Wenn Reisende ihr Gepäck nicht rechtzeitig vor Antritt einer Flugreise aufgeben können, stellt dies keinen Reisemangel dar, der zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt. Das Amtsgericht München hat eine Klage gegen einen Reiseveranstalter auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.998 Euro abgewiesen (Aktenzeichen 158 C 4570/20).
Im zugrundeliegenden Fall hatten die Klägerin und ihr Ehemann eine Pauschalreise nach Kuba gebucht, die auch ein Rail&Fly-Ticket für die Anreise zum Flughafen beinhaltete. Am Tag des Hinflugs kamen die Reisenden wegen einer Zugverspätung erst gegen 11 Uhr am Flughafen an. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Boarding für den Flug nach Kuba bereits begonnen und es war nicht mehr möglich, das Gepäck aufzugeben. Die Fluggesellschaft bot an, den Flug ohne Aufgabe des Gepäcks anzutreten, was die Klägerin und ihr Ehemann jedoch ablehnten.
Die Klägerin argumentierte vor Gericht, dass die bereits begonnene Boarding-Zeit kein Grund sei, den Flug mit aufgegebenem Gepäck zu verweigern. Nach Ansicht des Gerichts war die Nichtbeförderung jedoch das Ergebnis einer Verletzung der Mitwirkungspflichten der Reisenden.
Zu wenig Zeitpuffer eingeplant
Die Fluggesellschaft hatte empfohlen, die Anreise so zu planen, dass man zwei Stunden vor Abflug am Check-in eintrifft, und zusätzlich einen Zeitpuffer von 45 Minuten pro 100 Kilometer Anreise einzuplanen. Die Klägerin hatte sich nicht an diese Empfehlungen gehalten, und die von ihr gewählte Zugverbindung sah eine planmäßige Ankunft am Flughafen weniger als zwei Stunden vor Abflug vor.
Das Gericht entschied, dass die Klägerin den Vertrag nicht wirksam gekündigt hatte, da kein erheblicher Reisemangel vorlag: „Der Nichtantritt der Weiterbeförderung per Flugzeug durch die Klägerin trotz entsprechenden Angebotes der Beklagten beziehungsweise ihres Beförderungsunternehmens stellt eine konkludente Kündigung des Reisevertrages dar. Die Kündigung war nicht wirksam, § 651l Absatz 1 Satz 1 BGB, da kein (erheblicher) Reisemangel vorlag. (…)“
Zeitverschiebungen an großen Flughäfen sind akzeptabel und vorhersehbar
Das Gericht betonte, dass Reisende gewisse Mitwirkungspflichten hätten. Dazu gehöre auch das rechtzeitige Erscheinen am Flughafen. Der Hinweis der Fluggesellschaft auf der Bordkarte über die Gepäckaufgabe konnte nach Ansicht des Gerichts das Vertrauen der Klägerin nicht dahingehend ändern, dass sie bis zur letzten Minute die Möglichkeit habe, ihr Gepäck aufzugeben.
Die Klägerin habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass sie tatsächlich bis buchstäblich zur letzten Minute die Möglichkeit habe, ihr Gepäck aufzugeben. Darauf deute bereits der Wortlaut des Hinweises „nicht später als“ (statt: „bis“) hin. Auch mit geringfügigen Verschiebungen der Abflug- und Boardingzeiten nach vorne und hinten sei aufgrund der Abläufe auf einem Großflughafen wie München mit eng getakteten Zeitkorridoren und einer Vielzahl von Abflügen und Ankünften regelmäßig zu rechnen.
Das Urteil des Amtsgerichts München ist bereits rechtskräftig.