„Amerikanische Studenten sind es gewohnt, an die Hand genommen zu werden“
Zahlreiche Auslandsstudenten in Deutschland kommen aus den USA. Wir sprachen mit Rena Walton, Gründerin und Geschäftsführerin des Relocation-Dienstleisters Across the Pond, über die Beweggründe von jungen US-Amerikanern, ihr Studium hierzulande zu absolvieren, über typische Schwierigkeiten mit denen sie konfrontiert werden und über die steigende Attraktivität deutscher Unis bei Amerikanern nach der US-Wahl.
BDAE: Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich Deutschland zu einem immer attraktiveren Heimatland für viele amerikanische Staatsbürger entwickelt. Im Rahmen Ihrer Relocation Services beraten und unterstützen Sie diese Menschen bei ihrem Weg von den USA nach Deutschland. Können Sie einen positiven Trend bei den Einwanderungszahlen erkennen?
Walton: In der Tat, in diesem Jahr war ein deutlicher Anstieg an Anfragen bei uns erkennbar, sowohl im studentischen als auch im Expat-Bereich. Es sind Menschen mit den unterschiedlichsten privaten und beruflichen Hintergründen, die sich für einen begrenzten oder aber auch langfristigen Aufenthalt in Deutschland interessieren. Viele von ihnen hatten durch das US-Militär bereits einen Teil ihrer Kindheit mit ihren Eltern in Deutschland verbracht, und da scheint es oftmals attraktiv, dies im Erwachsenen-Alter wieder aufzugreifen. Die vielseitige, innovative und moderne Lebensart lockt Auswanderer aus aller Herren Länder nach Deutschland. Sie erhoffen sich nicht nur im beruflichen Umfeld neue Herausforderungen und womöglich einmalige Karrierechancen, sondern erleben in der Regel auch eine Bereicherung ihres privaten, ganz persönlichen Lebens. Gerade junge Leute, die sich noch im Bereich der Hochschulausbildung befinden, entdecken mit Vorliebe neue Kulturen und Mentalitäten.
BDAE: Worin liegt Ihrer Erfahrung nach der besondere Reiz, als Amerikaner ein Studium in Deutschland aufzunehmen?
Walton: Das ist eine vielschichtige Thematik. Zunächst einmal liegt der finanzielle Vorteil für die Amerikaner auf der Hand: Die Semesterbeiträge machen insbesondere auch durch den Wegfall der Studiengebühren an den staatlichen Universitäten nur ein Bruchteil von dem aus, was die jungen Leute für einen ähnlichen Abschluss an einer amerikanischen Hochschule bereit halten müssten. Hier sparen die Studierenden oftmals mehrere Zehntausend Euro pro Jahr, verglichen mit den „tuition fees“ in den USA. Nichtsdestotrotz bieten die deutschen Universitäten sehr gute akademische Abschlüsse mit weltweit hohem Ansehen. Aber auch der kulturelle Austausch, den das Auslandsstudium mit sich bringt, zieht die Amerikaner nach Europa. Man muss auch bedenken, dass fließende Deutschkenntnisse immer einen Pluspunkt im Lebenslauf der Berufstätigen darstellen. Vor allem Arbeitnehmer von international agierenden Unternehmen können so beispielsweise ihre Chancen auf eine höhere Vergütung verbessern. Aber es dominiert auch häufig einfach der Gedanke, seinen persönlichen Horizont zu erweitern, ein neues Land kennenzulernen, andere Lebenssitten. Und natürlich spielen nicht selten auch politische Einstellungen und Hintergründe eine Rolle bei der Wahl des Heimatlandes.
BDAE: Gibt es dafür Indizien – vor allem vor dem Hintergrund, dass die USA mit Donald Trump einen neuen Präsidenten haben?
