„Es gibt viele Wege, wie man das Ankommen für sich gestalten kann“
Mona Gabriel hat in Ihrem Leben bereits mehrere Male im Ausland gelebt und erfuhr bereits als Kind die Höhen und Tiefen eines Expat-Lebens. Wie es zu ihrem im Frühjahr 2022 veröffentlichten Buch kam, warum es sinnvoll ist, sich vor der Ausreise mit der Rückkehr auseinanderzusetzen und was es generell zu beachten gibt, darüber berichtet sie in dem Interview.
Was veranlasste Sie letztlich, ein Buch zum Thema Rückkehrschock zu schreiben?
Mona: Ich bin schon lange in der Verlagsbranche und alle in der Branche wollen selber irgendwann etwas schreiben. Zu einem Sachbuch fühlte ich mich jedoch nicht so richtig hingezogen. Aber im Verlauf meines Lebens kam die „Rückkehrproblematik“ immer mal wieder. Als Kind und Jugendliche reflektiert man das gar nicht, zumindest ich nicht, ich habe versucht, irgendwie klarzukommen und fand einiges höchst befremdlich und verstand Vieles nicht. Erst viel später, als ich mit meiner eigenen Familie in Bratislava war, wurde ich auf das Thema Third Culture Kids aufmerksam. Das kam also thematisch zuerst, bedingt durch meine Familienverhältnisse. Mein Vater ist Ägypter und meine Mutter Deutsche. Ich bin also nicht nur viel umgezogen, sondern komme noch zusätzlich aus einer binationalen Ehe. Und da war das Konzept der „Third Culture Kids“ wie eine Erleuchtung für mich. Ich habe plötzlich soviele Dinge verstanden über mich, die mir immer wieder Schwierigkeiten im Leben brachten oder wo ich mich fragte, warum es bei mir so ist und bei anderen nicht. Als ich dann nach Deutschland zurückkehrte aus Bratislava, habe ich gedacht, dass das Weggehen für mich immer einfach war. Ich konnte immer gut neu anfangen und mich gut organisieren.
Das Zurückkommen jedoch fand ich immer viel schwieriger und ich begann darüber nachzudenken, warum das eigentlich so ist.
Ich habe mich viel mit Leuten aus meiner Umgebung hier in Leipzig und im Freundeskreis ausgetauscht, die ebenfalls längere Zeit weg waren und wir stellten fest, dass für die meisten die Rückkehr viel zermürbender und anstrengender war als das Weggehen. Dann war ich so angetan, dass ich mit der Recherche begann und feststellen musste, dass es keine Literatur zu dem Thema gibt. In Englisch gab es ein paar Sachen, in Deutsch eher Nischenthemen, aber nichts, was mir wirklich helfen konnte. Also dachte ich, wenn es nichts darüber gibt, muss ich es eben selber machen.
„Meine Antwort auf Probleme im Leben ist immer: Ich brauch ein Buch und les‘ dann mal.“
Dann fing ich an Interviewpartner zu suchen und zu recherchieren. Mit dem Schreiben fing ich dann 2019/2020 an.
Aufgrund der persönlichen Rückkehrerfahrungen, die Sie gemacht haben, haben Sie da eigene Schutzmechanismen entwickelt, mit der Situation umzugehen beziehungsweise was hat Ihnen gut geholfen in schwierigen Situationen?
Mona: Ich erzähle Menschen nicht sofort, wo ich herkomme, weil es da zwei mögliche Reaktionen gibt. Entweder sie finden das alles total toll und wollen mich ausfragen, wozu ich aber auch nicht immer Lust habe, sondern gerne über was anderes reden möchte, oder sie sind total überfordert und denken, was kann ich denn mit dieser Person jetzt überhaupt besprechen? Ich streue es immer in ganz homöopathischen Dosen in die Unterhaltung ein und es kommt dann alles so nach und nach raus.
In Ihrem Buch weisen Sie darauf hin, dass es durchaus sinnvoll ist, sich schon vor der Ausreise in ein anderes Land, mit der Rückkehrthematik zu beschäftigen. Warum?
