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Interview

„Wir haben es nie bereut, in die USA zu gehen.“

In den USA wird Halloween intensiv zelebriert. Hier ein geschmücktes Haus in der Nachbarschaft von Familie Schels. © Miriam Schels

Vor mehr als sieben Jahren ging Miriam Schels mit ihrem Mann und Kind in die USA. Mittlerweile ist die Familie zu Viert und denkt vorerst nicht daran, nach Deutschland zurückzukehren. Was sie an dem Leben in Amerika schätzt und warum sie ein Buch als Starthilfe für Neuankömmlinge geschrieben hat.

Sie und ihre Familie leben seit 2015 in den USA. Was war der Grund für den Aufenthalt?

Miriam: Mein Mann wurde im Rahmen einer Delegation von Siemens 2015 nach Missouri entsandt. Ich war ohnehin gerade in Elternzeit, das Timing war also gut. Der Mitarbeitereinsatz war für vier Jahre geplant. Doch nach einem Jahr wurde der Standort verkauft. Wir wollten noch nicht zurück nach Deutschland, hatten wir uns ja auf einen längeren Aufenthalt eingestellt.  Mein Mann hatte die Möglichkeit, an den Standort in Orlando in Florida zu gehen. Für uns war das verlockend, bot es doch die Möglichkeit, eine weitere Region in den USA kennenzulernen.

Obwohl ich natürlich meine Familie in Deutschland vermisste, hatten wir noch kein großes Heimweh nach Deutschland als die Delegation nach vier Jahren endete. Wir hatten außerdem den Eindruck, noch nicht genug von den USA gesehen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte mein Mann in den USA auch bessere Jobperspektiven als in Deutschland. Und so nahmen wir es als „Zeichen“ und entschieden uns, unseren USA-Aufenthalt zu verlängern und nach Pittsburgh in Pennsylvania zu ziehen.

„Wenn man mit Kindern an einem anderen Ort ankommt, fällt es oft leichter sich einzuleben.“

Wie war Ihre Anfangszeit In Missouri – der Bundesstaat ist sicher nicht voll von Expats gewesen.

Miriam: Missouri befindet sich im mittleren Westen der USA und gilt als eher konservativ. Als Europäer galten wir da schon als recht exotisch. Wir sind aber sehr freundlich von den Menschen vor Ort aufgenommen worden, alle waren sehr interessiert und offen uns gegenüber. Viele Amerikaner haben deutsche Wurzeln durch ihre ausgewanderten Vorfahren. Somit war auch eine gewisse Verbundenheit uns gegenüber da.

Wenn man mit Kindern an einem anderen Ort ankommt, fällt es oft leichter sich einzuleben. Mein erster Sohn war zu dem Zeitpunkt zehn Monate alt. Bei der Kontaktaufnahme mit anderen Familien hat das geholfen. Man wird automatisch häufiger angesprochen. Wir freundeten uns schnell mit einem Expat-Paar aus der Schweiz an, mit denen wir viel gemeinsam unternahmen und nach wie vor befreundet sind. Auch der Chef meines Mannes lud uns direkt zu einem Familienessen bei sich zu Hause ein, und unser Vermieter brachte am ersten Geburtstag unseres Sohnes gleich ein Geschenk für ihn vorbei. Wir wurden also mit offenen Armen empfangen. Dadurch haben wir uns schnell eingelebt. 

Anfangs musste ich mich noch ein wenig an die amerikanische Mentalität gewöhnen. Es gibt ja durchaus interkulturelle Unterschiede zwischen den Deutschen und den Amerikanern. Beispielsweise war mir der obligatorische Smalltalk anfangs eher unangenehm. An der Supermarkt-Kasse oder im Fitnessstudio – überall werden einem vermeintlich private Fragen gestellt wie beispielsweise „Wie ist dein Tag?“ oder „Was hast Du heute noch vor?“. Wir Deutschen sind da ja tendenziell eher zugeknöpft. Aber mittlerweile weiß ich diese zwischenmenschliche alltägliche Kommunikation sehr zu schätzen.

Obwohl mein Mann und ich natürlich deutsch zuhause sprechen, ziehen unsere Kinder es vor, fast nur englisch zu sprechen. Auch deshalb sehen wir aktuell noch nicht, dass wir absehbar nach Deutschland zurückkommen werden. Wir wissen aber auch, dass es für die Kinder umso schwerer wird, eines Tages nach Deutschland zurückzugehen, je länger wir hier bleiben.

INTERVIEW Familie Schels FarmMiriam Schels mit ihrer Familie auf einer Farm in der Nähe von Pittsburgh; © Miriam Schels

Was haben Sie noch im Laufe der Jahre zu schätzen gelernt am amerikanischen Lifestyle?