Walton: Durchaus. Im letzten November, also kurz nach der US-Wahl, haben wir beispielsweise deutlich mehr Anfragen von amerikanischen Studenten erhalten als in den vorherigen Monaten. Die Nachfrage bestand dabei sowohl in Möglichkeiten für Gastsemester als auch der Absolvierung des kompletten Studiums in Deutschland. Ein Grund hierfür könnte besonders die ablehnende Haltung junger Menschen gegenüber dem Wahlsieger Donald Trump sein. Wir müssen abwarten, ob dies lediglich ein Interesse als Reaktion nach der Wahl ist oder aber ein langfristiger Trend wird.
BDAE: Gibt es nach Ihrer Erfahrung Regionen in Deutschland, die besonders attraktiv für amerikanische Studenten erscheinen?
Walton: Ja, man kann hier in der Tat einige Trends erkennen. Im vergangenen Jahr war Berlin, dicht gefolgt von München, besonders beliebt bei unseren studentischen Kunden.
BDAE: Wenn nun ein amerikanischer Student nach Deutschland umzieht, worin besteht Ihrer Meinung nach bezogen auf den Umzugsprozess die größte Hürde?
Walton: Abgesehen von möglichen Sprachbarrieren, die sich natürlich in den vielen Facetten des Alltags bemerkbar machen können, sehen viele amerikanische Einwanderer die Anmietung einer geeigneten Wohnung als Herausforderung. Als Neulinge in Deutschland wissen sie oft nicht, an wen sie sich in dieser Hinsicht wenden können, beispielsweise welche Webseiten für die Recherche empfehlenswert sind oder ganz allgemein wie eine Wohnungsanmietung in Deutschland überhaupt gehandhabt wird. Hier entstehen dann schnell Fragen bezüglich der Kalt- und Warmmiete, der Übernahme von Möbelstücken und – natürlich nicht zu vergessen – des Mietvertrages und anderer Formalitäten.
BDAE: Warum bereitet ausgerechnet das Thema Wohnungssuche solche Schwierigkeiten?
Walton: Amerikanische Hochschulen zeichnen sich in der Regel durch reichhaltige Unterbringungsmöglichkeiten für Studenten direkt auf dem Universitätsgelände aus. Der überwiegende Anteil der jungen Leute wohnt daher auf dem Campus, in vielen Einrichtungen ist das sogar in den ersten Semestern verpflichtend. Nur ein kleiner Teil der Studierenden lebt außerhalb der Ausbildungsstätte, so dass die Suche eines Appartements auf dem freien Wohnungsmarkt eher die Ausnahme ist. Möglicherweise spielt das bei der Wohnungssuche in Deutschland eine Rolle.
BDAE: Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den amerikanischen Studierenden im Hinblick auf das „typisch deutsche Studentenleben“?
Walton: Das ist sicherlich ein spannendes Thema! Der einhellige Tenor ist, dass die Studenten in Deutschland viele Freiräume vorfinden. Dem liegt zunächst ein juristisches Faktum zu Grunde: Volljährigkeit beginnt in Deutschland mit 18, in den USA jedoch erst mit 21 Jahren. Zum anderen spielt die bereits erwähnte Campus-Kultur eine Rolle, die in Deutschland weniger ausgeprägt ist und somit die individuelle Lebens- und Wohnsituation oftmals im Vordergrund steht.
BDAE: Bekommen amerikanische Studenten im Zuge ihrer Auswanderung Unterstützung von deutschen Universitäten?
Walton: Jede deutsche Universität betreibt in der Regel ein Internationales Büro, welches Studierende aus anderen Ländern während ihres Studiums in Deutschland bei diversen Angelegenheiten unterstützt. Verglichen mit einem Internationalen Büro an einer US-amerikanischen Universität fällt das Spektrum der Serviceleistungen der deutschen Ansprechpartner jedoch schmaler aus. Amerikanische Studenten sind es daher gewohnt, bei vielen Prozessen aktiv an die Hand genommen zu werden. Hierzu zählen beispielsweise die Beantragung einer Krankenversicherung, die individuelle Auswahl von Studienkursen oder die Appartementsuche. Internationale Studenten in den USA werden zusätzlich bei diversen Terminen, zum Beispiel der Eröffnung eines US-Bankkontos oder dem ersten Einkaufen im Supermarkt, begleitet. An den deutschen Universitäten sind die amerikanischen Studenten eher auf sich selbst gestellt, da das Internationale Büro zwar beratend tätig ist, jedoch die Gäste nicht derart an die Hand nimmt. Ein höheres Maß an Eigenständigkeit, beispielsweise im Hinblick auf die Registrierung bei der Krankenkasse, wird vorausgesetzt.
