„Camping ist ein Sprungbrett in Abenteuer in der Natur, in fremde Kulturen und unbekannte Länder“
Lange galt Camping als spießig. Mittlerweile ist es angesagter denn je, mit dem Wohnmobil oder Van die Welt zu erkunden. Larissa Peters und Bastian Gembler von der Camper-Vermietung VANTOPIA geben Einblicke zu aktuellen Entwicklungen und Visionen der Camping- und Vanlife-Community.
Caravaning wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Was glaubt ihr, worin liegt seit jeher die Faszination?
Larissa: Ursprünglich war Camping vor allem eine günstige Art des Reisens und dementsprechend für viele Menschen die einzige Möglichkeit, in den Urlaub zu fahren. Die nächste große Welle erlebte das Camping in der Nachkriegszeit und bedeutete ein Gefühl der Flucht aus dem Alltag – insbesondere im Kontrast der vorangegangenen Jahre. Generell lässt sich gerade in besonders beschwerlichen Phasen deutscher Geschichte beobachten, wie die Camper-Community immer mehr zu einer einerseits eingeschworenen, aber auch offenen Gemeinschaft geworden ist.
Heutzutage sind genau diese Community und die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu treffen, ein großer Teil der Faszination Camping. Aber auch der Freiheitsaspekt des entspannten und entschleunigten Reisens ist ein wichtiger Aspekt beim Campen. Damit verknüpft ist selbstverständlich auch die Naturverbundenheit, die ein Camping-Trip unweigerlich mit sich bringt. Gerade in einem immer hektischer und komplexer werdenden Alltag bietet das Camping eine entschleunigende Abwechslung. Vergleich zum Alltag ist es etwas angenehm Einfaches: Man braucht nicht viele Dinge, man braucht nur seinen Camper und jede Menge Spontanität.
Besonders in letzter Zeit ist allerdings auch das Thema Nachhaltigkeit ein immer wichtigerer Faktor geworden, um den Camping-Boom zu erklären. Vor allem im Vergleich zu Flug-, Schiffs- und Fernreisen bietet Caravaning eine sehr viel klimaschonendere Alternative.
Vanlife und Camping sind seit Corona noch beliebter geworden. Welche Veränderungen habt ihr seit 2020 wahrgenommen?
Bastian: Viele Reisewillige mussten sich durch Corona nach Alternativen zu konventionellen Reiseformen umgucken und sind so auf Camping gestoßen. Die Zielgruppe ist auch jünger geworden, womit sich die Ansprüche und Wünsche unserer Kundinnen und Kunden verändert haben. Mit der Verjüngung des Publikums kommt es zu einer stärkeren Romantisierung von Camping – Stichwort Glamping. Die junge Camper-Generation möchte nicht rein funktional, sondern besonders ästhetisch und angenehm unterwegs sein. Deshalb stellt Camping in deren Bewusstsein auch nicht mehr nur eine günstigere Methode des Reisens dar.
Mit ähnlich hohen Ansprüchen steigt auch die Bereitschaft, ähnlich viel Geld wie für konventionelle Reisen auszugeben. Es wird nicht mehr gecampt, weil es preiswerter ist, sondern weil es schön ist. Dieser Trend wird durch die Entwicklung zum Homeoffice vorangetrieben, welche immer mehr Menschen mobiles und standortunabhängiges Arbeiten ermöglicht. Das ist gerade mit Caravaning sehr gut vereinbar.
Ihr sprecht von einer neuen Art des Campings. Was daran ist neu?
Larissa: Wir stehen für eine freiere Form des Campings anstatt eines traditionellen, stationären Konzepts. Wir begreifen Camping vor allem als Sprungbrett in Abenteuer in der Natur, in fremde Kulturen und unbekannte Länder. Offenheit für Kulturen und andere Lebensweisen ist für uns ein essenzieller Bestandteil des Camping-Lifestyles. Unsere Vision ist es, dass es eines Tages eine legale Form des Wildcampens in Deutschland gibt. Wir stehen also auch für einfaches, puristisches und naturverbundenes Camping – und das mit schönem, wohnlichem Design.
„Die junge Camper-Generation möchte nicht rein funktional, sondern besonders ästhetisch und angenehm unterwegs sein.“
Habt ihr den Eindruck, dass sich unter Campern zwei Lager herauskristallisieren, zwischen denen, die eher stationär und traditionell campen und jenen, die neu und unkonventioneller dazukommen?
