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Expatriates
© goodluz, AdobeStock

Stark unterschätzt: Die Rückkehr aus dem Ausland

Zurück in die Heimat? Das müsste doch ein Kinderspiel sein, denken sich viele Expats und Expat-Familien. Schließlich wagten sie sich vor einigen Jahren in ein fremdes Land und stürzten sich mutig ins Ungewisse. 

Mit einer großen Portion Abenteuerlust, Offenheit und Resilienz und haben die meisten temporär Ausgewanderten sprachliche, kulturelle, emotionale und logistische Hürden überwunden und sind daran enorm gewachsen. Eigentlich sollte sie nichts mehr schockieren. Oder doch?

Die erste Zeit nach der Ankunft fühlt sich für viele Rückkehrende ähnlich wie ein Heimaturlaub an. Vorherrschend ist die Freude über das Wiedersehen von Verwandten und guten alten Freunden. Es wird alles gegessen und ausgekostet, was man im Ausland vermisst hat. Das Umfeld gibt einem noch eine Schonfrist und ist sehr hilfsbereit bei der Eingewöhnung und belastet einen noch nicht mit allzu viel Verantwortung oder Problemen. Diese Phase, in der man alles durch die rosa Brille sieht, hält in etwa zwei bis vier Wochen an.

Der Eigenkulturschock

Bei vielen Rückkehrenden schlägt die gute Stimmung irgendwann jedoch in eine innere Abwehr um, auch Eigenkulturschock genannt. Der Eigenkulturschock ist kein einzelner Moment und kein plötzlicher Schock, sondern vielmehr eine komplexe, zu großen Teilen unbewusste Gefühlslage, die sich über Wochen und Monate hinziehen kann. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Rückkehr eine enorme Veränderung darstellt und jeder Mensch Zeit braucht. Zeit, um alles zu verarbeiten. Raum für die Trauer über den Abschied von Land, Leuten und einer ganz besonderen Lebensphase, in der man persönlich sehr gewachsen ist.

Nicht jeder erlebt so eine Phase und auch die Intensität variiert. Selbst innerhalb einer Familie kann es große Unterschiede geben. Hier gilt es, jedem seinen Freiraum zu lassen und Verständnis füreinander zu haben.

Die Ursachen für den Eigenkulturschock sind vielfältig: Ursächlich kann beispielsweise Stress aufgrund unrealistischer Erwartungen bezüglich der Einfachheit des Einlebens sein oder Stress durch Unterforderung, denn früher war das Leben aufregender. Auch der Verlust der alten „Heimat“ und das Fernweh haben Einfluss. Rückkehrende müssen das unwiederbringliche Ende einer Lebensphase überwinden. Dazu zählen die Trauer über den Abschied von Freundinnen und Freunden, Sprache, Klima, Orten, Privilegien, Status, Lifestyle, Abenteuer und einem Stück neu gewonnener Identität.

Entfremdung und Unverständnis seitens des Umfelds

Was auch belasten kann: Man selbst, aber auch Familie und Freundeskreis haben sich verändert. Es plagen einen Gefühle des Missverstandenwerdens und der ungewollten Ablehnung der anderen, welche den Verlust des alten Lebens nur schwer nachvollziehen können und für die sich durch die Rückkehr der Expats nicht viel verändert hat.

Wer längere Zeit im Ausland lebt, verändert ein Stück weit auch seine Identität, denn man nimmt auch automatisch eine neue Rolle an – beispielsweise die des Expats aus Deutschland. Bei der Rückkehr kann es dann unter Umständen zu Verwirrung über die eigene Identität kommen und man muss sich mit neuen Rollenerwartungen und veränderten Wertvorstellungen auseinandersetzen. All das kann widersprüchliche Gefühle auslösen und das Selbstverständnis infrage stellen.

Manche empfinden auch Angst & Empörung, nun nichts Besonderes mehr zu sein. Denn viele der Kolleginnen und Kollegen in Deutschland haben häufig kaum Interesse an den Erlebnissen ehemaliger Expats und möchten nur wenig von deren Erfahrungen wissen.

Idealisierung der Zeit im Ausland

Ein weiteres für viele ehemalige Expats schwer zu ertragendes Gefühl ist das der Inkompetenz. Nach vielen Jahren im Ausland herrscht oft Unkenntnis über neue gesellschaftliche und berufliche Entwicklungen. Im Ausland hart erarbeitete Fähigkeiten wiederum werden nicht gewürdigt beziehungswiese erscheinen nutzlos. Es wird deutlich, welch unerwartete und vielschichtige Bereiche von der Rückkehr betroffen sind. Oft fehlt einem das Vokabular, um das Gefühlschaos zu beschreiben. Typisch für diese Phase ist auch die Idealisierung der Zeit im Ausland. Mit verklärtem Blick schwärmen Rückkehrende von all den schönen Erlebnissen und blenden dabei alles Negative aus. Ernüchterung setzt ein und die unschönen Aspekte der Heimat stechen jetzt besonders hervor. Statt mit einer rosa Brille schaut man nun durch die Auslandsbrille auf alles, was zur Folge hat, dass man über seine Mitmenschen und die Heimat ungewohnt hart urteilt. „Ich komme mit der Mentalität nicht mehr klar. Diese Unfreundlichkeit ist ja furchtbar! Und die Bürokratie…!“

Ironischerweise erwartet das Umfeld, dass man sich inzwischen eingelebt hat und es einem gut geht. Innerlich hängen Betroffene jedoch noch zwischen den Welten und leiden in dieser Zeit am meisten. Steht dann kein verständnisvoller Gesprächspartner zur Verfügung, fühlen sich viele beschämt und unglücklich. Dabei ist es völlig verständlich, dass man mit sich hadert, denn nach und nach wird das Ausmaß der eigenen Transformation bewusst, man hat sich verändert und die anderen auch. Hinzu kommen Unsicherheiten und das Gefühlschaos, die das Dasein als „kultureller Hybrid“ mit sich bringt. Es plagen einen Zweifel über den Sinn der Entsendung insgesamt.