Mona: Hier gibt es unterschiedliche Aspekte, je nach Lebenssituation, die man beachten sollte. Wenn man Kinder hat, sollte man überlegen, wie alt diese bei der Rückkehr sind. Wann könnte ein guter Zeitpunkt sein, um zurückzukommen? Gerade wenn sie sich in der Pubertät befinden, kann es hier Schwierigkeiten geben, wenn man unvorbereitet ist. Man muss diesen Stress dann ja selber aushalten. Daher ist etwa die Überlegung, auf welche Schule man sie beispielsweise schicken möchte, nicht unbedeutend. Möchte man wieder in die gleiche Stadt zurück oder nicht?
Auch berufliche Fragen sollte man nach Möglichkeit schon vorab klären. Oft ist es so, dass einer der Partner, meistens immer noch die Frauen, nicht im Ausland arbeiten können. Hat man eine Vorstellung darüber, wo es beruflich hingehen soll, ist es sinnvoll, die Zeit im Ausland zu nutzen und schonmal die Fühler auszustrecken und Kontakte zu knüpfen oder Fortbildungen zu machen. Besonders dann, wenn man nicht die Möglichkeit hat, zum bisherigen Arbeitgeber zurückzukehren. Die Firmen in Deutschland sind für Lebensläufe mit vielen Brüchen meist nicht gewappnet. Daher ist es gut, sich sowas vorher zu überlegen.
Abgesehen von organisatorischen Sachen ist bei der Rückkehr auch vorher zu überlegen, ob man an den gleichen Ort zurückkehrt oder woanders hingeht. Da ist es wichtig, dass wenn man als Familie ins Ausland geht, alle miteinander sprechen – insbesondere wenn Unsicherheiten vorliegen. Möchte ich es als eine Sicherheit oder der Kinder wegen, weil sie dort noch ihre Freunde haben. Manchmal braucht man das, aber wenn man dann weg ist, stellt man vielleicht fest, dass man gar nicht mehr ins gleiche Umfeld zurück möchte. Ich finde es wichtig, vor dem Auslandsaufenthalt, aber auch währenddessen immer mal wieder darüber zu sprechen. Es ist nicht gut, wenn eine Entscheidung aus dem Nichts kommt. Wenn es sich beruflich anders entwickelt und die Kinder sich darauf verlassen, dass sie wieder dahin zurückkehren. Das ist schwierig. Man sollte es langfristig begleiten.
Auch ein Aspekt, der mir vorher nicht so bewusst war: wenn man als Familie oder Paar ins Ausland geht und die Arbeitssituation sich verändert hat. Dann macht es auch etwas mit der Beziehung, der Arbeitsteilung und mit dem Selbstwertgefühl. Wenn sich in der Auslandszeit vielleicht nur ein Elternteil um die Kinder kümmert und nur der andere arbeitstätig ist, danach aber wieder beide arbeiten wollen, muss auch das gemeinsam besprochen werden. Man gewöhnt sich schnell an die in dieser Zeit entstandenen Rollen und kann nicht davon ausgehen, nur weil man es sich in seinem Kopf so ausgemalt hat, dass alle Beteiligten das nachvollziehen können. Auslandsaufenthalte sind auch große Krisen und Stressfaktoren für eine Beziehung.
Knüpfen wir doch nochmal an den Begriff der „Third Culture Kids“ an. Was ist eigentlich damit gemeint und welche Vorteile, aber auch Probleme tauchen in diesem Zusammenhang damit auf?
Mona: Als Third Culture Kids bezeichnet man Menschen, die einen prägenden Teil ihrer Kindheit oder Jugend im Ausland verbringen. Diese integrieren unwillkürlich Teile der Gastkultur, in der sie aufwachsen. Da in dieser Entwicklungsphase der Charakter des Menschen noch im Entstehen ist, hinterlassen solche Erfahrungen auf andere Weise bleibenden Spuren in der Persönlichkeit als bei erwachsenen Menschen.
