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Interview
Bernd Linnhoff am Kamala Strand auf Phuket © Bernd Linnhoff

„Ich wollte ein Nomade mit festem Wohnsitz sein.“

2007, auf einem Balkon in Bangkok, beschließt Bernd Linnhoff, in Thailand zu leben. Nachdem er viel durch das Land gereist ist, taucht er nun, als Teil der Gesellschaft, tiefgründiger in das Leben ein. Seine Erlebnisse schildert er später in einem privaten Blog, der die Grundlage für sein 2022 erschienenes Buch bildet. Im Interview erzählt er uns, was ihn an Bangkok und an der thailändischen Kultur allgemein fasziniert, wie er sich in die Gesellschaft integriert hat und welche Herausforderungen damit einhergingen.

Sie haben Ihren Beruf als Sportjournalist in Deutschland aufgegeben und sind 2008 nach Thailand ausgewandert. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Schritt zu gehen?

Bernd: Mein Leben in Deutschland war an sich gut. Ich hatte einen Job, den ich leidenschaftlich ausgeübt habe. Reisen stand bei mir immer ganz oben. Und ich reiste viel nach Thailand. Jedes Jahr war es meine Auszeit vom deutschen Alltag, meine Erholung. Land und Leute wurden mir immer vertrauter. Beruflich war meine letzte richtige Aktivität 2005/2006 als Chefredakteur des FIFA-WM-Magazins „Countdown“ und des offiziellen FIFA-Buchs zur WM 2006. Beides unter dem Dach der Medienfabrik Gütersloh, die später in der Bertelsmann-Kommunikationsagentur TERRITORY aufging. 2007/2008 produzierte ich noch einen Newsletter für die deutsche Fußballbranche.

Der Antrieb, in einem fremden Land zu leben, war schon immer da. In Deutschland neigen viele Menschen dazu, andere zu beurteilen oder auch zu verurteilen, die sich dem Mainstream der üblichen Konventionen entziehen. Damit tue ich mich schwer.  „Das kannst du doch nicht machen“ ist einer der Sätze, die mich besonders in der letzten Phase sehr gestört haben. Es gibt nun mal verschiedene Lebensweisen und ich wollte nur mein Leben leben.

Silvester 2007 dann, als ich Freundinnen und Freunde in Bangkok besuchte, um gemeinsam das neue Jahr zu begrüßen, gab es diesen Moment auf dem Balkon des Gastgebers, als ich dachte: Wie wäre es wohl, noch einmal aufzubrechen und hier zu leben? Mehr zu sehen von dem, was mich alles noch interessiert an diesem Land und generell an Südostasien. Und insgeheim war es ja mein Traum: Ich wollte ein Nomade mit festem Wohnsitz sein. Dieser Schlüsselmoment war dann gleichzeitig der Entschluss, Deutschland den Rücken zu kehren und im September 2008 nach Bangkok zu ziehen.

Haben Sie weiterhin berufliche Aktivitäten im Journalismus oder in anderen Bereichen in Thailand verfolgt?

Bernd: Für einen Sportjournalisten gibt es in Thailand wenig Anknüpfungspunkte, die auch die Menschen in Deutschland interessieren. Fußball ist zwar sehr populär hier, aber international eher unbedeutend. Ich habe zunächst überhaupt nicht mehr geschrieben. Erst nach meinem Umzug von Bangkok nach Chiang Mai 2012 begann ich, für Freundinnen und Freunde und Bekannte in einer wöchentlichen Mail über meine Erlebnisse und Reisen in Asien zu schreiben. Da kam dann von einigen Seiten die Anregung, einen Blog daraus zu machen. So entstand also mein Blog www.faszination-fernost.com, der jedoch rein privat und nicht kommerziell ist.

INTERVIEW Mit Elefantenmann Bodo F”rster in seinem Camp nahe Chiang MaiBernd Linnhoff mit Elefantenmann Bodo Förster in seinem Camp nahe Chiang Mai © Bernd Linnhoff

2022 erschien Ihr Buch „Thailand unter der Haut“. Eine Art Hommage an das Land, das Ihre Heimat für mehr als 14 Jahre geworden ist. Wie kam es dazu?

