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Interview

„Hier sind einfach alle nett.“

Julia Starkey; Pura Ulun Danu Beratan Bedugul Tempel, Indonesien © Julia Starkey, Sergii Figurnyi - AdobeStock

Julia Starkey lebt seit vielen Jahren mit ihrer Tochter auf Bali und kann sich aktuell nicht vorstellen, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Warum das Leben auf der indonesischen Insel so schön ist, wie sich der Alltag dort gestaltet und was sie am balinesischen Lifestyle schätzt, erzählt sie in diesem Interview.

Seit wann lebst du auf Bali und was hat dich dorthin gezogen?

Julia: Wir leben hier bereits seit 2017. Allerdings waren meine Tochter und ich zwischenzeitlich eine Zeitlang in Italien, das war kurz vor dem Ausbruch der Coronapandemie. Wegen der Pandemie konnten wir dann bis Ende 2020 nicht aus Europa ausreisen, also blieben wir dort.

Es war tatsächlich gar nicht geplant, nach Bali auszuwandern. Ursprünglich wollte ich mit dem Vater meiner Tochter nach Indien auswandern, da er dort ein Projekt auf die Beine stellen wollte. Als sich sein Vorhaben zerschlug und er in die USA zurückkehrte, blieb ich mit meiner Tochter bei einer Freundin auf Bali. Ich kann mich noch genau an einen Schlüsselmoment erinnern: Nach der Ankunft nahm ich ein Taxi und in dem Moment, als ich den Fuß aus dem Fahrzeug setzte, merkte ich sofort: „Wow, hier will ich bleiben!“.

Ein älteres Ehepaar hat meine Tochter Amelie und mich sehr herzlich in ihrem Resort aufgenommen, und ich fühlte mich sofort zu Hause. Für Amelie waren sie wie Großeltern: Opa Heinz und Ayu. Nach anfänglich geplanten zwei Monaten bei ihnen haben wir um weitere zwei Monate verlängert. Als ich mich von meinem Partner trennte, beschloss ich, mit Amelie auf Bali zu bleiben.

War denn Auswandern jemals ein Thema für dich gewesen?

Julia: Schon vor der Schwangerschaft hatte ich den Wunsch auszuwandern. 2012 war ich erstmals für eine Auszeit im Ausland und damals stellte ich bereits fest, dass ich nicht mehr nur fürs Wochenende und den Urlaub leben wollte. Ich wusste nur nicht, wie ich das Reisen finanzieren sollte. Dann habe ich ein Jahr lang für zwei Unternehmen gearbeitet, beim Personaldienstleister und im Callcenter eines Reiseunternehmens, wo ich Mietwagen vermittelt habe. Mein Ziel war es Geld zu sparen, Tauchlehrerin und Yogalehrerin zu werden und die Welt zu bereisen. Während meiner Auszeit gab es einen bestimmten Moment: Ich war auf Sumatra in einem kleinen Bungalow, der nicht mehr war als ein Holzverschlag. Aber ich war so glücklich. Ich merkte, ich brauche gar nicht viel und ich wollte nicht mehr acht bis zehn Stunden am Tag arbeiten, Meetings besuchen und Zahlen präsentieren. Wofür das alles? Für ein Auto, für ein Eigenheim? Um Besitztümer anzuhäufen? Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Das war für mich eine lebensverändernde Erkenntnis.

„Ich wollte nicht mehr acht bis zehn Stunden am Tag arbeiten.“

Könnte dieses einfache Leben theoretisch nicht auch in Deutschland so funktionieren?

Julia: Nein, das glaube ich nicht, denn man kann beispielsweise in Deutschland nirgendwo leben, wo es keinen Wasser-, Strom- und Kanalanschluss gibt. Generell denke ich, dass ein Neuanfang in einem anderen Umfeld helfen kann, sich zu besinnen und neu zu orientieren. Am Anfang kennt einen im neuen Land auch niemand, man ist noch nicht so beeinflussbar und hört eher auf seine Bedürfnisse, aber auch im Ausland kann es sich dann schon hochschaukeln. Auch hier auf Bali spielt der Status eine Rolle, abhängig vom Umfeld. Das ist wahrscheinlich ein Grund, warum wir in den letzten Jahren auch in immer größere und teurere Unterkünfte gezogen sind.

