„Es gibt wirklich alle Arten von Menschen im Van, die man sich nur vorstellen kann.“
Seit 2017 lebt und reist Viktoria Schmidt im Campervan – ihre Hündin Cleo ist von Anfang an dabei. Was anfangs als kurze Auszeit geplant war, wurde zu einem neuen Leben mit einem neuen Job. Wie das gemeinsame Leben auf vier Rädern ist, verrät sie uns im Interview.
Wie kamst du zum Vanlife?
Viktoria: Ich wollte erst nicht allzu lange reisen. Ich war Architektin mit einem festen Job. Aber dadurch, dass ich das Studium so schnell durchgezogen habe und danach auch direkt ins Arbeitsleben eingestiegen bin, hatte ich nie wirklich eine Auszeit – die wollte ich mir nehmen. Als der dafür passende Zeitpunkt kam, wollte ich eigentlich nur für zwei Monate reisen. Aber das hat mir so gut gefallen, dass ich einfach nicht aufgehört habe.
Du hast dabei aber nicht zum fertigen Wohnmobil gegriffen, sondern eine eigene Lösung gesucht. Inzwischen hast du bereits mehrere Busse ausgebaut. Was ist dir beim Busausbau wichtig? Kommt diese Leidenschaft vielleicht aus dem Architekturstudium?
Viktoria: Überhaupt nicht. Eigentlich wollte ich mir ein Auto holen. Als es noch eine zweimonatige Reise sein sollte, dachte ich, ein Auto sollte reichen. Es gab da aber einen Bus, der war günstiger. Und da habe ich mir gedacht: Gut, ich baue noch ein Bett und eine Küche ein.
„Es hat mich schon früher fasziniert, besondere Wohnlösungen zu finden.“
Aber die Leidenschaft dafür, kleine und clevere Lösungen zu suchen, die kommt vielleicht tatsächlich aus der Architektur. Es hat mich schon früher fasziniert, besondere Wohnlösungen zu finden. Ich mag auch keine Lösungen „von der Stange“. Ich gehe lieber selbst planerisch an die Sache heran und sage: Ich habe da eine eigene Idee, und überlege, wie das aussehen soll und wie ich das umsetze.
Doch mein Architekturhintergrund war nicht der Grund, aus dem ich angefangen habe, oder die Hauptmotivation, noch einen zweiten Bus auszubauen. Es ist auch weniger meine Leidenschaft für die Architektur, durch die ich denke: Juhuu, deswegen baue ich jetzt Busse! Es ist eher: Mist, wegen meiner Leidenschaft zur Architektur kann ich nicht einfach irgendwas Fertiges kaufen. (lacht)
Es ist ja nicht jeder Vanlifer auch ein Architekt.
Viktoria: Und nicht jeder Architekt ist ein guter Handwerker...
Gibt es dieses eine Prinzip, das dir beim Ausbau wichtig ist?
Viktoria: Also ich versuche immer auf Nachhaltigkeit zu achten. Das heißt: Second-Hand-Materialien verwenden, eine nachhaltige, natürliche Dämmung. Und allgemein versuchen, ressourcensparend und Kunststoff vermeidend zu bauen. Es geht nicht komplett nachhaltig, das ist unmöglich. Aber das ist so das einzige Prinzip, was sich durch mein Vanlife zieht, würde ich sagen. Und das dann eben so, dass es gemütlich ist.
„Es gibt wirklich alle Arten von Menschen im Van, die man sich nur vorstellen kann.“
Denkst du, es braucht einen bestimmten Typ Mensch, damit das Vanlife gelingt?
Viktoria: Nein. Ich treffe sehr, sehr viele unterschiedliche Leute: von, denen, die komplett raus aus dem „System“ und völlig frei leben wollen, bis hin zu Menschen, die quasi voll im „System“ sind, aber einfach oft unterwegs sein wollen. Es gibt wirklich alle Arten von Menschen im Van, die man sich nur vorstellen kann. Dass Vanlife so bekannt geworden ist, hat den Lebensstil noch weiter diversifiziert. Denn er ist jetzt auch für viele vorstellbar, die früher niemals so etwas gemacht hätten. Ich glaube also nicht, dass es einen bestimmten Typ Mensch gibt, der man fürs Vanlife sein muss.