Third Culture Kids bringen aus ihrer Zeit im Ausland meist eine neue Sprache sowie kulturelle Erfahrungen mit. Sie sind offener für Neues und die Wahrscheinlichkeit, dass es sie irgendwann ins Ausland zieht, ist hoch. Wenn man die Kinder also so großzieht und ihnen diese Möglichkeiten gibt, dann muss man damit zurechtkommen, dass sie diese auch nutzen werden. Das ist positiv auf der einen Seite, aber das Gehenlassen ist für Eltern dann andererseits doch nicht so leicht.
„Es gibt viele gute Bücher zum Thema Third Culture Kids und auch mehr Forschung als zum Thema Rückkehrschock.“
Auch in ihren neuen Schulklassen in Deutschland können Third Culture Kids manchmal anecken, wenn sie von ihren Erlebnissen berichten. Hierzu habe ich einen guten Kommentar im Zuge meiner Recherche gelesen, dass die Third Culture Kids, wenn sie in Deutschland aufschlagen und erzählen, wo sie überall gewesen sind, andere Kinder das dann als Angeben werten oder denken, man will sie beeindrucken. Third Culture Kids haben aber keine anderen Geschichten zu erzählen. Das war ihr Leben vorher und wenn sie überhaupt etwas erzählen wollen, dann sind es solche Dinge. Ich glaube es hilft, wenn man das im Hinterkopf hat, auch für sich selbst. Als Jugendliche hat mich das zum Beispiel sehr befremdet, als ich aus Frankreich wiedergekommen bin. Viele hatten das Bild von mir, als würde ich mich als etwas Besseres finden als sie. Ich habe halt einfach die Sachen erzählt, die ich gemacht habe und die dort ganz normal waren. Was sollte ich auch sonst erzählen, es war für mich selbstverständlich, mich mit der U-Bahn zu bewegen.
Zudem glaube ich, dass es für Kinder, die oft umziehen müssen, schwer ist, ein Heimatgefühl zu entwickeln. Das ist eins der Nachteile von dem Leben, das man führt. Gerade die Frage nach „Woher kommst du?“ mag ich nicht. Die finde ich sehr befremdlich, da ich sie gar nicht klar beantworten kann und so geht es sicherlich vielen dieser Kinder.
Es gibt viele gute Bücher zum Thema Third Culture Kids und auch mehr Forschung als zum Thema Rückkehrschock. Gerade wenn Menschen so aufgewachsen sind und dann schon ins (junge) Erwachsenenalter kommen, kann man sehr viel damit anfangen. Gerade in Bezug auf Identitätskrisen, wenn sie nicht so recht wissen, wo sie eigentlich hingehören oder, wenn man mehrsprachig aufwächst, so wie ich: Das gibt auch schönen Sprachsalat im Gehirn manchmal.
Erst durch die Auseinandersetzung mit der Literatur zu dem Thema war mir vieles klarer und verständlicher. Auch in Bezug auf die Sprache, denn wenn ich Englisch spreche, bin ich von meiner Persönlichkeit her anders, als wenn ich Deutsch spreche. Das habe ich immer so gefühlt, aber dass es dafür einen Grund gibt, habe ich erst durch die Auseinandersetzung mit dem Thema erfahren.
Sind Ihre Kinder „Third Culture Kids“?
Mona: Ja total, auf jeden Fall. Meine Tochter lebt in Holland und macht auch keinerlei Anstalten, wieder zurückzukommen. Sie hat Europa- und Völkerrecht studiert und lebt in Den Haag. Mein Sohn lebt in Wien und hat eine große Affinität zu den ehemaligen Ostblock- und Balkanstaaten und findet das alles total interessant.
Ich muss sagen, als wir die Kinder damals auf die Internationale Schule geschickt haben, hatten wir das nicht so auf dem Schirm. Wir hatten uns überlegt, dass sie dann ja überall studieren können, auch in Deutschland. Was wir jedoch nicht bedacht hatten war, dass wenn sie auf so eine Schule gehen und bis zum Abitur einen internationalen Abschluss machen, sie dann gar kein Interesse haben werden, in Deutschland zu studieren. Und das meinten beide dann auch, dass sie doch überall auf der Welt hingehen könnten. Was sie dann auch taten. Als Eltern hat man dann leider wenig Einfluss drauf. Man wird dann etwas bescheidener und denkt, zum Glück sind sie momentan beide auf dem gleichen Kontinent. Auch zwischenzeitlich waren beide mal weg, richtig weit weg, in Japan und in Australien. Das fand ich nicht so schön.