INTERVIEW Julia Starkey und TochterDie Autorin mit ihrer Tochter. Die Beiden haben auf Bali eine neue Heimat gefunden. © Julia Starkey

Nach meiner Rückkehr nach Bali habe ich zunächst ein kleines Häuschen in Ubud gemietet und mich als Texterin selbstständig gemacht. Ich habe ein Netzwerk aufgebaut und viele alleinerziehende Mütter kennengelernt. Wir unterstützen und gegenseitig so gut es geht. Wir haben bis vor kurzem in Ubud gelebt, wo ich auch einige wenige einheimische Freunde habe. Seit Ende Februar leben wir am Meer. Hier bauen wir uns gerade ein neues Netzwerk auf.

„Asiatische Gesellschaften priorisieren die Familie höher als westliche.“

Wie gestaltet sich der Alltag von dir und deiner Tochter? Welche besonderen Herausforderungen gibt es?

Julia: Eine Schwierigkeit ist sicherlich, dass es nicht einfach ist, enge Freundschaften zwischen Ausländern und Einheimischen zu knüpfen, da die Familie für die Balinesen oberste Priorität hat. Ich habe den Eindruck, dass nicht-westliche beziehungsweise asiatische Gesellschaften die Familie höher priorisieren. In westlichen Industriegesellschaften machen es Karriere und Arbeitsbedingungen schwer, die Familie ähnlich stark im Fokus zu haben. Auf Bali ist es so, dass die Familie Unabhängigkeit schafft und einen starken Zusammenhalt bietet. Im Westen ist alles stark auf Individualismus ausgerichtet. Hier erlebe ich, dass auch ältere Menschen im familiären Verbund immer eine Aufgabe haben, was sie gesund und fit hält.

Amelies und mein Alltag gestaltet sich so, dass Amelie zur Schule geht und ich in meinem selbstständigen Business arbeite, den Haushalt erledige und nach der Schule mit Amelie an den Strand gehe oder Freunde treffe. Wir lassen uns auch gerne treiben und haben nicht immer einen festen Plan. Es gibt hier auf Bali aber durchaus viele Aktivitäten, die wir gemeinsam machen können, zum Beispiel töpfert Amelie gerne.

Eine weitere Herausforderung ist der ständige Wechsel von Bezugspersonen und Familien. Viele Zugewanderte oder Reisende verlassen Bali irgendwann wieder, was besonders für die Kinder eine Bindungsherausforderung darstellt, da sie Freundschaften schließen und dann wieder Abschied nehmen müssen.

INTERVIEW Amelie am Strand von BaliAmelie am Strand von Bali © Julia Starkey

Es gibt unzählige unterschiedliche Schulen auf Bali, deshalb sind Schulwechsel sehr häufig. Das ist ein Nachteil für langfristige und engere Freundschaften. Der kulturelle Mix kann ebenfalls herausfordernd sein. Manchmal passieren Fehler, die man gar nicht antizipieren kann und die den interkulturellen Unterschieden geschuldet sind. Beispielsweise habe ich gegenüber einer amerikanischen Freundin mal eine Äußerung getätigt, die sie als Beleidigung aufgefasst hat. Russische Mütter und Kinder wiederum sind sehr direkt und dominant, damit kommt nicht jeder klar, aber es macht das Leben auch spannend und interessant. 

Es ist toll, sich mit Frauen aus verschiedenen Kulturen zu auszutauschen. Ich finde es faszinierend, wie wir alle dann doch sehr ähnliche Themen und Herausforderungen haben, wie beispielsweise bei der Kindererziehung – das ist überall auf der Welt gleich. Die Grundbedürfnisse sind überall dieselben.

Was schätzt du an dem Bali-Lifestyle besonders?