Bernd: Den Gedanken, einmal ein Buch zu schreiben, hatte ich sicher schon öfter gehabt. Denn oft schrieb ich als Ko-Autor für andere, musste mich aber an deren Tonalität anpassen und es für die entsprechende Leserschaft und das entsprechende Medium verfassen. In den Jahrzehnten als Sportjournalist hatte ich viel Erfahrung gesammelt. Fußball war meine Welt, von Kind an. Ich habe selbst Fußball gespielt, auch mit einigen zusammen, die später eine große Karriere hingelegt haben. Fußball war sozusagen mein Biotop. Ich war als Reporter für den Sport-Informationsdienst (SID) und die Deutsche Presse-Agentur (dpa) in der ganzen Welt unterwegs, aber über die Branche hinaus nicht bekannt. Meine Texte waren in erster Linie analytisch, in meinem Buch aber geht es nicht nur um Informationen, sondern auch um Emotionen. 

„In den Jahrzehnten als Sportjournalist hatte ich viel Erfahrung gesammelt.“

Der Auslöser kam für mich durch „Born to run“, die Biografie von Bruce Springsteen, die hat in mir was ausgelöst. „Du erreichst die Menschen nur, wenn du preisgibst, was dich im Innersten bewegt“, hieß es da. Mit meinem Blog kam ich irgendwie aus der Deckung, ich öffnete mich mehr. Was für einige meiner Bekannten auffällig anders war, denn so kannten mich nur meine Freundinnen und Freunde, so persönlich. Ich entwickelte mich als Schreiber, da ich viel von guten Autoren und Schriftstellern, wie etwa Raymond Chandler oder Stephen King, lernen konnte. Schreiben ist eben auch Handwerk. 

Die Idee zum Buch ging also aus meinen Blogeinträgen hervor. Und dann war es für mich wie eine Art Meditation. Ich schrieb erstmal das, was mir selber gefallen würde. 

Ein Buch zu schreiben und vor allem dann zu vermarkten, ist sicherlich herausfordernd gewesen?

Bernd: Ja, es gibt einiges zu beachten, zu organisieren und vor allem ruhige Nerven bei allem zu behalten. Schreiben ist das eine, damit hatte ich keine Probleme. Aber die Vermarktung gestaltete sich dann deutlich schwieriger. Der Büchermarkt ist sehr langsam, und die Verlage setzen seit der Explosion der Papier- und Energiepreise vor allem auf bekannte Namen. Also musste ich Self-Publishing betreiben und hatte zum Glück mit meinem Freund, dem Medienmanager Oliver Wurm, einen kompetenten Partner an meiner Seite, der die Produktion meines Buchs finanzierte. Im externen Vertrieb des gedruckten Buchs ergab sich das Problem, dass Amazon in Thailand nicht ausliefert. Natürlich gibt es eine eBook-Version, aber das ist nicht jedermanns Sache. Glücklicherweise fanden wir dann mit dem Magazin „Der Farang“ einen Vertriebspartner für die Expats in Thailand. 

Das Buch ist seit November 2022 auf dem Markt und kommt in Deutschland bisher sehr gut an. Die Reaktionen der Leserinnen und Leser sind durchweg begeistert, das hat mich sehr gefreut. Dazu kamen positive Besprechungen im Stern, im Playboy und in der Süddeutschen Zeitung. Bei den Expats in Thailand hielt sich das Interesse in Grenzen. Sie vermuten vielleicht, dass sie im Buch nichts Neues lesen. Von daher ist die Herausforderung weiterhin, dass Buch bekannter zu machen. Und ich freue mich, wenn meine Leserschaft sich vergrößert und sich daraus vielleicht auch neue Kontakte knüpfen lassen oder ich mich austauschen kann über Erlebnisse, die andere gemacht haben. Denn darum geht es in dem Buch ja letztlich, es sind meine Erlebnisse, Eindrücke, Empfindungen, die ich in den 31 Kapiteln teile.

Welche Aspekte von Bangkok haben Sie als „elektrisierend“ empfunden, während Sie dort vier Jahre lang lebten?