Miriam: Die Menschen hier sind so freundlich, offen und herzlich. Und sie sind auch sehr kinderlieb. Ich weiß auch diese ausgeprägte Service-Kultur zu schätzen. Es wird immer versucht, alles für einen möglich zu machen und das stets mit einem Lächeln. Und dies nicht nur im kommerziellen Bereich. Hier werden die Kinder sogar vor der Haustür vom Schulbus abgeholt.

„Bei meinem letzten Deutschlandbesuch hatte ich einen umgekehrten Kulturschock.“

Als ich zuletzt 2019 in Deutschland war, hatte ich einen regelrechten umgekehrten Kulturschock. Dort sind die Menschen in Summe und im Vergleich zu den Amerikanern schon eher unfreundlich und Service wird nach wie vor nicht besonders groß geschrieben, ist mein Eindruck.

Wir schätzen auch die Hilfsbereitschaft der Menschen hier untereinander. Vor allem in einer Gemeinde und in der Nachbarschaft ist es selbstverständlich, sich gegenseitig zu unterstützen. Es gibt in den Staaten den sogenannten „random act of kindness“, bei dem die Leute einem manchmal etwas bezahlen – einen Kaffee oder das bestellte Essen im drive-thru. Einfach so aus Freundlichkeit.

In unserer Wohngegend – mittlerweile sind wir fest integriert und haben uns auch ein Haus gekauft – sind alle eine große Gemeinschaft. Es gibt viele Gelegenheiten und Nachbarschafts-Events, bei denen die Menschen zusammenkommen.

Jetzt steht bald wieder Halloween an, was wir als Familie mit zwei kleinen Kindern sehr gerne und groß zelebrieren. Natürlich ist auch jede Menge Kommerz dabei, aber es macht sehr viel Spaß, herbstlich und gruselig zu dekorieren, Kürbisse zu schnitzen und dann am Halloween-Abend von Haus zu Haus zu ziehen.

Auch Thanksgiving liebe ich und wir feiern es inzwischen ähnlich wie die Amerikaner groß. Es ist Teil des Integrationsprozesses, solche Traditionen mitzumachen – und wir lieben es.

INTERVIEW SchulbusDie Kinder werden täglich direkt vor der Haustür vom Schulbus abgeholt.; © Miriam Schels

Was bereitet Ihnen manchmal Schwierigkeiten? 

Miriam: Zum einen macht es mir manchmal zu schaffen, dass gesunde Ernährung bei den Amerikanern im Schnitt noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Es gibt hier unendlich viele Angebote für fertiges – leider aber tendenziell ungesundes – Essen. Es ist in der Tat günstiger als frische Lebensmittel. Wer sich gesund ernähren möchte, muss tief ins Portemonnaie greifen.

Und es mangelt hier doch noch sehr an Umweltbewusstsein, was sich auch im Alltag widerspiegelt. Fortbewegungsmittel Nummer Eins ist das Auto. Entsprechend fehlen beispielsweise Fahrradwege. Die Menschen hier sind eher schon sehr bequem und Bewegung wird von vielen nicht gerade groß geschrieben.

Was mir große Sorge bereitet, ist die Waffenkultur. Es kommt wirklich fast täglich vor, dass irgendwo in den USA jemand ausflippt, zur Waffe greift und Menschen zu Schaden kommen oder sterben. Wenn man Kinder hat, die zur Schule gehen, ist dieses Thema besonders belastend.

Als Sie mit Ihrem Mann und ersten Kind 2015 in die USA gingen, waren die USA noch demokratisch geführt – unter Obama. Wie haben Sie den Regierungswechsel zu Trump erlebt? 

Miriam: Im Alltag hat uns das erstmal nicht spürbar tangiert, wir waren zwar entsetzt, aber wir hatten es schon kommen sehen. Der Wahlkampf ist in den USA viel offensiver als in Deutschland und die Bevölkerung ist stark involviert. Beispielswiese sahen wir damals viele pro „Trump“-Schilder in Vorgärten, auch bei echt sympathischen Nachbarn.

„Die Menschen respektieren sich untereinander unabhängig von ihrer Wahlentscheidung.“

Sicherlich ist das Land sehr gespalten. Mein Eindruck ist jedoch, dass die Menschen sich im täglichen Leben größtenteils unabhängig von ihrer Wahlentscheidung respektieren und friedlich nebeneinander leben. Politische Themen, insbesondere die Frage nach der Parteipräferenz, werden dann umgangen. Während der Pandemie war diese allerdings durchaus erkennbar. Es waren tatsächlich vor allem Anhänger der Republikaner, die keine Masken tragen wollten.

Als Joe Biden schließlich gewählt wurde, waren wir doch sehr erleichtert.

Genau wie die meisten haben wir auch ungläubig verfolgt, wie das Wahlergebnis seitens der Republikaner von Anfang an angezweifelt wurde und der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 war mehr als erschreckend.

Als Joe Biden vereidigt wurde war es für mich das erste Mal bei einer Live-Übertragung der Amtseinführung eines amerikanischen Präsidenten, dass ich zutiefst bewegt und sehr erleichtert war!