Als Sie mit Ihrer Familie nach Bratislava gingen, was Ihr letzter längerer Auslandsaufenthalt war, wie alt waren Ihre Kinder zu dem Zeitpunkt und stellte das eine besondere Herausforderung für die ganze Familie dar, vor allem die Rückkehr nach Deutschland?
Mona: Wir sind 2005 nach Bratislava gegangen. Die Kinder waren im Grundschulalter. Mein Sohn war acht, meine Tochter sechs. Wie in vielen Fällen war der Job meines Mannes der Grund, ins Ausland zu gehen. Auch wenn ich vorher nicht genau wusste, wo Bratislava eigentlich liegt, haben wir es nicht bereut. Es war ein schöner Aufenthalt. In der Zeit befand sich die Stadt sehr im Umbruch, die Slowakei war zu dieser Zeit noch nicht im Schengen-Abkommen, es war also noch richtig Ausland. Es war sehr spannend, diesen Umbruch zu erleben, sowas kannten wir aus Westdeutschland nicht. Ständig war alles neu oder wurde etwas anders gemacht. Und es ist auch eine Gegend, wo ich so vielleicht nicht hingekommen wäre.
Wir hatten dann noch die Möglichkeit zu verlängern, aber mittelfristig wollten wir wieder nach Deutschland zurück. Länger zu bleiben, hätten wir uns auch finanziell gar nicht leisten können, weil die Internationale Schule in Bratislava so teuer war. Als wir 2008 zurückkamen, waren unsere Kinder dann drei Jahre älter und wir kamen mitten im Schuljahr zurück nach Deutschland. Wir haben sie dann auf die Internationale Schule geschickt. Natürlich hätten sie das, wenn wir sie auf eine „normale“ Schule in Sachsen geschickt hätten, wahrscheinlich geschafft, aber es wäre sicherlich schwieriger geworden.
Ich hatte es ja selber auch erlebt, als ich als Kind aus Frankreich zurückgekommen bin. Mein Bruder und ich sind damals schon etwas ausgetickt in der Pubertät und wenn man in dem Alter zurückkommt und unvorbereitet reingeschmissen wird, kann es viele Schwierigkeiten geben. Und ich dachte, wenn meine Kinder so eine rebellische Phase auch durchmachen und alles furchtbar finden, dann muss ich es ja als Mutter ausbaden. Das wollte ich nicht. An der Internationalen Schule war das deutlich einfacher, da es dort vielmehr Wechsel gibt und sie blieben im gleichen Schulsystem. Alles war auf Englisch. Für die Kinder war die Landung natürlich viel sanfter.
Was waren für Sie wichtige Aspekte, die Sie durch Ihre Auslandsaufenthalte gelernt haben?
Mona: Durch die ganze Umzieherei mache ich manche Dinge anders als die meisten Leute in Deutschland. Früher habe ich da nicht so drüber nachgedacht, aber es gibt bestimmte Stellen wo es herkommt und wo man das sieht. Es ist dann schwer zu trennen, was ist von mir oder was habe ich einfach irgendwo aufgeschnappt. Man weiß manchmal nicht, wie verhalte ich mich richtig. Ich könnte jetzt so sein oder so reagieren. Das ständige Hin und Her überlegen ist anstrengend. Am Ende hat man aber viel mehr Freiheiten. Man hat viel mehr gesehen, dass es in anderen Kulturen doch anders ist und einem besser gefällt. Dann kann ich mich auch so verhalten. Das macht es manchmal etwas schwieriger, weil man hier und da aneckt, aber gleichzeitig gibt es einem auch eine große Freiheit, das zu machen, wie es sich für einen selber gut anfühlt.