Wie lange bleibst du an einem Ort?
Viktoria: Das können ein paar Stunden sein oder zwei Wochen. Es kommt auf den Ort an und darauf, was ich da mache, und auf die Menschen.
Viele reisen ja alleine. Nicht jeder reist aber mit seinem Hund. Wie ist das, mit einem Vierbeiner zu reisen?
Viktoria: Wunderschön! Man ist 24 Stunden am Tag mit dem Hund zusammen, länger also, als man mit einem „Nine-to-five“-Job je sein könnte. Denn es ist ja nicht so, dass man jeden Tag den Hund ins Büro nimmt. Durch das Vanlife lernt man den Hund also sehr sehr gut kennen. Das gleiche gilt übrigens auch für einen Partner, wenn man gemeinsam das Vanlife lebt. Und für den Hund ist es natürlich auch eine ganz tolle Sache, denn bei den meisten Hunderassen ist es ja so, dass sie einfach gerne mit ihrem Menschen zusammen sein wollen.
Im Hochsommer muss man schon darauf achten, nicht vier Stunden im Museum oder Freizeitpark zu verbringen und seinen tierischen Begleiter einfach im Wagen zu lassen. Aber ansonsten merke ich gar keine Einschränkung durch das Tier. Das Ganze ist sehr viel einfacher als es sich manche vielleicht vorstellen.
Eine Freundin von mir hat sogar fünf Hunde in ihrem Bus – und die bemerke ich fast nicht, wenn ich dort bin. Eher außerhalb des Vans. Meine Freundin musste sich auch schon anhören, Hunde bräuchten eigentlich mehr Auslauf – den Einwand kann ich gar nicht nachvollziehen. Denn mehr Auslauf können Van-Hunde doch gar nicht haben. Es ist ja nicht so, dass die Hunde ihren Auslauf innerhalb des Busses haben müssten!
Oft hat man ja den Eindruck, Hunde lieben generell das Autofahren.
Viktoria: Nicht unbedingt! Der Hund einer Freundin fährt beispielsweise nicht so gerne, es stresst sie sehr. Wie beim Menschen kommt es auf den einzelnen Hund an. Bei Cleo und mir hat es sehr gut funktioniert. Bei anderen Hunden ist das Fahren ein Problem. Wieder andere sind sehr territorial – sie kommen also nicht so gut damit klar, dauernd die Umgebung zu wechseln. Aber da muss man eben ausprobieren.
„Wie beim Menschen kommt es auf den einzelnen Hund an“
Was hat dich auf deinen Reisen am stärksten geprägt – im positiven wie im negativen Sinne?
Viktoria: Also, das schlimmste Erlebnis war ein großer Unfall, den Cleo hatte, als sie sich einfach unter einem Auto ausruhen wollte. Wir wissen bis heute nicht, was genau passiert ist. Im Nachhinein vermuten wir, dass das Auto losgefahren ist, sie sich erschrocken hat und dann am Auto gestoßen hat. Plötzlich ist sie einfach kreischend unter dem Auto hervorgerannt. Damals dachten wir: Das war es jetzt mit Cleo. Hinten hat sie gelahmt und ihr Gesicht war total verzerrt. Es war eine Katastrophe, vor allem, weil es mitten im Nirgendwo passiert ist. Wir waren in Tadschikistan und hatten drei Stunden Fahrtzeit zum nächsten Tierarzt, bei 30 km/h Maximalgeschwindigkeit. Das war wahrscheinlich das allerschlimmste Erlebnis, das mir überhaupt je passiert ist.
Es gab aber auch eine Situation, die erst schlimm war, dann aber zu meinem schönsten Reiseerlebnis wurde. Mir ist in Russland einmal die Ölwanne kaputt gegangen, wieder mitten im Nirgendwo. Gegossen hat es auch – in Strömen! Aber es kam eine junge Familie vorbei, die uns aufgegabelt hat. Die hat dann lauter Freunde zusammengetrommelt und gemeinsam machten wir einen Mechaniker ausfindig. Es war eine so schöne Begegnung, dass wir am Ende eine ganze Woche dortgeblieben sind!
