Aktuelle Haftungsfallen bei Auslandsentsendungen
Die allermeisten Entsendungen verlaufen in der Regel völlig unproblematisch. Dennoch können Tätigkeiten im Ausland mit vielfältigen Risiken verbunden sein. Dabei reicht das Spektrum von der Immigration (Visum, Arbeitserlaubnis etc.) über ein mögliches Fehlverhalten im Zuge der beruflichen Tätigkeit (kulturelle „Fettnäpfchen“, Straftaten) bis hin zu Verstößen ohne direkten Bezug zur Entsendung. Noch problematischer sind mögliche Verhaltensauffälligkeiten im Kontext der Arbeitstätigkeit. Nicht selten verstoßen Arbeitnehmer etwa gegen lokale Regeln – so zum Beispiel Korruptionsgesetze. Das geschieht manchmal aus Unkenntnis, oft aber auch angesichts einer vollkommen falschen Auffassung, nach dem Motto, in dem betreffenden Land sei dies „üblich“ oder „nicht so gravierend“. Vorkommen tut dies etwa in einem Schwellen- oder Entwicklungsland. Die meisten Staaten belegen insbesondere Korruption aber inzwischen mit drakonischen Strafen.
So sind beispielsweise in China in besonders schweren Fällen sogar Hinrichtungen möglich. Nachdem bislang vor allem das Verhalten von inländischen Beamten und Politikern geahndet wurde, werden heute auch Ausländer wesentlich konsequenter als früher verfolgt. Hinzu kommen gesetzliche Vorschriften wie der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) in den USA oder der UK Bribery Act (UKBA), die zur starken Internationalisierung von Korruptionsverfahren beigetragen haben. Die USA stellen nach FCPA beispielsweise auch die Bestechung ausländischer Amtsträger unter erhebliche Strafen – nicht selten mit der Konsequenz internationaler Verfolgung. Unternehmen dürfte es insbesondere im Fall der Korruption alles andere als egal sein, was ihre Mitarbeiter im Ausland tun.
Interkulturelle Unkenntnis
Ein weiterer Stolperstein, der zu beobachten ist, sind die immer wieder unterschätzten kulturellen Gepflogenheiten und Wertungen in den einzelnen Gastländern. So wird der Tatbestand des „Harassment“ in den USA meist deutlich sensibler gehandhabt. Intensives und wiederholtes „Anstarren“ während eines geschäftlichen Meetings hat hier beispielsweise nicht nur Verstimmungen zur Folge, sondern kann auch Ansprüche begründen. Gleiches gilt für körperbetonten zwischenmenschlichen Umgang, der in streng islamischen Ländern wie Saudi-Arabien sexuell ausgelegt werden und die Sittenwächter auf den Plan rufen könnte.
Nicht zuletzt sollten Unternehmen bei Organmitgliedern ganz besondere Sorgfalt walten lassen. In etlichen Ländern geht die Haftung von Mitgliedern der Geschäftsführung deutlich weiter als in Deutschland. Unternehmen und Mitarbeiter können aber auch von Fehlverhalten „anlässlich“ des Auslandsaufenthalts, also auch im privaten Umgang, tangiert werden. So ist eine Entsendung privat, kulturell und sozial eine große Herausforderung für den Arbeitnehmer.
Nun mag man denken, Unternehmen stünden ihren Mitarbeitern im Ausland allein aus der rechtlichen Verpflichtung heraus oder spätestens aus moralischen Gründen bei. Viele Arbeitgeber tun das durchaus; sie verauslagen Strafverteidigungskosten und unterstützen organisatorisch. Dort drohen allerdings Zielkonflikte: So wälzen Organisationen die Schuld für organisatorische Vergehen im Einzelfall auf ihre Auslandsmitarbeiter ab, um Schaden von der Firma abzuwenden. In anderen Konstellationen wiederum würde der Arbeitgeber gerne im Rahmen der Strafverfolgung unterstützen, muss hier aber gut abwägen – denn unter Umständen erfüllt die Übernahme von Geldstrafen und Bußgeldern den Tatbestand strafbarer Untreue.
Die Gesetze kennen
All diese Beispiele zeigen, dass die Entsendung von Mitarbeitern einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern einiges abverlangt und deshalb niemals auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Dabei ist es für Personalverantwortliche entscheidend, jedes einzelne Entsendungsland hinsichtlich seiner Gesetze zu kennen, insbesondere strafrechtlicher Natur, und auch Kenntnis über kulturelle Fallstricke einzuholen. Hinzu kommen präventive Compliance-Maßnahmen. Um Mitarbeiter besser auf den Einsatz vorzubereiten, sollte das Unternehmen sie für kulturelle Unterschiede sensibilisieren, zum Beispiel mittels Cultural Awareness Trainings.
Bei all diesen Maßnahmen geht es nicht um die Erarbeitung eines Kompendiums, das am Ende niemand mehr liest oder Mitarbeitern gar Angst macht vor dem Auslandseinsatz. Und auch wenn man nicht jedes Risiko vorwegnehmen kann, so helfen volle Transparenz über die zu erwartenden Umstände und Rahmenbedingungen sowie klare Prozesse, Regeln und Verantwortlichkeiten für den Notfall. Auch Mitarbeiter können sich dann deutlich sicherer fühlen.
Die Autoren:
Dr. Stephanie Troßbach ist Rechtsanwältin und Spezialistin für Compliance sowie die strafrechtliche Beratung von Unternehmen bei der Kanzlei FS-PP.
Dr. Axel Boysen ist Managing Partner des Frankfurter Büros der Kanzlei Fragomen und Experte für internationales Arbeitsrecht und Einwanderungsrecht.