Bastian: Das würden wir klar verneinen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Camping-Community sehr offen und solidarisch ist und dementsprechend könnten wir uns eine Art Lagerbildung gar nicht vorstellen. Trotzdem glauben wir, dass es unterschiedliche Interessen und Ausprägungen gibt, die mit Sicherheit noch etwas Zeit brauchen werden, bis sie harmonisch nebeneinander existieren können. Ein gewisser Konflikt zeichnet sich beispielsweise darin ab, dass sich ein großer Teil der alteingesessenen Branche gegen Konzepte der privaten, häuslichen Gastwirtschaft ausspricht – auch Kommunen haben tendenziell etwas gegen konträre Linien zur klassischen wirtschaftlichen Hotellerie.
Gleichzeitig bildet Wildcamping eine klare Konfliktlinie, wobei den Jüngeren unterstellt wird, sie wollten nur noch wild campen und würden sich dabei nicht korrekt verhalten. Dieses Klischee von wildcampenden jungen Leuten und Einsteigern halten wir allerdings für wenig glaubwürdig. Auch wir stufen Wildcamping als ein komplexes Thema ein, aber wir sind durchaus der Meinung, dass sich die Branche mit wandelnder Interessenlage auch anders aufstellen muss.
„Das Klischee von wildcampenden jungen Leuten und Einsteigern halten wir für wenig glaubwürdig.“
Welche Camping-Trends zeichnen sich für dieses Jahr ab?
Larissa: Einerseits sehen wir dieses Jahr besonders das Thema Arbeiten und Campen im Kommen, hoffentlich wird das auch von künftigen infrastrukturellen Entwicklungen getragen werden. So könnten beispielsweise Campingplätze Coworking-Spaces integrieren. Wir gehen davon aus, dass sich diese Tendenz immer weiter in der Branche manifestieren wird.
Der zweite große Trend ist für uns klar die Suche nach Alternativen zum klassischen Campingplatz. Das war schon in den letzten Jahren ein großes Thema und wir beobachten, wie diese Frage immer mehr an Relevanz gewinnt. Als Drittes sehen wir die Erschließung neuer Reiseziele durch das Campen, wobei wir das nicht nur für einen reinen Camping-Trend halten, sondern denken, dass diese Entwicklung auch generell in der Reisebranche relevant ist. Für das Camping ist es deshalb so spannend, weil selbst Orte ohne jede touristische Infrastruktur mit einem Camper bereist werden können und einem dies ganz neue Möglichkeiten eröffnet.
Gibt es auch einen Trend im Hinblick auf die Ausstattung der Vans und der Camper?
Bastian: Ja, auf jeden Fall. Wenn man die zugelassenen Camper-Modelle der letzten Jahrzehnte mit den heutigen vergleicht, geht ein Trend ganz klar weg vom Wohnwagen, hin zum Wohnmobil. In dem Bereich Wohnmobil sind nicht mehr primär die großen, vollintegrierten Modelle gefragt, sondern zunehmend die kompakteren Varianten. Außerdem lässt sich noch klar beobachten, dass es immer mehr kleine Anbieter für den Ausbau der Fahrzeuge gibt, viele Camper bauen sich ihre Modelle inzwischen sogar selbst aus. Es gesellen sich also individualistischere Angebote zu den Produkten von Großanbietern.
„Vanlife wird für mehr Menschen eine echte Alternative werden, gerade, da es gut mit vielen New-Work-Entwicklungen kombinierbar ist.“
Wie wird sich Vanlife in den nächsten Jahren weiterentwickeln? Von welcher Entwicklung der Branche geht ihr in den kommenden fünf Jahren aus?
Larissa: Wir denken, dass die Branche insgesamt weiterwachsen wird. Es werden mehr Camper unterwegs sein und entsprechend wird sich auch die Infrastruktur verändern. Das Angebot wird sich dem neuen Anspruch an Individualität und Naturverbundenheit weiter anpassen. Vanlife wird für mehr Menschen eine echte Alternative werden, gerade, da es gut mit vielen New-Work-Entwicklungen kombinierbar ist. Auf Herstellerseite werden sich mit Sicherheit neue, jetzt noch kleine Anbieter etablieren können und in Konkurrenz zu den alteingesessenen Anbietern treten. Generell wird der Fokus weg von „form follows function“ gehen, wobei ein gewisses Maß an Funktionalität natürlich immer erhalten bleiben muss.
