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Rechtliches
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Geplante Reform der Entsenderichtlinie bleibt Sache der EU

Die im März 2016 von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Reform der Entsenderichtlinie verstößt aus Sicht der EU nicht gegen das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Dies hat die Kommission kürzlich in einer offiziellen Stellungnahme mitgeteilt.

Die Überarbeitung der 20 Jahre alten Entsenderichtlinie für Arbeitnehmer in der EU geht auf eine klare Zusage der Kommission zurück, die auf einen vertieften und faireren Binnenmarkt abstellt. Die Überarbeitung sieht Änderungen in drei Hauptbereichen vor:

• Entlohnung entsandter Arbeitnehmer,
• Vorschriften für Leiharbeitnehmer,
• langfristige Entsendung.

Der Vorschlag sieht vor, dass entsandte Arbeitnehmer in der Regel in den Genuss der gleichen Vorschriften über Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen kommen wie lokale Arbeitnehmer. So sollen unter anderem die allgemein verbindlichen Tarifverträge auch für entsandte Arbeitnehmer aller Wirtschaftszweige gelten. Derzeit gilt dies nur für das Baugewerbe, und die Mitgliedstaaten können selbst entscheiden, ob sie allgemein verbindliche Tarifverträge auf entsandte Arbeitnehmer in anderen Sektoren anwenden wollen.

In einigen Mitgliedstaaten sind allgemein verbindliche Tarifverträge bereits in sämtlichen Sektoren verbindlich für entsandte Arbeitnehmer. Für diese Länder bringt die neue Vorschrift keine Änderungen mit sich. Andere Mitgliedstaaten, wie Deutschland beispielsweise, haben in ihren Rechtsvorschriften nur für ausgewählte Sektoren Gebrauch von dieser Option gemacht.

Gleiche Vergütung für lokale und entsandte Arbeitnehmer

Die wichtigste Änderung betrifft die Lohnsätze, auf die ein entsandter Arbeitnehmer Anspruch hat. Die derzeitige Richtlinie schreibt lediglich vor, dass für entsandte Arbeitnehmer die Mindestlohnsätze gelten. Der neue Vorschlag sieht vor, dass die gleichen Vergütungsvorschriften wie im Aufnahmemitgliedstaat gelten, so wie sie in Rechtsvorschriften oder allgemein verbindlichen Tarifverträgen festgelegt sind. Für entsandte und lokale Arbeitnehmer werden demnach die gleichen Vergütungsvorschriften gelten.

Zuwendungen als Gehaltsbestandteile transparent machen

Häufig umfasst die Vergütung nicht nur die Mindestlohnsätze, sondern auch andere Bestandteile wie Prämien oder Zulagen, beispielsweise Weihnachtsgeld, Erhöhungen des Arbeitsentgelts aufgrund des Dienstalters aber auch Schlechtwettergeld oder Zulagen für besondere Arbeiten. Die Mitgliedstaaten müssen auf transparente Weise die verschiedenen Bestandteile angeben, aus denen sich die Vergütung in ihrem Hoheitsgebiet zusammensetzt. Diese Bestandteile müssen nun – sofern sie in Rechtsvorschriften oder in allgemein verbindlichen Tarifverträgen festgelegt sind – bei der Entlohnung entsandter Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Der Vorschlag stellt sicher, dass entsandte Arbeitnehmer entgeltrechtlich genauso behandelt werden wie lokale Arbeitnehmer.

Einige nationalen Parlamente äußerten starke Bedenken, dass eine solche Gesetzesänderung eine Angelegenheit des EU-Parlaments sei. Ihrer Ansicht nach könnte dies nur auf nationaler Ebene, also durch die Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten entschieden werden.

Entsenderichtlinie bleibt Unionssache

Die Kommission entgegnete nun, dass es angebracht ist, die Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern auf EU-Ebene festzulegen – genauso wie dies seit 1996 der Fall gewesen ist. Mit dem Vorschlag soll sichergestellt werden, dass für am gleichen Ort tätige Arbeitnehmer die gleichen Bestimmungen gelten, unabhängig davon, ob es sich um lokale oder entsandte Arbeitnehmer handelt.

Die Verpflichtung aller Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften in allen Wirtschaftsbranchen anzuwenden, könne nicht auf nationaler Ebene festgelegt werden; dies muss auf Unionsebene erfolgen. Der Vorschlag berücksichtigt zudem uneingeschränkt und ausdrücklich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bei der Lohnfestsetzung im Einklang mit nationalen Gepflogenheiten.

Hintergrund:

Die Entsendung von Arbeitnehmern erfolgt im Rahmen der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung innerhalb des Binnenmarktes. Ein entsandter Arbeitnehmer ist in einem EU-Mitgliedstaat beschäftigt, wird jedoch von seinem Arbeitgeber vorübergehend zur Erbringung seiner Arbeitsleistung in einen anderen Mitgliedstaat geschickt.

Zwischen 2010 und 2014 ist die Anzahl der Entsendungen um fast 45 Prozent gestiegen. Im Jahr 2014 wurden etwa 1,9 Millionen europäische Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten entsandt.

Die Entsendung von Arbeitnehmern ist besonders häufig im Baugewerbe, im verarbeitenden Gewerbe und in Dienstleistungssektoren, wie etwa in den Bereichen persönliche Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit und Soziales) und Unternehmensdienstleistungen (administrative, freiberufliche und Finanzdienstleistungen).

Die Überarbeitung der Entsenderichtlinie von 1996 ergänzt die Richtlinie zur Durchsetzung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern aus dem Jahr 2014, die bis Juni 2016 in nationales Recht umgesetzt werden muss (siehe IP-14-542).

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Oktober 2016 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.