Bernd: Was Bangkok für mich bedeutet, ist schwer in Worte zu fassen. Alles war und ist elektrisierend: die Menschen und das Leben in der Stadt. Ich kannte Bangkok ein wenig durch vorherige Besuche und mir gefiel die Stadt, unabhängig von den Sehenswürdigkeiten. Ich hatte das Gefühl, bei mir selbst angekommen zu sein. Ich habe mich immer sicher gefühlt, wenngleich das Leben in Thailand neben der Freundlichkeit und Wärme der Menschen auch Gewalt kennt. Aber die spielt sich meist unter den Thais ab. Als Gast aus dem Westen muss man die Spielregeln kennen und leben. So haben Thais beispielsweise für jede Emotion ein eigenes Lächeln und etwas in ihrer Lebensart, das über das rein Geschäftliche hinausgeht, eine Naivität, die jedoch nicht wirklich eine ist. Thais leben den Augenblick, das finde ich faszinierend, das entspricht dem Buddhismus, der nationalen Religion.

„Als Gast aus dem Westen muss man die Spielregeln kennen und leben.“

2012 zogen Sie dann, nach vier Jahren in Bangkok, nach Chiang Mai. War die Großstadt dann doch zu groß?

Bernd: Eigentlich war mein Plan ein ganz anderer. Aber Bangkok wurde mir zu anstrengend, bezogen auf politische Unruhen, Verkehr und Lärm. 2010 kam es zu Protesten gegen die thailändische Regierung, in dessen Folge der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, da die Straßenkämpfe eskalierten und letztlich durch die Armee gewaltsam beendet wurden. Solchen Ereignissen kann man sich nicht entziehen, wenn man dort lebt. In Chiang Mai war ich ab und an schon mal gewesen und die Stadt gefiel mir. Mit meinem Freund Disco beschloss ich, dass ich mir eine Wohnung dort suchen würde und er seine in Bangkok behalten würde, sodass wir gegenseitig je eine Unterkunft hätten, wenn der eine mal in Bangkok sein wollte oder der andere in Chiang Mai. Nach einem Jahr änderte sich dann aber die berufliche Situation meines Freundes, er musste zurück nach Deutschland. Ich blieb in Chiang Mai und lernte dort dann meine jetzige Frau kennen. Chiang Mai gefällt mir immer noch sehr gut, es hat für mich genau die richtige Dimension.

INTERVIEW Angkor Wat 1Angkor Wat © Bernd Linnhoff

Gibt es Unterschiede zwischen dem Leben in Bangkok und Chiang Mai?

Bernd: Chiang Mai ist der Gegenentwurf zu Bangkok. Nach der Pandemie geht Bangkok mit großen Schritten voran, wieder eines der meistbesuchten Ziele weltweit zu werden. Die Hauptzielgruppe sind immer noch Chinesinnen und Chinesen, aber noch kommen nicht so viele wie vor der Pandemie. Das Leben an sich ist in Bangkok jedoch so wie vor der Pandemie.

Chiang Mai hingegen ist ruhiger und besonders im Zentrum sind auch nach der Pandemie noch viele Läden geschlossen. Die Stadt hat sich noch nicht völlig erholt. Aber Chiang Mai ist eine tolle Stadt zum Leben und hat eine sehenswerte Altstadt. Ich wohne mit meiner Frau in einem Thai Viertel, ganz in der Nähe eines Frischmarkts, was mich sehr an meine Kindheit erinnert.

In Ihrem Buch sprechen Sie von fünf Phasen, die jede/n Expat erwarten. Euphorie, Kulturschock, Verwirrung, Akzeptanz und schließlich Leben. An welchem Punkt sehen Sie sich?