Julia: Die Menschen hier sind so herzlich und sanft. Es gibt keinen Streit oder Beleidigungen, alles ist sehr friedlich und respektvoll. Als alleinerziehende Mutter habe ich mich noch nie bedroht gefühlt, ich fühle mich hier immer sicher. Der Hinduismus macht es einfacher für alleinstehende Frauen im Vergleich zu einer islamisch geprägten Welt. Auf Bali habe ich gelernt, dass es immer eine Lösung für alles gibt – und sei es einfach nur, dass man jemanden dafür bezahlt, ein Problem zu beheben.

Generell machen sich die Menschen hier nicht so viel Stress. Selbst der scheinbar chaotische Straßenverkehr regelt sich, denn jeder achtet auf jeden. Das oberste Gebot ist Rücksichtnahme. An Verkehrsregeln hält sich niemand, dafür achtet man auf die Körpersprache und den Blick der anderen Verkehrsteilnehmer. Man fließt gemeinsam und achtet aufeinander.

„Die Menschen auf Bali sind so herzlich und sanft.“

Es gibt hier beispielsweise auch kaum kommunale Straßenbeleuchtung, aber jeder macht sein Hauslicht an und die Bewohner leisten somit ihren Beitrag, damit alle Licht haben. Man denkt für die Gemeinschaft mit.

Zudem sind Kinder hier sehr willkommen und werden gemocht. Das ist hilfreich für mich als Mutter, da ich dadurch weniger gestresst bin und mich sicher fühle, dass mir geholfen wird. In Deutschland muss man sich in der Öffentlichkeit so oft für seine Kinder entschuldigen und viel vorausplanen, wann man wo hingeht und ob Kinder möglicherweise als Störfaktor betrachtet werden. Das gibt es auf Bali nicht. Man kann seine Kinder überall mitbringen und es passt immer jemand auf die Kleinen auf. Zudem ist hier die Schule recht lang und anders strukturiert – nicht wie in Bayern, wo mittags Schluss ist und die Kinder dann Hausaufgaben machen müssen. An den Schulen hier dürfen die Kinder auch viel spielen, kreativ sein oder gemeinsam Gartenarbeit machen. In unserer Schule können die Kids auch jederzeit das Klassenzimmer verlassen, wenn sie ihre Ruhe oder eine Auszeit brauchen.

Nicht zuletzt ist die Infrastruktur auf Bali vergleichsweise gut und ich liebe die Landschaft und das Wetter. Die Zeit hier wird anders genutzt – sie bietet mehr Lebensqualität.

INTERVIEW Julia mit Amelie und AyuJulia mit Amelie und Ayu © Julia Starkey

Wie würdest du die balinesische Mentalität beschreiben?

Julia: Ich empfinde die Balinesen als sehr demütig. Durch die balinesische Mentalität habe ich Gelassenheit gelernt. Ich bin nicht mehr so perfektionistisch und es stört mich nicht mehr schnell dass etwa der Lichtschalter nicht neben der Tür, sondern am Ende des Raumes ist. Es muss nicht alles perfekt sein und auch nicht alles sofort passieren. Wenn jemand Fehler macht, muss man nicht direkt wütend werden.

„Durch die balinesische Mentalität habe ich Gelassenheit gelernt.“

Was ich von anderen Auswandernden mitgenommen habe: Sie sind immer positiv, ganz anders als in Deutschland. Die Leute unterstützen dich, und keiner fragt, ob man genug Startkapital , die richtige Ausbildung oder die Expertise hat. Wir sind so geprägt, dass wir erst einmal Zweifel und Kritik hören und sähen. Hier wird man eher bestärkt, man bekommt Unterstützung in Form von Kontakten, Ideen und Informationen. Hier hört man nicht „Man kann nicht alles haben!“ oder „Das Leben ist kein Ponyhof!“. Die Auswanderer wissen, dass es jeder selbst in der Hand hat, sein Traumleben zu leben. Die Deutschen empfinde ich als sehr fehlerorientiert, und Versagen wird häufig als ganz schlimm empfunden. Das kenne ich auch von mir selbst. Aber ich arbeite an meiner Einstellung und Prägung. In dem Umfeld auf Bali habe ich in vielen Bereichen einen anderen Blickwinkel entwickelt.