„Man darf es sich so einrichten, wie es für einen selbst gut ist.“
Und um für sich ein Heimatgefühl zu entwickeln, müssen bestimmte Gegebenheiten da sein. Sicherheit, Wohnung et cetera aber man muss in irgendeiner Form eine Gemeinschaft, eine Community haben, wo man eine gewisse Verantwortung übernimmt. Nachbarschaftsgarten oder sich im Gemeinderat engagieren. Auf der emotionalen Ebene muss es eine Verbindung geben, damit man dieses als Heimat empfindet. Menschen, die immer am selben Ort leben, haben natürlich eine emotionale Verbindung zu dem Ort. Wenn man aber viel umzieht, muss man mehr investieren. Man muss sich gezielt Dinge suchen, wo man die Verbindungen aufbauen kann. Das kann sich nach einer gewissen Zeit nach Heimat anfühlen. Es ist nicht zwingend notwendig immer an einem Ort zu bleiben, um sich wohlzufühlen. Ich finde diese Einstellung als etwas veraltet, gerade im Hinblick darauf, wie viele Menschen heutzutage umziehen oder im Rahmen von Einwanderungen. Man muss sich fragen: Ist es mir möglich, mich emotional und mit einer gewissen Verantwortung mit den Menschen zu verbinden? Wenn man das verstanden hat, braucht man auch nicht darüber nachdenken, wie lange man an einem Ort sein wird. Das wird sich dann schon finden.
Eine Rückkehr aus dem Ausland wird generell unterschiedlich bewältigt. Dieser Prozess folgt, wie Sie in Ihrem Buch beschreiben, gewissen Phasen. Können Sie kurz umranden, wie es in Ihrem Fall war?
Mona: Erst kommt die Flitterwochen-Phase. Das ist der Moment wo man sich etwa über deutsches Brot freut oder dass einen plötzlich alle verstehen. Ich fand es zum Beispiel schön, mich mit Freunden und Familien zu treffen und auszutauschen und über unsere Erfahrungen zu sprechen. Wenn das dann vorübergeht und man seinen Alltag einigermaßen eingerichtet hat und merkt, dass alles doch ganz schön anstrengend ist (Ernüchterungsphase), und das Interesse von den anderen etwas abflacht, weil man in so etwas wie ein Loch fällt. Der schlimmste Staub hat sich gesetzt, aber es interessiert sich keiner mehr für mich (Phase der Entfremdung und des Inneren Abstands). Das war für mich die schlimmste Phase.
Persönlichkeitsunterschiede spielen hier auch eine Rolle. Man muss sich entscheiden, wie man sein will. Und wenn man sich dann entschieden hat und das auch kommunizieren kann, dann ist es auch kein Problem mehr. Aber was einen belastet ist, dass man immer so unterschwellig das Gefühl hat, ich müsste dies und das aber jetzt planen oder machen. Diesen inneren Konflikt muss man erst einmal mit sich klären und schauen, wo stehe ich eigentlich?
Wie sieht es in Unternehmen und Organisationen mit der Reintegration von Rückkehrenden aus dem Ausland aus?
Mona: In vielen Firmen ist das generelle Interesse an Menschen mit Auslandserfahrungen nicht vorhanden. Das ist so absurd, bedenkt man, was Auslandsentsendungen den Firmen kosten. Das ist unfassbar teuer, die Leute irgendwohin zu schicken, die Schule zu bezahlen, die Familie umzuziehen et cetera.
Es sollen alle Auslandserfahrungen haben, aber wenn dann jemand kommt, dann wissen sie nicht wohin damit. Es ist widersprüchlich. Es wird ein Haufen Geld ausgegeben, aber sie konnten nicht von dem Wissen profitieren.
Kennen Sie Unternehmen, die darauf spezialisiert sind, Coachings für Rückkehrende anzubieten und haben Sie schonmal darüber nachgedacht, diese anzubieten?
Mona: Ja, bei ganz wenigen gibt es Entsende- und Rückkehr-Coachings. Oder Rückkehrstammtische, wo sich ausgetauscht werden kann. Es ist aber eine große Ausnahme.