Bernd: Leben. Absolut. Dennoch fühle ich mich weiterhin wie auf Reisen und Veränderung gibt es immer. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch, was manchmal anstrengend ist. Ich lebe in zwei Welten, in Thailand und natürlich dank der Onlinemedien auch in Deutschland. Ich bin Deutscher. So, wie ich gerade lebe, ist es genau das, was ich möchte. Ich kann es nicht genau formulieren, aber für mich fühlt sich das alles richtig an. Und auch wenn die Thais, die ich kenne, sagen, ich sei integriert, so stimmt das nur bedingt. Für mich ist und bleibt es eine Reise, die immer wieder Neues bringt, mich Bestehendes hinterfragen lässt, aber meine Entscheidung, nach Thailand zu gehen, nie infrage gestellt hat. Somit bleibt es ein immerwährender Prozess.

INTERVIEW Lanna Hochzeit 1 Hochzeit in der Tradition des Lanna-Reiches in Nordthailand – pittoresk, aber rechtlich unverbindlich. © Bernd Linnhoff

Als leidenschaftlicher Reisender, welche Faktoren machen Thailand für Sie zu einem idealen Drehkreuz für Südostasien?

Bernd: Bangkok ist deshalb ein gutes Drehkreuz, weil die Entfernungen zu südostasiatischen Zielen kurz sind und auch die Verbindungen sehr gut sind. Somit kommt man schnell an wunderschöne Orte zu bezahlbaren Preisen. Leider hat sich einiges, oft politisch bedingt, in den Nachbarländern verändert.

Welche sind Ihre liebsten Reiseziele in Südostasien, die Sie von Thailand aus besucht haben?

Bernd: Einer meiner Lieblingsorte ist die ehemalige laotische Königsstadt, Luang Prabang. Auch die Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha ist wahrlich ein Weltwunder und würde ich gerne nochmal besuchen. 

INTERVIEW In meiner Zeit als Sportjournalist mit PeleIn seiner Zeit als Sportjournalist mit Pelé © Bernd Linnhoff

Können Sie uns von einer besonders prägenden Erfahrung während Ihrer Zeit in Thailand erzählen?

Bernd: Als eher zurückhaltender Mensch beeindruckt es mich immer wieder, wie die Thais aus dem Nichts eine Party zaubern und genießen können. Ansteckend!

„Ich bin von Grund auf ein sehr genügsamer Mensch und brauche nicht viel zum glücklich sein.“

Welche Herausforderungen haben Sie beim Anpassen an die Kultur und den Lebensstil in Thailand gehabt und wie haben Sie die thailändische Kultur und Traditionen in Ihr eigenes Leben integriert?

Bernd: Ich bin von Grund auf ein sehr genügsamer Mensch und brauche nicht viel zum glücklich sein. Und da ich immer offen für andere Kulturen bin, wusste ich auch, dass ich mich in Thailand auf eine völlig andere Kultur, fernab von der europäischen, eingelassen habe. Klar kommen da immer mal wieder Momente, die für uns „Westlerinnen und Westler“ seltsam sein mögen, aber wenn man sich entscheidet, nach Thailand zu gehen, muss man das alles mit in Kauf nehmen. Da gibt es kein Richtig und Falsch, sondern nur ein Anders. Ich habe natürlich einiges gelernt über die Jahre, was man machen kann und was man lieber bleiben lässt. Ich kann mit den Menschen umgehen und bin offen. Was daran liegen mag, dass ich beruflich wie auch privat bisher in über siebzig Ländern unterwegs war und dadurch auch interkulturell gefordert war. Dennoch kann ich nicht abstreiten, dass die Mentalität der Thais eine andere ist, mit der ich erstmal klarkommen musste. Wenn ich mich beispielsweise über etwas geärgert habe oder mich ungerecht behandelt gefühlt habe, wurde ich auch etwas lauter zu meinem Gegenüber. Das geht für Thais gar nicht und stellt in gewisser Weise einen Gesichtsverlust dar. Kreng jai ist die Notwendigkeit, die Reaktionen des Gegenübers von vornherein einzukalkulieren und Harmonie über Auseinandersetzung zu stellen. Das haben wir im Westen nicht gelernt. Zwei Sachen jedoch waren und sind immer noch ein Problem für mich in Thailand. Zum einen kann ich nicht scharf essen. Das vertrage ich überhaupt nicht. Zum anderen ist der Straßenverkehr eine extreme Herausforderung für mich. Einmal nicht aufgepasst, wird es lebensgefährlich. 