Die Deutschen werden hier als sehr positiv gesehen – wie meiner Erfahrung nach eigentlich überall auf der Welt. Balinesen beschreiben uns als respektvoll und im Vergleich zu anderen Kulturen eher zurückhaltend. Balinesen mögen keine lauten , aggressiven und unhöflichen Menschen. Die Deutschen fallen deshalb in der Regel positiv auf. 

Was müsste sich in Deutschland aus deiner Sicht ändern, dass du dir eine Rückkehr vorstellen kannst?

Julia: Wenn alles so läuft, wie ich es mir wünsche, werden wir voraussichtlich nicht nach Deutschland zurückkehren. Allerdings bin ich Einzelkind und ich möchte nicht meine Eltern hängen lassen, wenn sie zum Beispiel pflegebedürftig werden. Wenn meine Tochter und ich in Deutschland sind, haben wir immer eine tolle Zeit, aber ich weiß auch, dass dies eben nur temporär so ist. Es ist vergleichbar mit einem Urlaub.

INTERVIEW Eisessen nach der ShculeEisessen nach der Schule © Julia Starkey

Um ernsthaft nach Deutschland zurückzugehen, müsste zum Beispiel die Abgabenlast sinken. Es bleibt zu wenig übrig von Verdienst und Umsatz. Und aus meiner Sicht mischt sich der Staat in viel zu viele Dinge des Lebens ein. Für alles gibt es so wahnsinnig viele Vorschriften, und es werden einem viele Steine in den Weg gelegt. Das fängt bei detailliertesten Bauvorschriften an und geht bis hin zur Schulpflicht.

„Um ernsthaft nach Deutschland zurückzugehen, müsste zum Beispiel die Abgabenlast sinken.“

Hier auf Bali kann ich im Prinzip machen, was ich möchte, so lange ich niemanden verletze oder die Freiheiten anderer einschränke. Manchmal frage ich mich, ob wir noch woanders hin könnten, aber ich fühle mich hier zu Hause. In Deutschland hieß es immer, ich sei zu nett. Hier nicht, hier sind einfach alle nett. Was ich mir auch immer wieder vergegenwärtigen muss: Für meine Tochter ist Bali ihr zu Hause. Sie ist hier, seitdem sie 1,5 Jahre alt ist. Neulich sagte sie mir, sie würde so gerne Balinesisch lernen. Das erscheint mir nur folgerichtig, dass sie in ihrer Heimat den regionalen Dialekt beherrschen möchte.

Warum hast du dich damals für den BDAE als Anbieter einer internationalen Krankenversicherung entschieden?

Julia: Ich habe mich damals für den BDAE entschieden, nachdem ich einen Anbieter-Vergleich bei Christina Holthuis von grenzenlose Freiheit gelesen hatte. Der BDAE bietet ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und auch für Kinder eine gute Behandlung. Ich habe die Entscheidung nicht bereut. Im vergangenen Jahr hatte ich eine Operation und habe alles erstattet bekommen, was mich positiv überrascht hat, ebenso wie die Freundlichkeit aller Beteiligten. Ich wurde in die gesamte Konversation eingebunden – was ich nicht gedacht hätte – und war schwer begeistert.   

Das Gesundheitssystem auf Bali

Julia hat einen Gastbeitrag über die Gesundheitsversorgung auf Bali verfasst. Auf der indonesischen Insel gibt es eine breit gefächerte Infrastruktur aus Ärzten und Krankenhäusern. Darunter befinden sich Arztpraxen, öffentliche und private Krankenhäuser. Die Qualität der Krankenversorgung variiert stark. Deshalb ist es für Urlauberinnen und Urlauber wichtig, im Notfall die richtige Wahl zu treffen.

Über Julia Starkey

Julia Starkey ist Diplom-Betriebswirtin (FH) und Reiseverkehrskauffrau (IHK), seit vielen Jahren digitale Nomadin und arbeitet nun unter anderem als freie und unabhängige Texterin. Als solche verfasst sie insbesondere SEO-optimierte Inhalte für Familien-Webseiten. Aktuell lebt sie mit ihrer Tochter auf Bali. Ihre persönlichen Erfahrungen teilt sie auf Instagram.

julia-starkey.de

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Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe April 2024 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.