalen Kontakten an und bleiben Sie dabei in sicheren Grenzen!

Stellen Sie bei der Arbeit immer Fragen und zeigen Sie Interesse an allem, was anders ist. Fragen Sie, warum. Seien Sie bescheiden. Je mehr echtes Interesse Sie zeigen, desto besser werden Sie von Ihren Gesprächspartnern wahrgenommen.

INTERVIEW AdobeStock 119597316© bizvector, AdobeStock

Glauben Sie, dass es wichtig ist, dass Unternehmen internationale Teams bilden? Ist dies für die Unternehmen und die Erfahrung der Mitarbeiter von Vorteil?

Johnson: Das hängt von den Zielen des Unternehmens ab. Wenn das Ziel nur darin besteht, den Geschäftsbetrieb zu überwachen, ohne von der neuen Kultur zu lernen, gibt es für die Unternehmen wenig Anreiz, sich mit Außenstehenden zu beschäftigen oder ein diverses Team zu haben.

Sie werden ihr eigenes Implementierungsteam mit Leuten aus der Hauptverwaltung besetzen. Wenn das Unternehmen jedoch aus seinen Begegnungen lernen will, wenn es offen dafür ist, die Vielfalt seiner Mitarbeitenden zu nutzen, dann können internationale Teams, wenn sie gut gefördert und geführt werden, zu mehr Kreativität und Produktivität führen, und das Unternehmen ist eher in der Lage, sich an unvorhersehbare Ereignisse anzupassen und auf neuen Märkten Fuß zu fassen.

„Internationale Teams können zu mehr Kreativität und Produktivität führen.“

Eine Untersuchung von Preply zeigt die Unternehmen, die von nicht einheimischen Arbeitnehmern am besten bewertet werden. Haben diese Unternehmen starke interkulturelle Arbeitsstrategien eingeführt? Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Strategien?

Johnson: Offensichtlich verfügen Unternehmen wie Google, Apple, Microsoft und viele der globalen Banken über die Ressourcen, um starke kulturübergreifende Teams aufzubauen und ihre Stärken zu nutzen. Aber es ist auch völlig klar, dass es nicht nur die Ressourcen sind, sondern auch die Denkweise des Managements und die Offenheit für neue Denkweisen, die es Unternehmen jeder Größe ermöglichen, Prozesse zu etablieren, die auf kultureller Intelligenz und nicht auf ethnozentrischer Selbstüberschätzung basieren. Auf diese Weise kann jeder die Gefahren des Gruppendenkens vermeiden und Chancen ergreifen, die er sonst verpassen würde.

Welche Sprachen werden Ihrer Meinung nach in den nächsten 20 Jahren bei den Arbeitgebern gefragt sein?

Johnson: Englisch wird auf unabsehbare Zeit die Sprache der globalen Wirtschaft bleiben, aber der Einfluss der anglo-amerikanischen Kulturen wird weiter schwinden. Diejenigen, die über zusätzliche Sprachkenntnisse verfügen, werden in der Arbeitswelt wertvoll bleiben, vor allem aber Personen, die Chinesisch, Spanisch, Französisch oder Arabisch beherrschen. Vor ein oder zwei Monaten hätte ich noch Russisch gesagt, aber das ist ja auch nicht so leicht vorherzusagen, nicht wahr? Darüber hinaus würde man sich mit Japanisch-Kenntnissen sicherlich von der Masse abheben. 

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Deutsche Firmen, die Personal ins Ausland entsenden, sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Mitarbeitenden im Ausland gut abzusichern.

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Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Juli 2022 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.