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Interview

"Ich liebe es, in Frankreich zu leben."

© TAW4 - AdobeStock; Marie Sobing

Marie Sobing zog zu Beginn der Pandemie nach Paris, um dort zu arbeiten und zu studieren. Wie sie sich trotz der Kontaktbeschränkungen einlebte, inwieweit sich die französische von der deutschen Arbeitskultur unterscheidet und was man in Frankreich von der Netflix-Serie „Emily in Paris“ hält, verrät sie im Interview

Du studierst und arbeitest in Paris – etwas, wovon viele junge Menschen weltweit träumen. Was genau machst du?

Marie: Ich absolviere ein duales Studium beim Versicherungsmakler MSH International. Ähnlich wie in Deutschland gibt es auch in Frankreich das duale System, bei dem man an einer Hochschule die Theorie lernt und in einem Unternehmen dann das Wissen in die Praxis umsetzen kann. Nur ist es in Frankreich so, dass sich die Studierenden in der Regel zunächst die Universität selbst auswählen und sich dann bei Unternehmen bewerben, die sich an der Ausbildung beteiligen. Bei MSH International bin ich zurzeit als Junior Sales Advisor im Maklervertrieb angestellt. Zu meinen Aufgaben gehört es unter anderem, neue internationale Partnerschaften aufzubauen, beim Beschwerdemanagement mitzuwirken und hierbei auch die Schnittstelle zum Marketing zu bilden. Parallel mache ich meinen Master an der Université Dauphine im Bereich International Business and NCT-Projects. NCT steht für New Cultural Technologies.

Warum wolltest du gerne in Frankreich studieren?

Marie: Ich war schon immer sehr frankophil, obwohl meine Familie keinerlei Bezug zu Frankreich hat. Die Sprache hat mich von Anfang an sehr fasziniert. Meine erste Berührung mit dem Französischen hatte ich bei den Tests zum Wechsel aufs Gymnasium. Dabei ging es um den einfachsten Dialog überhaupt: Comment, ça va? Wie geht’s? Der Rhythmus, die Sprachmelodie haben mich direkt gefangen genommen. Ich habe dann sehnsüchtig darauf gewartet, ab der sechsten Klasse auf dem Gymnasium endlich Französisch zu lernen. Meine Eltern drängte ich dazu, Urlaub in Frankreich zu machen.

Nach dem Abitur wollte ich das Zwischenjahr nutzen, um ein soziales Jahr im politischen Bereich zu machen, doch es gab noch keine internationalen Angebote (in Frankreich) für diese Art des Freiwilligen Politischen Jahres. Mir war es wichtig, in Europa zu bleiben. So ein Work-and-Travel-Jahr in Australien beispielsweise konnte ich mir für mich nicht vorstellen. Schließlich konnte ich einen deutsch-französischen Freiwilligendienst Kultur (mitorganisiert vom Kulturbüro Rheinland-Pfalz) beim Partnerschaftsverband Burgund in Dijon antreten.

Danach studierte ich an der Bergischen Universität in Wuppertal und machte dort meinen Bachelor in Wirtschaft und Französisch. Als sich die Frage nach dem Master stellte, fiel die Entscheidung, diesen in Frankreich zu machen und nicht in Deutschland mit einem Auslandssemester. Ich hatte meinen Bachelor in Deutschland machen wollen, da trotz Bologna-Reform Anerkennungsverfahren immer noch schwierig sind, und ich ein deutsches Diplom in der Tasche haben wollte. Ausserdem hätte ich es paradox gefunden weiterhin einen internationalen Studiengang zu besuchen ohne international unterwegs zu sein.

Ich bewarb mich an der Université Nanterre auf das Studium Business Development und Interkulturelles Marketing, wechselte aber später an die Dauphine.

„Ich wusste damals nicht, dass in Frankreich der Ruf einer Universität so entscheidend ist.“

Für viele ist ein Auslandssemester schon eine große Herausforderung, du wechselst im Ausland während des Masters die Hochschule. Warum war dir das wichtig?

Marie: Ich wusste damals nicht, dass in Frankreich der Ruf einer Universität so entscheidend ist. Die Dauphine gilt als beste öffentliche Hochschule für Wirtschaft. Außerdem stellte sich heraus, dass ich viele der Lehrinhalte an der Nanterre bereits aus meinem Bachelor-Studium kannte. Ich wollte einfach nochmal etwas Neues sehen. Glücklicherweise unterstütze mein Arbeitgeber MSH mich dabei. In meinem jetzigen Studiengang sind 17 Nationalitäten vertreten. Für mich ist Diversität gelebter Alltag.

Du lebst seit März 2020 in Paris, bist also zu Beginn der Coronapandemie gestartet. Wie erging es dir?

Marie: Tatsächlich kam ich am ersten Tag des ersten Lockdowns in Frankreich an, weil ich meinen Praktikumsplatz antreten wollte. An jenem Tag zog ich mit meinem französischen Freund zusammen und hatte nur noch bis 12 Uhr Zeit, in die Wohnung zu kommen. Es war eine gespenstische Stimmung, denn die Straßen waren fast völlig leer. Viele Pariser waren zu diesem Zeitpunkt schon aufs Land zu ihrem Zweitwohnsitz gefahren. Ich glaube, ich habe gerade mal zwei Autos auf den Straßen gesehen, wo sonst fast immer Stau herrscht. Eigentlich sollte ich ins Büro meiner Praktikumsstelle kommen und meinen Laptop abholen, aber nicht mal das war mehr möglich. Mein Praktikumsbeginn musste von daher auf das Ende des ersten Lockdown verschoben werden.