„Ich hätte auch keine Sorgen, alleine im Fahrzeug zu übernachten.“
Als Frau allein zu reisen, ist in manchen Köpfen keine Selbstverständlichkeit. Wie hat dein Umfeld auf deinen Entschluss reagiert?
Viktoria: Meine Freunde waren von Anfang an eigentlich begeistert, weil sie alle recht offen sind. Meine Familie war ein bisschen skeptisch, aber auch sie weiß, dass Europa relativ sicher ist. Trotzdem ist es so, dass sie sich natürlich Gedanken macht.
Meinen Eltern wäre es sicher lieber, wenn ich irgendwo einen festen Job in Deutschland hätte und da sicher mein Geld verdienen würde. Aber ansonsten nehmen sie es eigentlich ganz gut an. Dadurch, dass ich es so lange mache, haben sie meinen Lifestyle akzeptiert. Dieses Leben hier lebe ich ja mittlerweile länger als das Leben, das ich direkt nach dem Studium geführt habe.
Gibt es Länder oder Gegenden, die du eher nicht alleine bereisen möchtest?
Viktoria: Ich weiß nicht, ob ich jetzt unbedingt alleine in den Nahen Osten fahren würde. Aber ich hätte keine Sorgen in einer größeren Gruppe. Ich kenne viele, die einfach gemeinsam in die Welt fahren. Ich hätte auch keine Sorgen, alleine im Fahrzeug zu übernachten. Eigentlich gibt es keine Einschränkungen, im Gegenteil: Ich will in Zukunft eher mehr entdecken, mehr sehen.
Aber der Fokus liegt derzeit auf Europa?
Viktoria: Aktuell schon. Ich will auf jeden Fall noch nach Übersee, aber das kann ich mit Cleo einfach nicht machen. Solange sie noch bei mir ist, bleibe ich in Gebieten, die einfacher zu erreichen sind.
Wie finanzierst du dein Vanlife?
Viktoria: Ich bin „aus Versehen“ Content-Creator geworden: Ich erstelle Videos über mein Leben auf Reisen. Dadurch, dass ich Werbung schalte, verdiene ich Geld. Ich habe auch einen Shop – und ein paar weitere Ideen für die Zukunft. An solchen Ideen mangelt es nie, weil ich so frei lebe und so viele Freidenker um mich herum habe. So bekomme ich ständig Input von außen. Dadurch traue ich mich tatsächlich, größer zu träumen als früher.
„Definitiv stand fest, dass ich kein ‚Zurückkommen‘ in den Alltag haben wollte.“
Und Gesundheitsschutz ohne einen bestimmten Wohnsitz, wie geht das? Was ist dir wichtig, was muss man beim Vanlife beachten?
Viktoria: Weil ich anfangs dachte, dass die Reise nicht lange dauern würde, hatte ich erst eine kurzfristige Basisversicherung, die Reiserücktritt und Notfälle abdeckt. Mit der Zeit, etwa während des zweiten Busausbaus, hat sich herauskristallisiert, dass ich in Vollzeit und auch länger unterwegs sein würde. Und dass Reisen nicht nur Freizeit und Spaß bedeuten, sondern dass ich unterwegs auch arbeiten würde. Gleichzeitig wusste ich nicht, wie genau die Reise verlaufen sollte: ob ich auch mal länger in einem Land oder an einem Ort bleibe, mir eventuell eine Wohnung mieten will, was auch immer.
Definitiv stand dagegen fest, dass ich kein „Zurückkommen“ in den Alltag haben wollte. Deswegen bin ich umgestiegen auf den BDAE und die Versicherung Expat Private. Denn mir war zum Beispiel wichtig, auch nach vier Jahren, die ich letztlich unterwegs war, umfangreiche Vorsorgeuntersuchungen machen zu können. Ich wollte generell ein bisschen besser abgesichert sein – auch in Deutschland, falls ich mal Projekte dort habe, falls ich länger bei meiner Familie sein möchte.
Ich habe auch die Anwartschaftsoption von Expat Infinity genutzt. Aktuell sieht es nicht so aus, als ob ich den gesamten Schutz dieser Versicherung brauche, Expat Private reicht für den Moment. Aber falls ich sie mal brauche, habe ich die Wahl.
Du hast auf Youtube auch schon von deinem Traum gesprochen, ein Tiny-House zu bauen.