BDAE: Verfügt der Großteil der amerikanischen Studenten über fließende Deutschkenntnisse bei der Ankunft in Deutschland?
Walton: Nein, viele amerikanische Studenten haben in der High School in der Regel vier Jahre Deutschunterricht erhalten im Rahmen des wöchentlichen Schulprogramms. Das ist aber oftmals nicht ausreichend, um an einer deutschen Universität zugelassen zu werden, da diese Einrichtungen meistens das C1 Sprachniveau voraussetzen und auch vor Studienbeginn entsprechend testen. Wenn die Sprachkenntnisse nicht dem vorausgesetzten Level entsprechen, besuchen amerikanische Studenten gerne einen Deutsch-Intensivkurs mit täglichem, mehrstündigem Unterricht. Diese Angebote ermöglichen auch Sprachanfängern Zugang zum deutschen Hochschulsystem, so dass viele US-High School- und Bachelor-Absolventen den Umzug über den großen Teich in Angriff nehmen, ohne jegliche Deutschkenntnisse vorweisen zu können. In diesem Fall muss in der Regel ein sechs- bis neunmonatiger Zeitraum zur Erlernung der Sprache durch einen Intensivkurs eingeplant werden.
BDAE: Gibt es Studien zu Abbruchquoten dieser amerikanischen Studenten?
Walton: Meinem Kenntnisstand nach gibt es keine aktuellen Untersuchungen zu den Abbruchquoten amerikanischer Studenten in Deutschland. Mein Team und ich bleiben immer gerne in Kontakt mit unseren Kunden und erhalten oftmals auch Updates von den Studenten. Unserer Erfahrung nach kommt es nur in wenigen Fällen vor, dass ein amerikanischer Student das Studienprogramm abbricht und zurück in die USA zieht. Die Gründe hierfür sind meist sehr verschieden. Die Schwierigkeit die Sprache zu erlernen scheint dabei aber keine bedeutende Rolle zu spielen.
BDAE: Können Sie Faktoren nennen, die oftmals zum Abbruch des Aufenthaltes in Deutschland führen?
Walton: Häufig kann ein dominierender Grund für den Abbruch des Aufenthaltes ein falsch angesetztes Budget sein. Bei dieser Thematik denken viele internationale Studenten, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, und zwar jeden Monat. Dabei unterschätzen sie jedoch nicht selten die laufenden Kosten für Lebensmittel oder Freizeitaktivitäten wie das Ausgehen mit neuen Freunden, aber auch Reisen, da meistens großes Interesse besteht, Deutschland und Europa zu erkunden. Zwar werden Studenten oft auch von den Eltern oder der Verwandtschaft finanziell unterstützt, aber eine falsche Budgetplanung kann einen schwerwiegenden Fehler darstellen. Viele amerikanische Studierende, besonders im Master, leben vom dem selbst erarbeiteten und angesparten Geld hier in Deutschland. Auch hier können sich falsche Vorstellungen bezüglich der monatlichen Ausgaben gravierend auswirken.
Über Across the Pond
Als Dienstleister im Bereich Relocation Services bietet das Unternehmen Unterstützung rund um die Auswanderung von Expats in die Zielländer USA und Deutschland. Durch Planung, Koordination und Beratung organisiert Across the Pond die mit der Aus- bzw. Einwanderung verbundenen Prozesse und begleitet den Kunden bei Bedarf direkt vor Ort.