Zum Leben einer Studentin gehört es auch, neue Freundschaften zu schließen, zu feiern und über den Campus zu schlendern. All das hast du lange nicht erleben können.

Marie: Ja, das war schade. Auch die besonderen Aktivitäten, die zu meinem aktuellen Studium gehören, finden nicht so statt wie geplant. Ursprünglich sollte es eine Studienfahrt nach Shanghai geben, dann stand San Francisco im Raum. Aktuell werden wir die Fahrt wohl innerhalb Europas machen.

Ich habe glücklicherweise nicht alleine wohnen müssen und habe schnell auch digital mit Kommolitonen Freundschaften schliessen können. Und ich habe meine Freundschaften in Deutschland gut halten können, weil ich Zeit hatte, mich mit ihnen digital auszutauschen. Mittlerweile habe ich wieder viel Präsenz an der Uni und bin auch im Büro von MSH, somit bin ich viel im Austausch mit anderen.

„In Frankreich ist es üblich, Kritik eher indirekt, also zwischen den Zeilen anzusprechen.“

Wie würdest du die französische Unternehmenskultur im Unterschied zur deutschen beschreiben?

Marie: Mein Team ist in ständigem Austausch mit internationalen Teams, daher würde ich es nicht als typisch französisch bezeichnen. Was mir aber auffällt: Es läuft vieles sehr viel administrativer ab, man muss sich an gewisse Abläufe und Strukturen halten. Je größer das Unternehmen ist, desto wichtiger sind auch Hierarchien. Oft sind es auch nur unterschwellige und nicht so offizielle Hierarchien, die es zu beachten gilt. In Deutschland sind Arbeitnehmende und Studierende viel offener im Feedback gegenüber ihren Vorgesetzten, in Frankreich ist es üblich, Kritik eher indirekt, also zwischen den Zeilen anzusprechen. Wenn man Kritik ausübt, ist die Beziehung zur Person sehr wichtig. In Deutschland differenzieren wir zwischen einer Person und einer Sache im Allgemeinen.

Marie Sobing in Paris (Foto: privat)Marie Sobing in Paris (Foto: privat)

Das musste ich erst lernen. Besonders fiel mir das an der Uni auf. Während in Deutschland Offenheit seitens der Studierenden gegenüber den Lehrenden eher die Diskussion fördert und als positiv wahrgenommen wird, sehen es die Lehrenden in Frankreich nicht so gerne, wenn man ihre Thesen hinterfragt. Darauf haben mich dann meine Kommilitonen aufmerksam gemacht. Glücklicherweise hatte ich meistens den Ausländerinnen-Bonus und man nahm es mir nicht so übel.

Aber ich liebe es, in Frankreich zu leben. Vor allem das internationale Team gefällt mir sehr gut. Meine Chefin hat beispielsweise viele Jahre in den USA und Spanien gelebt und in der Abteilung arbeiten Irinnen, Polinnen und viele andere Nationalitäten.

Spätestens seit der Erfolgsserie „Emily in Paris“ haben viele eine sehr romantisierte Vorstellung von Paris und einem Job in Paris als junge Frau. Wie ist es wirklich?

Marie: Hier in Frankreich haben wahrscheinlich alle diese Serie gesehen und sich darüber geärgert. Denn die Darstellung des Arbeitslebens in Paris und auch der Stadt selbst, haben mit der Realität nicht allzu viel gemein. Aber ja, dieses gewisse französische Flair, diesen Charme gibt es durchaus – wenn man ihn sucht. Er ist besonders evident, wenn man sich mit französischen Freunden abends in einer Bar trifft. Es herrscht dann eine tolle, genussvolle Atmosphäre. Das Gesellige, verbunden mit gutem Essen, ist den Französinnen und Franzosen in der Tat sehr wichtig. Vor dem Essen trifft man sich beispielsweise gerne zum Aperol. Generell sind Essen und Wein sehr große Gesprächsthemen. Das ist ein positives Klischee, das der Wahrheit entspricht. Selbst bei jungen Leuten ist die Gastro- und Essenskultur sehr ausgeprägt.

Man kann auch problemlos vier Stunden im Café sitzen und muss nicht ständig neu bestellen. Es ist entspannter als in Deutschland. Und ja, Paris ist eine sehr modische Stadt, in der ich mich wohlfühle. Mir wurde immer schon in Deutschland ein "französischer" Stil nachgesagt. Das Beste, was ich bisher entdeckt habe, sind die Flohmärkte. Ich liebe es, Zeit dort zu verbringen und schöne Dinge zu entdecken.

Über MSH International

MSH INTERNATIONAL ist ein weltweit führendes Unternehmen in der Entwicklung und Verwaltung internationaler Gesundheitslösungen mit über 500.000 Versicherten in mehr als 200 Ländern und 2.000 Firmenkunden. Das Unternehmen fungiert als sogenannter Managing General Underwriter (MGU) und Third Party Administrator (TPA). Zur Erläuterung: Ein MGU ist im Deutschen vergleichbar mit einem Entwickler von Versicherungslösungen und ein TPA fungiert vor allem als ein Versicherungsdienstleister mit Schwerpunkt auf Regulierung von Versicherungsschäden.

Seit 2017 gehört der BDAE zur MSH Gruppe.

www.msh-intl.com

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Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe März 2022 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.