Es gibt aber auch eine kleine Gruppe von Rückkehr-Coaches. Bei meiner Recherche war ich auch mit einigen Psychologen im Gespräch, aber das ist ein sehr kleiner Personenkreis, in Anbetracht der Vielzahl der Rückkehrer, die es gibt. Im Jahr 2020 gab es 190.000 Rückkehrer nach Deutschland, in den Jahren davor waren es immer deutlich über 100.000. Es betrifft schon sehr viele.
Ich bin in Gesprächen mit Organisationen, die Auslandsaufenthalte für junge Leute organisieren (Highschool Jahr, Aupair…). Diese möchten ihren Rückkehrenden etwas anbieten. Hier laufen Gespräche über eine Entwicklung von einer Coachingreihe, das ist aber noch am Wachsen. Das andere ist eine Organisation, wo es um Menschen geht, die im Rentenalter nach Deutschland zurückkehren. Hier sind die Bedürfnisse natürlich ganz anders. Konkret ist das jedoch noch nicht, aber prinzipiell würde ich sowas sehr gerne machen.
Was finden Sie wichtig zu beachten, wenn man ins Ausland geht und dann nach einer Zeit wieder zurückkommt?
Mona: Wenn man ins Ausland geht, verlässt man seine Komfortzone. Es dauert länger, weil man sich ständig neu orientieren muss und das Neue kennenlernen möchte. Das ist alles spannend und aufregend. Ist man dann wieder länger zurück in Deutschland, passiert es auch, dass es nach einer gewissen Zeit, so ungefähr nach einem Jahr, zu der Situation kommt, dass etwas lange Weile eintritt. Man findet sich in seinem neuen Umfeld zurecht, alles läuft irgendwie. Hier muss man etwas aufpassen, dass man nicht aus den falschen Gründen wieder weggeht oder schlimmer noch, wenn man zu bequem wird und sich nicht motiviert, um sich aus dieser Lage herauszubekommen.
„Man ist für sein eigenes Entertainment verantwortlich.“
Es gibt viele Möglichkeiten, in solchen Momenten zu schauen, was das Umfeld hergibt, was kann ich verändern, neu lernen oder machen, sich Orte suchen, die man noch nicht kennt, einen neuen Sport ausprobieren, sich mit Menschen umgeben, die einem gut tun. Deutschland bietet so viele Möglichkeiten und Arten zu leben. Da ist eigentlich für jeden was dabei. Und wenn das nicht genügt, ist Reisen auch eine Möglichkeit, um mal wieder rauszukommen. Die Optionen sind vorhanden, man muss sie nur aktiv nutzen: Man ist für sein eigenes Entertainment verantwortlich.
Bei jungen Leuten beispielsweise, die vor dem Studium ein Auslandsjahr gemacht haben und dann schon einen Studienplatz haben, ist der Rückkehrschock oft gar nicht so schlimm. Im Studium treffen sie auf neue Leute. Da fällt die Rückkehr nicht so ins Gewicht. Wenn aber Unsicherheiten vorliegen, also noch nicht klar ist, wie und wo es weitergehen soll, wird der Rückkehrschock deutlich intensiver erlebt. Der Drang, nach einer gewissen Zeit wieder das Land zu verlassen, kann bei Third Culture Kids besonders ausgeprägt sein. Aber dennoch kommt meistens irgendwann der Punkt, wo man bleiben möchte.
Manche Menschen können nicht so gut nachvollziehen, wie so eine Rückkehr aus dem Ausland eigentlich ist. Haben Sie selbst negative Erfahrungen damit gemacht?
