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BGH stärkt Rechte von Flugreisenden bei Annullierungen

Kund*innen haben das Recht auf Erstattung der Kosten für den gesamten Hin- und Rückflug, wenn ein Teil ihrer Flugreise storniert wird. Das geht auf ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zurück. Diese Regelung gilt jedoch nur dann, wenn die Flüge Teil einer einheitlichen Buchung sind und ein einziger Flugschein ausgestellt wurde.

Es ist allerdings irrelevant, von welchem Ort aus der Rückflug geplant war, heißt es in dem Urteil vom 18. April 2023 (Az. X ZR 91/22). Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer wertet das Urteil als großen Fortschritt in der Verbraucherrechtsprechung.

In diesem konkreten Fall hatten die Fluggäste über ein Reisebüro Tickets für insgesamt 4.881 Euro gebucht. Die Flüge sollten von München über Madrid (Spanien) und Bogotá (Kolumbien) nach Quito (Ecuador) führen, und die Rückflüge waren von Quito über Bogotá nach München geplant. Ein Flug nach Madrid wurde von der Fluggesellschaft annulliert. Die Klägerpartei verlangte die vollständige Erstattung des Betrags von dem Unternehmen, das jedoch nicht zahlte. Das Amtsgericht in Erding (Oberbayern) gab der Klage statt. Auch die Berufung des Luftfahrtunternehmens vor dem Landgericht Landshut war erfolglos. Der BGH hat nun die Revision mit Urteil vom 18. April 2023 zurückgewiesen.

Laut den Ausführungen des Gerichts besteht der Erstattungsanspruch für die Kosten, zu denen der Flugschein erworben wurde. Dies gilt sowohl für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte als auch für bereits zurückgelegte Abschnitte, wenn der Flug aufgrund des ursprünglichen Reiseplans des Passagiers zwecklos geworden ist.

Bei Flugannullierung haben Verbraucher Anspruch auf Hilfe

Steht die Familie am Flughafen, freut sich auf den Flug in die Sonne, nur um dann von der Streichung des Fluges zu erfahren, etwa aufgrund von Streiks, ist der Urlaub oft ruiniert. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst folgende Möglichkeiten zusammen, die Verbraucher im Ernstfall offenstehen:

Reisende sollten bei der Fluggesellschaft vorstellig werden und auf einen Ersatzflug drängen. Das kann aber dazu führen, dass zum Beispiel erst am nächsten Tag geflogen werden kann. Trifft das zu, ist die Fluggesellschaft verpflichtet, ihren Kunden so genannte Betreuungsleistungen anzubieten. Je nach Wartezeit handelt es sich dann um kostenlose Mahlzeiten und Getränke. Falls der Ersatzflug erst am nächsten Tag oder noch später stattfindet, muss die Fluggesellschaft eine Unterbringung in einem Hotel samt Shuttleservice zum Flughafen organisieren.

Weigert sich der Fluganbieter, sollten die Reisenden Rechnungen und Quittungen auf jeden Fall aufbewahren. Die Kosten für verweigerte Betreuungsleistungen können von der Airline zurückgefordert werden. Außerdem stehen den Verbrauchern nach der Fluggastrechteverordnung so genannte Ausgleichsleistungen in Höhe zwischen 250 bis 600 Euro. Die Fluggesellschaft kann die Ausgleichsleistungen verweigern und auf außergewöhnliche Umstände hinweisen. In diesem Fall lohnt sich anwaltliche Hilfe.

Reisende können auch den Flugpreis zurückfordern, wenn der Flug ausfällt. Innerhalb von sieben Tagen muss die Fluggesellschaft den Preis erstatten. Reisegutscheine müssen nicht akzeptiert werden, auch wenn der Betreiber das oft suggerieren mag. Dazu wäre schon das schriftliche Einverständnis des Fluggastes notwendig. 

Wichtig dabei: Wird der Flugpreis zurückgefordert, müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher dann selbst um einen anderen Flug oder eine Fahrt in den Urlaub oder nach Hause kümmern. Hier sollten die Kosten berücksichtigt und ermittelt werden, ehe die Airline zur Rückerstattung des Flugpreises aufgefordert wird. Zudem stehen auch hier dem Fluggast Ausgleichsleistungen zu. Die Ausnahme bildet der Umstand, dass die Fluggesellschaft sich entlasten kann, etwa durch eine rechtzeitige Information oder aufgrund von außergewöhnlichen Umständen. Auf „außergewöhnliche Umstände“ kann sich die Fluggesellschaft bei einem Streik des eigenen Personals nicht berufen.

Bei Pauschalreisen ist der Veranstalter der Ansprechpartner

Wenn der Flug Teil einer Pauschalreise ist, dann wenden sich Verbraucherinnen und Verbraucher an ihren Reiseveranstalter und drängen auf eine Lösung mit einer anderen Airline oder auf einen späteren Flug.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) weist darauf hin, dass Veranstalter einer Pauschalreise auch bei Streiks in der Verantwortung für die Kosten stehen, die durch eine Verspätung entstehen. Wichtig ist, gegenüber dem Reiseveranstalter konsequent zu bleiben und beispielsweise auf eine Unterkunft für die Nacht zu drängen, falls nicht am selben Tag eine Ersatzmaschine startet. Bei einer Verspätung ab fünf Stunden kann außerdem der Reisepreis gemindert werden. 

Die Verspätung muss beim Reiseveranstalter unverzüglich gemeldet werden. Der Tagesreisepreis kann ab der fünften Stunde um fünf Prozent je Stunde bis maximal 20 Prozent gemindert werden.

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Streik oder bummeliges Arbeiten

Wird der gebuchte Flug verpasst, weil die Sicherheitskontrollen sich verzögern, wird es komplizierter. Die Kontrollen sind Bundesangelegenheiten, die häufig an private Firmen ausgelagert werden. Die Fluggesellschaften haben darauf keinen Einfluss. Wer jedoch aufgrund langsamer Sicherheitskontrollen seinen Flug verpasst, kann vom Bund Schadensersatz verlangen. 

Um für seinen notwendig gewordenen Ersatzflug Geld zu erhalten, muss die Verbraucherin oder Verbraucher jedoch rechtzeitig am Check-in erscheinen und von dort ohne größere Verzögerungen die Sicherheitskontrollen aufsuchen. Das Oberlandesgericht Frankfurt sprach unter diesen Voraussetzungen zwei Verbrauchern Entschädigung für zusätzliche Tickets und Übernachtungen zu (Az. 1 U 220/20). Grund für die Verzögerung waren in dem Fall die langen Wartezeiten an den von der Bundespolizei durchgeführte Passagierkontrollen. Die Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer prüft für betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher im kostenlosen Online-Check die Chancen auf Schadensersatzansprüche gegenüber Deutschland. 

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Juni 2023 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.