INTERVIEW StrandMiriam Schels mit einem ihrer Söhne am Strand in Florida; © Miriam Schels

Mit „USA Starthilfe“ haben Sie einen praxisnahen Ratgeber für Personen geschrieben, die aus privaten und/oder beruflichen Gründen in die USA gehen. Was war die Initialzündung für dieses Buch?

Miriam: Die Idee für das Buch war bereits früh entstanden – schon in den ersten Tagen nach unserer Ankunft in den USA und als wir noch in einem Hotel untergebracht waren. Damals dachte ich, mein Englisch sei eigentlich gut, aber sagen wir mal so, es war noch sehr ausbaufähig. Alltagssituationen, wie einkaufen, tanken oder der Besuch einer ärztlichen Sprechstunde waren anfangs manchmal echte Herausforderungen. 

In den ersten Wochen im Hotel hatte ich das starke Bedürfnis, ein Buch zur Hand zu haben, das kompakt ist und den Anfang erleichtert, denn vor allem der Anfang ist am schwersten wie ich finde. Vom Arbeitgeber meines Mannes bekamen wir damals das Sachbuch „Alltag in Amerika“ von Kai Blum. Das hat auch sehr gut geholfen und ist aus meiner Sicht eines der besten dieser Art, das es gibt. Mir fehlten allerdings für mich noch weitere, gerade in der Anfangszseit relevante praktische Tipps, wie z.B. wie fülle ich einen Scheck richtig aus, wo wird wieviel Trinkgeld erwartet, welchen Anteil muss ich beim Arzt selbst bezahlen und was zahlt die Versicherung und so weiter. Und ich wünschte mir ebenfalls eine kompakte To-do-Liste für den Anfang.

In mein Buch USA-Starthilfe habe ich dann alles reingepackt, was ich damals während der ersten Wochen in den USA gerne gewusst hätte. Aufgeschrieben habe ich dann alles während des ersten Lockdowns, währenddessen ich das Bedürfnis verspürte, die Zeit zu Hause sinnvoll zu nutzen.

Welche Ratschläge würden Sie Personen geben, die für längere Zeit oder gar für immer in die USA gehen möchten?

Miriam: Wenn man über seinen Arbeitgeber in die Staaten geht, ist es auf alle Fälle leichter als auf eigene Faust auszuwandern. Für den Alleingang benötigt man auf jeden Fall ein großes finanzielles Polster. Denn als Neuling hat man in den USA noch keine „credit history“ und somit hat man sich noch keine Kreditwürdigkeit aufgebaut, mit der man nachweist, dass man seine Rechnungen immer pünktlich bezahlt hat. Deshalb muss man oft für vieles die doppelte bis dreifache Kautionshöhe hinterlegen. Für ein einigermaßen sorgenfreies Leben in den USA braucht man einfach ausreichend Startkapital.

INTERVIEW Sohn in NachbarschaftAmerikanische Vorstadtidylle: Einer der Söhne von Miriam Schels führt den Familienhund in der Nachbarschaft aus.; © Miriam Schels

Auch Krankenversicherungen sind bekannterweise sehr teuer, insbesondere dann, wenn man sie nicht über den Arbeitgeber teilfinanziert bekommt. Und selbst wenn das Unternehmen einen Teil der Kosten zahlt, so sind hohe Selbstbehalte üblich. 

Viele Expats, die aufgrund einer Delegation oder Entsendung in die USA kommen, schließen sich der Expat-Community ihres jeweiigen Herkunftslandes an. Das hat etwas Vertrautes, weil man einen ähnlichen Background hat und es ist verlockend, weil es bequemer erscheint, sich mit Gleichgesinnten zu treffen. Aber das ist nicht das wahre Leben. Es lohnt sich, neben Kontakten mit anderen deutschen Expats oder Ausgewanderten, auch mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu treten und sich zu integrieren. 

Miram Schels USA-Starthilfe – Ein Ratgeber für den Alltag in Amerika

In ihrem Ratgeber „USA-Starthilfe“ hat Miriam Schels wertvolle praktische Tipps für einen möglichst reibungslosen Neubeginn in den USA zusammengestellt. Die Ratschläge und Informationen speisen sich zum Teil aus den persönlichen Erfahrungen und sind somit besonders praxisnah. Neben organisatorischen Aspekten und dazugehörigen Checklisten im ersten Teil, beschreibt die Autorin im zweiten Teil vor allem, wie sich der Alltag in Amerika gestaltet und auf welche kulturellen Besonderheiten sich Neuankömmlinge einstellen sollten.

Buchinformationen

Miriam Schels: USA Starthilfe – Fit für einen entspannten Einstieg in den amerikanischen Alltag

Paperback: 24,99 Euro
E-Book: 14,99 Euro
220 Seiten
ISBN-13: 9783755774464

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Oktober 2022 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.