Mona: Seit ich das Buch geschrieben habe und mich Leute fragten, worum das Buch denn handelt, wurde es eher belächelt: „So schlimm kann das mit dem Rückkehrschock doch nicht sein, man kennt das doch alles. Ist das nicht etwas übertrieben?“ Da war ich manchmal etwas sprachlos. Mittlerweile habe ich eine Antwort dafür entwickelt. Die Psychologen, mit denen ich gesprochen habe, insbesondere Frau Prof. Dr. Genkova, die hauptsächlich dazu forscht, hat mir gesagt, dass so ein Rückkehrschock, besonders, wenn man gerne im Ausland war, wie eine Trennungskrise ist. Also so, als trenne man sich von einem Partner oder jemand ist verstorben. Psychologisch gesehen ist der Schmerz und die Herausforderung genauso groß. Wenn dann jemand kommt und dir sagt: „Stell dich nicht so an, so schlimm ist das doch alles gar nicht“. Dann ist das verletzend. Das würde man zu jemanden, der sich beispielsweise gerade scheiden lässt, ja auch nicht sagen. Man führt einerseits ein privilegiertes Leben, wenn man ins Ausland geht oder gehen kann, aber auch dieses Leben hat Probleme und Schwierigkeiten. Im Bewusstsein ist das bei anderen manchmal nicht so verankert, dass man ja ein Stück weit auch Heimat verliert. Man verliert seinen Alltag, seine Freunde, Nachbarn. Das ist schmerzhaft. Jemand der das miterlebt hat, versteht es sofort. Bei denen, die es nicht erlebt haben gibt es welche, die das nachvollziehen können und einige überhaupt nicht. Aber so richtig versteht man es eigentlich nur, wenn, man selber in so einer Situation war.
Die psychische Belastung einer Rückkehr ist einfach hoch und das muss man sich selbst und auch seinem Gegenüber klar machen. Es ist nur logisch, dass man auch traurig ist und Dinge vermisst, die vorher Alltag waren. Wenn man nichts vermissen würde, würde das ja im Umkehrschluss heißen, dass man alles doof fand.
„Die psychische Belastung einer Rückkehr ist einfach hoch und das muss man sich selbst und auch seinem Gegenüber klar machen.“
In Familien kann es zu Problemen kommen. In meiner Familie ist das zum Beispiel ziemlich klar, weil wir alle ständig umziehen. Aber in Familien, die fest an einen Ort verwurzelt sind, kann es schwieriger sein, weil das Verständnis nicht in dem Maße vorhanden ist. Hier kann es sogar zur Entzweiung kommen, weil es nicht verstanden und eher negativ ausgelegt wird in etwa: „Sind wir dir nicht gut genug?“ oder „Du hast es dir doch so ausgesucht, jetzt darfst du dich auch nicht beschweren.“
Gibt es Dinge, die Ihnen im Kopf geblieben sind und über die Sie schmunzeln mussten, wenn sie mit anderen Personen, Bekannten, Freunden oder in der Familie über das Thema Ausland gesprochen haben?
Mona: Als mein Sohn aus Japan vom Studium zurückkam und ich ihn vom Flughafen abgeholt habe fragte ich ihn: „Und? War Japan denn jetzt so, wie du es dir vorgestellt hast?“ Und er schaute mich an und sagte: „Mama, das kann man sich nicht vorstellen!“
Kurz nach unserer Rückkehr aus der Slowakei traf ich mich mit Freundinnen und wir fuhren im Auto zusammen, ich fuhr. Meine langjährige Freundin saß neben mir und meinte dann „Also deine Fahrweise hat sich aber auch ein bisschen „slowakisiert“. Das fand ich sehr lustig. In der Slowakei wird etwas schnittiger und nicht so regelkonform gefahren. Das hat dann wohl ein bisschen bei mir abgefärbt.
Ein Spruch ist in unserer Familie geblieben bis heute. Wenn mit der deutschen Bürokratie oder Technik irgendwas super kompliziert ist, sagt meistens irgendeiner: Haben wir da keine slowakische Lösung?
Und abschließend noch eine Frage. Haben Sie Pläne, irgendwann wieder länger ins Ausland zu gehen?
Mona: Geplant habe ich es nicht, aber dennoch muss ich mal wieder raus und werde in diesem Jahr für einen Monat nach Kanada gehen. Ich habe festgestellt, ich muss auch mal wieder was Neues sehen. Ich würde es aber nicht generell ausschließen, irgendwann nochmal für länger wegzugehen.