Viktoria: Ja, ich würde gerne, aber gerade ist der Plan noch ungewiss. Der Stellplatz, den ich für das Haus im Kopf hatte, hat sich gerade in Luft aufgelöst. Aber selbst, wenn ich in Zukunft eins bauen sollte, wäre das eher eine Investition als mein eigener Wohnort. Im Notfall könnte ich dort übernachten, aber meine eigentliche Idee wäre, das Tiny-House als Ferienunterkunft zu vermieten.
Ist die Idee zum Tiny-House ebenfalls aus dem Nachhaltigkeitsgedanken entstanden?
Viktoria: Ja, das Prinzip eines Tiny-House ist genau das gleiche wie bei einem Camper: ein minimalistisches Leben auf kleinem Raum mit kleinen, schönen Lösungen zu ermöglichen. Es gibt zahlreiche Wohnraumlösungen, die clever sind und mit wenig Platz auskommen. Ich habe in WG-Zimmern gelebt, ich habe in Wohnungen gelebt, und ich muss sagen: Das hat mir damals mehr Kopfschmerzen bereitet als ein einzelnes kleines Zimmerchen. Deswegen mag ich dieses alternative Wohnkonzept einfach sehr gerne.
Und ja, es kommt als Faktor hinzu, dass ein Tiny-House sehr viel weniger Ressourcen braucht als ein großes Haus, obwohl das Leben dort genauso schön sein kann. Es eignet sich natürlich nicht für jeden, das verstehe ich. Aber wenn es passt, dann glaube ich, kann es etwas ganz Tolles sein.
Gibt es Orte, an die du zurückkehrst oder mal zurückkehren willst?
Viktoria: Ja, meine Top-Länder sind definitiv Norwegen und Spanien. Gerade von Spanien habe ich nicht allzu viel erwartet, und wurde vor Ort richtig geflasht. Landschaftlich hat Spanien noch so viel mehr zu bieten als seine Mittelmeerküste, wenn man mal ins Landesinnere fährt und in die Berge. Die Menschen sind lustig und die Kultur sehr faszinierend. Das Essen ist natürlich toll.
Russland fand ich auch total beeindruckend, auch weil die Menschen so nett sind. Jeder Reisende, der dort war und mir davon erzählt hat, hat immer von den Menschen geschwärmt.
Kirgistan hat mich landschaftlich total umgehauen, dort hätte ich gerne mehr Zeit verbracht, und ich möchte nochmal dorthin. Und irgendwann fahre ich nochmal die große Russland-Zentralasien-Route, vielleicht mit einem anderen Fahrzeug.
„Es ist wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein.“
Welchen Tipp hast du für Einsteigerinnen und Einsteiger ins Vanlife?
Viktoria: Probiert es vorher aus! Viele Leute sehen nur die schönen Bilder, vor allem auf Social-Media – aber überlegen nicht, ob ihnen auch alle Aspekte dieses Lebens zusagen. Dieses Problem ist aber nicht nur aufs Vanlife bezogen, das kann bei allem ein Problem sein. Influencer machen sich eben zur Aufgabe, etwas gut darzustellen. Sie haben ein Händchen für Optik, für Design. Sie haben die Fähigkeit, die einfachste Sache des Lebens wunderschön darzustellen.
Das bedeutet aber nicht, dass diese Sache auch für einen selbst das Nonplusultra ist. Und nur, weil ich jemand anderes sehe, der mit dem Vanlife überglücklich ist, heißt das nicht, dass ich selbst damit glücklich werde. Bevor man 30.000 Euro in eine Kiste steckt, sollte man also vielleicht ein Fahrzeug mieten und losfahren, um zu sehen, ob das wirklich etwas für einen ist. Es ist wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein.
Über Viki (Vanilla Icedream)
Aus Vikis ursprünglichem Plan, eine kurze Reise zu machen, wurde das Abenteuer Ausland, das bis heute anhält. Ohne Campingerfahrung oder Ausbaukenntnisse ist Viki mit ihrer Hündin Cleo in einen neuen Lebensabschnitt gestartet. Auf ihrer Website und auf Social-Media erzählt Viki von ihrem Leben im Bus und gibt wertvolle Tipps für alle, die selbst die Welt entdecken wollen.