INTERVIEW Reiseblogger im Hotel Reflections in Siem ReapReiseblogger im Hotel Reflections in Siem Reap © Bernd Linnhoff

Da ich mit einer Thailänderin verheiratet bin, bleibt es nicht aus, dass die thailändische Kultur und auch ihre Traditionen ein Bestandteil meines Lebens sind. Gerade in Bezug auf Hochzeitstraditionen und Familienzusammenkünfte gibt es da große Unterschiede. Der Buddhismus hat mich schon immer sehr interessiert und vieles habe ich für mich selber übernommen. Ich gehe sehr gerne in buddhistische Tempel und denke nicht: „Hast du einen gesehen, hast du alle gesehen.“ Abgesehen von den 50 Prozent des scharfen Essens, esse ich eigentlich alles. Was ich allerdings auch leidenschaftlich gerne esse, ist deutsches Brot (hier gibt es einige deutsche Bäckerinnen und Bäcker) und auch einen leckeren Brie aus der Normandie gönne ich mir ab und an. Abends kocht meine Frau gerne und gut Landesküche.

Sollte man seine Kultur hintenanstellen, um in der neuen klarzukommen?

Bernd: Unbedingt, ich bin Gast! Vieles ist hier ganz anders als im Westen, es ist Asien. Da ich gerne alleine bin und meine Leidenschaft das Schreiben ist, bin ich generell nicht mehr viel unter Leuten und habe auch kein großes Bedürfnis danach. Das hat aber nichts mit Thailand zu tun, sondern ist einfach meine Natur. In meinem früheren Job war das zwangsläufig anders, da waren soziale Kontakte Pflicht. Sie haben mir viel gegeben und mich geprägt. Heute genieße ich die Zeit, die ich für mich habe. Empathie und den Willen, sich in die fremde Kultur einzubringen und nicht zu viel zu bewerten, halte ich als Gast für selbstverständlich. Ich bin kein Missionar. Der Westen ist in Thailand wegen seiner Wirtschaftskraft gut angesehen. Ob jeder Farang gut angesehen ist, entscheidet er selbst. Auch ich habe dazugelernt.

INTERVIEW Mit Nick ét Fotograf des ber�hmten Napalm Girls im VietnamkriegMit Nick Út – Fotograf des berühmten Napalm Girls im Vietnamkrieg © Bernd Linnhoff

„Empathie und den Willen, sich in die fremde Kultur einzubringen und nicht zu viel zu bewerten, halte ich als Gast für selbstverständlich.“

Inwiefern hat Ihr Leben in Thailand Ihre Sicht auf die Welt und das Leben verändert?

Bernd: Seit ich in Thailand lebe, hat sich für mich die Weltkarte völlig verschoben. Wenn man hier lebt, sind plötzlich ganz andere Länder von Bedeutung, als man es noch von Deutschland aus wahrgenommen hat. Thailand ist naturgemäß am Geschehen in China und den Nachbarländern eher interessiert als an dem Geschehen in Deutschland oder den USA. Ich trage Deutschland und Thailand auf je einer Schulter.

Wie wichtig ist für Sie das Thema gesundheitliche Absicherung?

Bernd: Für mich spielt das Thema Gesundheit und die gesundheitliche Absicherung im Ausland eine wichtige Rolle. Ich bin in Thailand sehr gut privat versichert, zahle dafür aber auch einen entsprechenden Preis. Die medizinische Versorgung in Thailand ist – zumindest in den Städten - erstklassig und das Gesundheitssystem besser, als man im Westen vermutet. Für die Thais gibt es von staatlicher Seite eine Dreizig-Bath-Versicherung, eine universelle medizinische Grundversorgung.

Einige Expats, die ich über die Jahre getroffen habe, müssen sich manchmal aus finanziellen Gründen entscheiden, ob sie sich eine gute Versicherung leisten können und dafür auf eine andere Sache verzichten. Wenn sie sich dann eher gegen eine gute gesundheitliche Absicherung entscheiden, ist das ihr Risiko. Ich halte eine Krankenversicherung für unverzichtbar. Meine Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem waren durchweg positiv und ich habe ein großes Vertrauen in die thailändischen Ärztinnen und Ärzte.