Faktoren wie Ästhetik, Wohnlichkeit und Gemütlichkeit werden eine immer größere Rolle spielen. Wir wünschen uns, dass sich die Camping-Gemeinschaft weiterhin als bunte und weltoffene Gruppe entwickelt, in der jeder willkommen geheißen wird und seinen eigenen Weg finden kann. Wir plädieren außerdem für den Bau von staatlich betriebenen Campingplätzen in Naturschutzgebieten, um auch einem gewissen Natur-Bildungsaspekt Rechnung tragen zu können.
In welche europäischen Länder kann man diesen Sommer noch fahren, ohne dass es Kapazitätsengpässe auf den Campingplätzen gibt?
Bastian: Hach, es gibt viel zu viele wunderschöne Reiseziele für einen Trip mit dem Campervan, als dass der Platz hier reichen würde, um sie alle aufzuzählen. Grundsätzlich ist man natürlich gut beraten, eher außerhalb des Hochsommers zu reisen, wenn man es ein bisschen ruhiger und beschaulicher mag. Aber auch in der Hauptreisezeit findet man viele entspannte, schöne Fleckchen Erde! Aus Blickrichtung Hamburg ist Süd-Ost wahrscheinlich die spannendste Himmelsrichtung – Polen, Slowenien, Bosnien, Albanien oder auch Nordmazedonien – alle diese Länder haben wunderschöne, touristisch gänzlich unaufgeregte Ecken zu bieten. Aber auch Nord-Skandinavien ist grade total im Kommen und von Campern nahezu unberührt.
Müssen Plätze außerhalb Europas in den Sommermonaten weit im Voraus reserviert werden? Wenn ja, nimmt das nicht einen der großen Reize des Campings weg, die Flexibilität?
Bastian: Freiheit und Flexibilität sind für uns persönlich essenziell und machen einen Großteil des Reizes beim Campen aus. Daher machen wir selbst eigentlich nie Reservierungen und raten auch unseren Kundinnen und Kunden davon ab. Reservierungen sind auch prinzipiell überhaupt nicht notwendig, solange man nicht unbedingt länger als zwei bis drei Tage an einem bestimmten Platz bleiben will, am besten noch in erster Reihe mit Blick auf das Wasser.
Es kommt halt immer auf die konkrete Vorstellung an, die man von seinem Camping-Trip hat. Aber grundsätzlich findet man immer einen Platz, an welchem man stehen kann, auch spontan, auch mitten in der Hochsaison. Und wenn man sich darauf einlassen möchte, dann können wir das auch nur empfehlen. Für uns ist die Flexibilität hier viel wichtiger als eine hohe Planungssicherheit.
Was macht euer Angebot gegenüber andern Campingverleihen so besonders?
Larissa: Wir haben bei der Konzeption unserer Vans auf unkomplizierte und qualitativ sehr hochwertige Ausstattung gesetzt, die zwar funktionell, aber gleichzeitig auch wunderbar gemütlich ist. Vor allem aber geht es uns darum, dass unsere Kunden ihre eigenen kleinen und großen Abenteuer erleben können und sich dabei in unseren Campern rundum wohlfühlen. Die Idee kam Bastian und mir während einer zweijährigen Weltreise, bei der wir unter anderem in verschiedenen Campern in den USA und Kanada unterwegs waren. In Amerika ist Campen viel trendiger, mietbare Vans sind individuell ausgebaut und begeistern auch junge, hippe Zielgruppen.
Was waren eure schönsten Erlebnisse während eurer Weltreise?
Bastian: Oh, es gab so unglaublich viele! Als erstes wären auf jeden Fall die großartigen neuen Bekanntschaften und Freundschaften zu nennen zu den Menschen, die wir während der Reise kennenlernen durften. Die lange Reise hat uns auf jeden Fall das Vertrauen in die Menschlichkeit zurückgegeben. Wenn wir uns zu einer Art „Top 3“ unserer schönsten Erlebnisse überreden lassen müssten, wären das wohl unsere zehntägige Wanderung im Himalaya, die dreimonatige Reise auf kleinen Motorrädern durch Vietnam und unsere Nationalpark-Hopping-Zeit im Wohnmobil an der Westküste Nordamerikas – hier haben wir „Camping“ nochmal auf eine ganz andere, viel naturverbundenere Art kennenlernen dürfen und letztlich hierdurch auch die Inspiration zur Gründung von VANTOPIA bekommen.