Die Wiedereingliederung im Unternehmen erfolgt oft unstrukturiert

Die Rückkehrenden kämpfen im Job nicht selten mit Status- und Autonomieverlust. Noch immer gibt es Unternehmen, die es versäumen, den reichen Erfahrungsschatz der Entsandten zu nutzen und auch anderen Mitarbeitenden zugänglich zu machen. Häufig findet sich keine attraktive Stelle nach dem Auslandsaufenthalt und ein nicht unerheblicher Anteil der Rückkehrenden wandert enttäuscht aus dem Unternehmen ab. Statistiken aus den USA sprechen von einer Abwanderungsrate im ersten Jahr von bis zu 50 Prozent (Nery-Kjerfve & McLean, 2012).

Für die mitausgereisten Partner*innen entsteht in dieser Zeit oft ein großer Leistungsdruck bezüglich der eigenen Karriere, denn häufig haben sie ihre eigenen beruflichen Pläne hinten angestellt, um ihrem Partner oder Ihrer Partnerin ins Ausland zu folgen. Die Frage „Und, wann fängst du wieder an zu arbeiten?“ trifft sie oft in die Magengrube. Es gibt nur wenig Verständnis für den großen Kraftakt, den man vollbringt, wenn man seinen ganzen Lebensmittelpunkt in ein anderes Land verlagert und eine Familie sowohl praktisch als auch emotional beim Ankommen unterstützt. Erst wenn alle versorgt sind und sich eine neue Alltagsroutine eingestellt hat, finden die mitreisenden Partner*innen die Ruhe für die eigene Karriereplanung. Ganz oft erleben sie dann den Wunsch nach einer beruflichen Neuorientierung.

Kinder und Jugendliche brauchen viel Verständnis

Für Kinder und Jugendliche stehen die schulische Eingliederung und das Knüpfen neuer Freundschaften im Vordergrund. Oft haben Lehrer*innen und Mitschüler*innen nur wenig Verständnis, wenn sich Lücken in der deutschen Sprache oder Jugendkultur auftun. Für Kinder und Jugendliche kann der Ankommensprozess ebenso komplex und langwierig sein, wie für die Erwachsenen, auch wenn sie es nicht so deutlich zeigen. Hier sollten Eltern im Blick haben, ob Verhaltensauffälligkeiten oder lang andauernde depressive Phasen auftreten und sich professionelle Begleitung suchen. Zu berücksichtigen gilt hier außerdem, dass es nicht für alle Kinder eine Rückkehr in die Heimat ist, zum Beispiel wenn sie bei der Ausreise noch sehr klein waren oder im Ausland zur Welt gekommen sind. Die Verantwortung für das Wohlbefinden der Kinder belastet die Eltern oft zusätzlich in dieser Zeit. Alle Familienmitglieder brauchen verstärkte Aufmerksamkeit und einen liebevollen, verständnisvollen Umgang miteinander in dieser intensiven Phase.

Wie eine gute Reintegration gelingt

Und jetzt kommt die gute Nachricht: Es geht auch wieder vorbei! Früher oder später leben sich die meisten Zurückgekehrten wieder ein und kommen nach und nach auch innerlich an. Dann fühlt sich für sie Heimat wieder vertraut an, sie treffen Bekannte beim Einkaufen, sie haben im Job ihre Rolle wieder gefunden, die Kinder haben sich in der Schule eingelebt, das soziale Netzwerk steht. Wenn sich Routinen und Alltag wieder einstellen, gewinnen die meisten Menschen wieder an Sicherheit und entwickeln mehr Selbstbewusstsein und eine Vision für die Zukunft. In dieser Phase können Heimat und Auslandsaufenthalt aus einer ausgeglicheneren Perspektive betrachtet und reflektiert werden. Es wird deutlich, dass man durchaus das Beste aus beiden Welten beibehalten kann. Es muss kein Entweder-Oder geben, es geht auch ein Sowohl-Als-Auch! 

Wiebke Homborg

Die Autorin

Wiebke Homborg ist Interkulturelle Trainerin, Expat Coach und Mehrfachrückkehrerin. In ihrer Arbeit begleitet sie Fach- und Führungskräfte sowie ihre mitausreisenden Partner*innen in allen Phasen der Auslandsentsendung. Als „Third Culture Kid“ kennt sie das Expat-Leben von Kindesbeinen an und hat später als Erwachsene das Leben im Ausland aus anderen Perspektiven erlebt. Mit dem Feingefühl eines „kulturellen Chamäleons“ unterstützt sie Menschen als Brückenbauerin zwischen den Kulturen.

Homburg ist Teil des Instituts für mobilen Lebensstil, das für alle Familienmitglieder Unterstützung und Begleitung beim Weg ins Ausland bietet. Hierzu zählen Workshops, Einzelcoaching- und auch Gruppencoaching-Formate, in der wir eine dreimonatige Begleitung nach der Rückkehr anbieten, sowohl für Jugendliche als auch für mitausreisende PartnerInnen. 

Emotionale Gesundheit ist für alle Familienmitglieder von mobilen Familien wichtig. Das Institut für mobilen Lebensstil hat sich genau das zur Aufgabe gemacht. 

Mehr Informationen dazu unter
mobile-familien.de.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Mai 2022 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.