„Ich halte eine Krankenversicherung für unverzichtbar.“

Welche Ratschläge würden Sie anderen geben, die ebenfalls darüber nachdenken, ins Ausland zu ziehen und ein neues Kapitel zu beginnen?

Bernd: Erst einmal ist es wichtig zu schauen, wo man im Leben steht. Geht man der Arbeit wegen nach Thailand, mit der Familie oder allein. Ist es ein temporärer beruflicher Aufenthalt, sind viele Punkte schon durch den Arbeitgebenden abgedeckt. Oder kommt man im Rentenalter nach Thailand? Generell ist es wichtig, einen Geldpuffer zu haben. Der Euro hat seit meiner Einwanderung fast 30 Prozent gegenüber dem Baht an Wert verloren, das heißt, für mich ist alles 30 Prozent teurer geworden, ohne dass die Preise in Thailand gestiegen wären. Und gestiegen sind die Lebenshaltungskosten auch noch, wie überall. Da sind private Rücklagen von Vorteil.

Was ich selber auch etwas unterschätzt habe, war die Mentalität der Thais. Reisen ist das eine, dort leben ist was anderes. Daher ist mentale Flexibilität wichtig. Es dauert, bis man die verschiedenen Arten des Lächelns einordnen kann. Für mich ist zentral, dass ich immer versuche, mich gedanklich in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Ob das gelingt, werden mir die Thais nicht verraten.

Generell kann man mit den Menschen in Thailand gut auskommen. Sie freuen sich, wenn man Interesse an ihrer Kultur und Sprache zeigt. Mein Gehör ist zu schlecht, um diese tonale Sprache mit ihren vielen Akzenten zu verstehen oder zu sprechen. Aber selbst wenn man sich nicht einmal auf Englisch verständigen kann, gibt es immer eine Lösung.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Werden Sie weiterhin in Chiang Mai leben und Südostasien erkunden?

Bernd: Dass ich in Thailand bleibe, steht für mich außer Frage. Ich fühle mich hier zuhause, ich bin zufrieden. Die Phase der Euphorie ist natürlich vorbei, aber das gute Gefühl ist immer noch da. Meine Frau und ich spielen mit dem Gedanken, wieder nach Bangkok zu ziehen. In Chiang Mai fühlen wir uns wohl, in Bangkok ist einfach mehr los: Ausstellungen, Livemusik, Freundinnen und Freunde. Also ist es eine Wahl zwischen Gut und Gut. Beides ist Thailand!

„Dass ich in Thailand bleibe, steht für mich außer Frage. Ich fühle mich hier zuhause, ich bin zufrieden.“

INTERVIEW Auge in Auge mit der Kobra leider kein gutes BildAuge in Auge mit der Kobra © Bernd LinnhoffUnd wenn sich alles gut fügt, werde ich auch wieder in den Nachbarländern unterwegs sein.

Dann hoffe ich natürlich, dass mein Buch „Thailand unter der Haut“ weiterhin viele neue und begeisterte Leserinnen und Leser bekommt. Und vielleicht schreibe ich auch ein weiteres Buch. Wie immer, will ich die Menschen unterhalten und informieren. Und Geschichten liefert Thailand genug. 

Über Bernd Linnhoff

Bernd Linnhoff ist gebürtiger Westfale und arbeitete in Deutschland als Sportjournalist, Redenschreiber und Kommunikationsberater. Seit 2008 lebt er in Thailand. Die ersten vier Jahre in Bangkok und jetzt, zusammen mit seiner Frau, in Chiang Mai. In seinem Blog faszination-fernost.com berichtet er von seinen vielen Reisen in Thailand und Südostasien.

Buchinformationen

Thailand unter der Haut:
Nahaufnahmen aus einem fernen Land

Bernd Linnhoff

Verlag:
Oliver Wurm Medienverlag

ISBN: 978-3-985-95528-2

241 Seiten, € 14,90

Erschienen: November 2022

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Oktober 2023 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.