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© tan4ikk, AdobeStock

Luftverkehr erholt sich nur langsam – und ändert sich strukturell

Die tiefste Krise ihrer Geschichte hat die Luftfahrt auch im Jahr 2021 geprägt. Der Jahreswechsel brachte statt der erhofften Belebung sogar eine Verschärfung der Situation durch die Omikronvariante.

Weltweit lag der Passagierluftverkehr im Gesamtjahr 2021 noch 58 Prozent unter der Nachfrage im Vorkrisenjahr 2019. Dabei sind die Inlandsverkehre mit einem Minus von 28 Prozent gegenüber dem Vorkrisenniveau deutlich stärker zurückgekommen als die internationalen Verkehre, die noch immer ein Minus von 76 Prozent verzeichnen.

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Die deutschen Fluggesellschaften transportierten 52,5 Millionen Passagiere und damit 68 Prozent weniger als im Vorkrisenjahr 2019. An den deutschen Flughäfen wurden 78,6 Millionen Passagiere gezählt und damit noch immer gut zwei Drittel (69 Prozent) weniger als vor der Pandemie. Wie das Statistische Bundesamt in seiner Jahresbilanz für den Flugverkehr beschreibt, handelte es sich beim Jahr 2019 allerdings auch um ein Rekordjahr. Es verzeichnete damals mit 226,7 Millionen Passagieren auf Deutschlands 23 größten Flughäfen und damit ein Allzeithoch.

Unterschiedliche Erholungseffekte weltweit

Wie der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) beschreibt, hat sich der Verkehr in Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten zögerlicher erholt. Hier kommt unter anderem zum Tragen, dass in vielen europäischen Ländern – anders als in Deutschland – der Inlandsverkehr schneller zurückgekehrt ist als der internationale Verkehr. Der innerdeutsche Verkehr ist durch Distanzen geprägt, auf denen in Pandemiezeiten eher der eigene Wagen genutzt wird. Zudem fehlte Zubringerverkehr zu den Drehkreuzen. Das spiegelt sich in der Analyse des Statistischen Bundesamts wider: Während der innerdeutsche Luftverkehr 19,3 Prozent unter dem Vorjahres-Niveau lag, nahm der Luftverkehr mit dem Ausland um 32,6 Prozent zu. Die europäischen Fluggesellschaften, die stark durch eine internationale Nachfrage geprägt sind, verzeichneten in der Sommerferien-Saison eine kurze Phase der Erholung, die nach dem Sommer zumindest nicht eingebrochen ist.

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Ganz anders das Bild bei den nordamerikanischen Fluggesellschaften: Diese erreichen wieder 61 Prozent des Vorkrisenniveaus. Die positive Entwicklung ist stark durch die großen Inlandsmärkte geprägt. Die asiatischen Fluggesellschaften stagnieren nach kurzer Erholung seit dem Frühjahr. Mit dem Auftreten der Delta-Variante sind hier auch die Inlandsmärkte wieder eingebrochen (- 67 Prozent gegenüber 2019). Die Fluggesellschaften aus dem Nahen Osten mit nahezu ausschließlich internationalem Umsteigeverkehr zeigen die schwächste Erholung (- 70 Prozent).

Verkehrsstromanalyse belegt Sogwirkung der Drehkreuze außerhalb des EU/EWR/CH-Raums

Der BDL legt mit seiner Jahresbilanz erstmals auch eine Analyse über die langfristige Entwicklung der globalen Passagierströme vor. Die Daten hierfür wurden vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) aufbereitet. Passagierströme zeigen, wie viele Fluggäste in einem bestimmten Zeitraum von Startort "A" zum Zielort "B" reisen, unabhängig von der gewählten Route. Sie erfassen Nonstop-Verbindungen ebenso wie Verbindungen mit mehreren Flügen über Drehkreuze im Inland, in Europa oder weltweit. Dadurch gibt die Analyse von Verkehrsströmen Aufschluss darüber, wie sich die Verkehre zwischen unterschiedlichen Regionen der Welt verändern.

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Während der Europaverkehr weitgehend auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen stattfindet, machen im Interkontinentalverkehr umsteigende Passagiere mit 60 Prozent den Großteil der Reisenden aus. Die Analyse der Verkehrsströme zeigt, dass der Umsteigeverkehr aber immer weniger in Deutschland stattfindet: Der Anteil der Umsteigenden in Deutschland, gemessen am Transferverkehr mit Deutschland, ist von 28 Prozent in 2010 auf 21 Prozent in 2021 gesunken. Während der Gesamtmarkt auf den Verkehrsströmen von Deutschland nach Asien und Afrika im Zeitraum 2010 bis 2019 um 73 Prozent gewachsen ist, spielt Deutschland dabei als Transferland kaum mehr eine Rolle (+ 15 Prozent). Das Wachstum des Transferverkehrs erfolgt überwiegend über Istanbul und Drehkreuze außerhalb Europas (+ 115 Prozent). Und während Deutschland seine Rolle als Transferland im Verkehr von Nordamerika nach Osten im Wesentlichen behaupten konnte, hat sich der Anteil Deutschlands als Transferland im Verkehrsstrom von Europa (ohne Deutschland) nach Asien und in das östliche und südliche Afrika von 6 auf 3 Prozent halbiert.

"Es sind erhebliche Wettbewerbsnachteile für europäische Luftverkehrsunternehmen entstanden, die im Vergleich zu Carriern aus dem Mittleren Osten oder vom Bosporus deutlich höhere soziale, ökologische und verbraucherpolitische Standards erfüllen. So entfaltet sich eine regelrechte Sogwirkung für Verkehr aus Europa in Richtung Asien und Afrika, verbunden mit der Verlagerung von Wertschöpfung ohne positiven Effekt auf die Umwelt", fasst BDL-Präsident Peter Gerber zusammen. "Umso wichtiger ist es, dass weitere soziale und ökologische Fortschritte im Luftverkehr mit Regulierungen erfolgen, die im internationalen Verkehr alle Unternehmen gleichermaßen betreffen."

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe März 2022 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.