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Weltweit
© EwaStudio, AdobeStock

So nehmen Flüchtlinge kulturelle Unterschiede wahr

Teilweise werden von Flüchtlingen starke Unterschiede in der Kultur ihres Heimatlandes zu der hiesigen Kultur wahrgenommen. Mit einigen Unterschieden können die meisten Flüchtlinge nach eigener Aussage gut umgehen. Das gilt etwa für den hohen Wert, den Menschen hier bestimmten Freiheits- und Gleichheitsrechten beimessen oder die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Andere Unterschiede stellen für sie eine größere Herausforderung dar, etwa der hiesige Umgang mit älteren Menschen, mit Homosexualität oder mit dem Stellenwert der Familie. Dies ergibt eine Befragung von Flüchtlingen des Forschungsbereichs des Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) GmbH.

Andere Herkunftsländer, andere Wertvorstellungen

Faktische oder angenommene kulturelle Unterschiede zwischen der deutschen Aufnahmegesellschaft und den Menschen in Herkunftsländern von Flüchtlingen bieten regelmäßig Anlass für Diskussionen. Nach wie vor gibt es jedoch nur wenig durch Forschung gesichertes Wissen über die Wertvorstellungen von Flüchtlingen – zumal „Flüchtlinge“ eine sehr heterogene Gruppe bilden: Die über 1,8 Millionen Menschen, die zwischen 2014 und 2018 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, sind Individuen mit jeweils eigenen Erfahrungen aus verschiedenen Herkunftsländern und sie sind aus unterschiedlichen Gründen geflohen. Es ist daher naheliegend, dass auch ihre Wertvorstellungen vielfältig sind. Der SVR-Forschungsbereich hat in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung Flüchtlinge hierzu befragt. Der Policy Brief „Andere Länder, andere Sitten? Welche kulturellen Unterschiede Flüchtlinge wahrnehmen – und wie sie damit umgehen“ bestätigt einige Befunde bereits vorliegender Studien und fügt dem wissenschaftlichen Erkenntnismosaik einen weiteren Stein hinzu.

Befragung von Personen der wichtigsten Herkunftsländer

Vom SVR-Forschungsbereich wurden zwischen Juli 2017 und Januar 2018 369 Flüchtlinge befragt, wie sie die Einstellungen der Menschen in ihrem Herkunftsland im Vergleich zu den Einstellungen der Menschen in Deutschland einschätzen. Der Bereich erläutert, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ für alle Flüchtlinge in Deutschland sind. Die Stichprobe spiegelt aber die wichtigsten Herkunftsländer von Asylsuchenden wider, somit kann das Gros der seit 2014 eingetroffenen Flüchtlinge abgebildet werden. Die Zahlen lassen Schlüsse zu, welche der Politik und der Zivilgesellschaft helfen können, Integrationsprozesse zu begreifen und bestenfalls Hürden zu beseitigen.

Gleichberechtigung und Gleichbehandlung fällt leicht

Bei den meisten Aspekten nehmen die Befragten mehrheitlich keine Unterschiede wahr. Zugleich beobachtet ein Teil der befragten Flüchtlinge durchaus kulturelle Unterschiede. Rund 80 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass es den Menschen in Deutschland sehr wichtig ist, dass alle die gleichen Rechte haben und vor dem Gesetz gleich sind – bezogen auf Männer und Frauen sogar gut 85 Prozent. Dagegen meinen nur rund 57 Prozent der Befragten, dass den Menschen in ihrer Heimat die Gleichheit vor dem Gesetz sehr wichtig ist. Bezogen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter meinen das nur fast 49 Prozent. Eine deutliche Mehrheit kommt nach eigener Einschätzung mit diesen Unterschieden sehr leicht oder leicht klar: fast 80 Prozent bei der gesetzlichen Gleichbehandlung, über 70 Prozent mit Blick auf die Gleichberechtigung der Geschlechter.

Stellenwert der Familie ist Flüchtlingen wichtig

In anderen Bereichen fällt es den befragten Flüchtlingen dagegen schwerer, sich auf wahrgenommene Unterschiede einzustellen. Das betrifft beispielsweise den in Deutschland aus Sicht der Flüchtlinge geringeren Stellenwert der Familie, den weniger respektvollen Umgang mit älteren Menschen oder das Thema Homosexualität. Mit Blick auf Letzteres erläutert der Autor des Policy Briefs, dass es rund 40 Prozent der Befragten, die hier Unterschiede wahrnehmen, schwer oder sehr schwerfällt, sich auf diese einzustellen. Das ist potenziell eine Herausforderung für die Aufnahmegesellschaft und die Geflüchteten. Man kann daraus aber nicht schließen, dass eine skeptische Haltung auch mit einem abwertenden Verhalten einhergeht.

Kulturelle Unterschiede als Grundlage für die Ausbildung der Flüchtlinge

Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass staatliche Integrationsmaßnahmen eine Wissensbasis zu hierzulande geltenden Wertvorstellungen legen können. Man sollte ihre Wirkung aber nicht überschätzen, da gelebte Alltagserfahrungen für die kulturelle Integration zentral sind. Daher gelte es, die Begegnung und den direkten Austausch zwischen Aufnahmegesellschaft und Neuankömmlingen zu fördern. Außerdem sollten Potenziale, die sich aus kulturellen Unterschieden ergeben können, genutzt werden. Zum Beispiel könnte der oft große Respekt gegenüber Älteren eine Grundlage darstellen, um mehr Flüchtlinge in Deutschland für die Arbeit in Pflegeberufen zu gewinnen.