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© deagreez, AdobeStock

Wet-Leasing: Europäischer Pilotenverband deckt arbeitsrechtlich kritische Praktiken auf

Eine von der European Cockpit Association (ECA) durchgeführte Untersuchung von Wet-Lease-Flugzeugen hat beunruhigende Hinweise auf mögliche Verstöße gegen das Arbeitsrecht ergeben.

Seit Anfang des Sommers hat die ECA die Aktivitäten von mehr als 100 sogenannten Wet-Lease-Flugzeugen in Europa gründlich untersucht und dabei Zeugenaussagen, Verträge und Daten von Piloten und Pilotenverbänden gesammelt. Die Ergebnisse seien alarmierend und sollen den nationalen Arbeits- und Luftfahrtbehörden sowie der Europäischen Arbeitsbehörde in Bratislava für eine umfassende Untersuchung vorgelegt werden.

Wet-Leasing, auch bekannt als ACMI-Leasing (Aircraft, Crew, Maintenance and Insurance), ist eine gängige Praxis in der Branche, bei der Fluggesellschaften Flugzeuge und die dazugehörigen Besatzungen von anderen Unternehmen leasen. Die ursprüngliche Idee ist, auch kurzfristig Ersatz für ausgefallenes Personal bereitstellen zu können. Mittlerweile, so ECA, habe diese Praxis größere Ausmaße angenommen und bringt nun einen unangenehmen Nebeneffekt zu Tage: Durch das Wet-Leasing würden Besatzungen oft befristet oder sogar als Selbständige angestellt, um flexibel zu bleiben, Arbeitskosten zu senken und die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden. Die einstellenden Fluggesellschaften sparen dadurch Geld, doch die Besatzungen trügen einen Großteil des wirtschaftlichen Risikos.

„Wet-Leasings sind zwar prinzipiell legal und in Ordnung. Unter dem Deckmantel dieser Legalität verbergen sich jedoch vermehrt undurchsichtige und zweifelhafte Vereinbarungen mit Arbeitnehmern. De facto haben wir mit Wet-Leasing nichts anderes als die nächste Form des Sozialdumpings, mit dem sich Unternehmen – zum Teil auch etablierte Unternehmen – ihrer sozialen Verantwortung für die Beschäftigten zu entziehen versuchen,“ so Stefan Herth, Präsident der Vereinigung Cockpit. „Die von der ECA erhobenen Daten sind besorgniserregend. Wir fordern die zuständigen Behörden auf, diese Praxis gründlich zu untersuchen und zu helfen, die Arbeitsplätze in den betroffenen Unternehmen abzusichern.“

Die Datensammlung der ECA zeigt nun, dass auch bei den aktuellen Wet-Lease-Modellen die Beschäftigung von selbstständigen Besatzungsmitgliedern nicht mit dem Arbeitsrecht vereinbar ist. In der Vergangenheit wurden ähnliche Praktiken bereits von den zuständigen Behörden als Scheinselbständigkeit eingestuft.

„Die Arbeitnehmerüberlassung bei Wet-Leasing-Anbietern muss stärker kontrolliert werden, um diesen fragwürdigen Machenschaften eine Ende zu setzen. Wir schließen uns der Forderung der ECA an, dass die nationalen Arbeitsbehörden die Einhaltung des Sozial- und Arbeitsrechts überprüfen müssen. Darüber hinaus ermutigen wir die Europäische Arbeitsbehörde, solche Inspektionen zwischen den Mitgliedstaaten zu koordinieren,“ so Herth weiter.

Auf dieser Website stellt die ECA weitere Informationen zum Thema zur Verfügung, inklusive einer interaktiven Karte, die eine aktuelle Übersicht zur Wet-Leasing-Nutzung in Europa bietet.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe August 2023 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.