Bei der Betrachtung zahlreicher weltweiter Studien zum Thema Gleichstellung von Frauen fällt auf, dass es auch im Jahr 2021 noch viel Luft nach oben gibt und Frauen längst nicht die gleichen Chancen haben wie Männer. Dabei gibt es aber regionale Unterschiede.
Geht es beispielweise um Gleichstellung im Job, so haben Frauen in Island, Neuseeland und Schweden gute Chancen, einen ähnlich sicheren und gut bezahlten Job zu bekommen wie Männer. Das hat der nun veröffentlichte „Women in Work Index“ der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC ermittelt. Die Untersuchung konzentriert sich auf das Jahr 2020 und bewertet die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen anhand verschiedener Messgrößen wie Einkommensgleichheit, Zugang von Frauen zu Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeitsplatzsicherheit.
Fünf skandinavische Länder in den Top Ten für berufliche Gleichstellung von Frauen
Demnach ist Island mit einer Indexbewertung von 78,3 Punkten der Spitzenreiter für Frauen auf dem Arbeitsmarkt, gefolgt von Neuseeland mit 76,3 und Schweden mit 75,7 Punkten. Deutschland liegt mit 63,8 Punkten auf Rang 19 der 33 untersuchten Länder. Deutschland hat bei den Bedingungen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch aufzuholen.
Die nordischen Länder belegten fünf der Top-10-Plätze. Die größte Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet die Studie für Griechenland (49,9 Punkte), Israel (63,9 Punkte) und Irland (65,3 Punkte), die größte Verschlechterung wurde für Portugal (69,1 Punkte) und Ungarn (63,9 Punkte) ermittelt.
Neben der Länderbewertung zeigt die Studie auch: Ein Anstieg bei der Beschäftigung von Frauen bringt einen deutlichen Wirtschaftszuwachs. Würden alle OECD-Länder beispielsweise mit dem Beschäftigungsniveau von Schweden gleichziehen, läge das kollektive BIP-Wachstum bei sechs Billionen US-Dollar.
China macht Fortschritte bei Gleichstellung von Frauen
Bemerkenswerte Fortschritte hat dem Ranking zufolge China in Sachen Gleichstellung von Frauen gemacht. Im PwC-Gleichstellungs-Index würde die Volksrepublik zwischen der Slowakei (26.) und Japan (27.) rangieren. Dies verdeutliche aber auch, dass es einen erheblichen Spielraum für weitere Verbesserung der Beschäftigungsaussichten für Frauen gibt. In den Jahren von 2012 bis 2017 hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ein kumulatives BIP-Wachstum von über 42 Prozent erreicht, was die wirtschaftlichen Aussichten für beide Geschlechter verbessert hat. In diesem Zeitraum hatte China weiterhin eine der höchsten Quoten bei der Erwerbsbeteiligung (69 Prozent) und der weiblichen Vollzeitbeschäftigung (89 Prozent) in der Welt, insbesondere im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften in der Region. Auch hat sich der Bildungsstand der Frauen verbessert, sowohl die UN als auch die offizielle chinesische Statistik zeigen, dass inzwischen mehr chinesische Frauen als Männer eine Universitätsausbildung erhalten.
Den höchsten Anteil von Frauen in Führungspositionen hat allerdings kein europäisches oder gar skandinavisches Land, sondern Jordanien, gefolgt von St. Lucia, einem Inselstaat in der Karibik, und Botswana. Das geht aus den Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation für 2019 hervor. Spitzenreiter ist Jordanien, wo 62 Prozent aller Führungspositionen mit Frauen besetzt sind. Die Zahlen zeigen aber auch, dass nur fünf von 83 Ländern, welche die International Labour Organization (ILO) meldet, Geschlechterparität in Führungspositionen erreicht haben.
Viele weibliche Führungskräfte in osteuropäischen Staaten
Das ranghöchste europäische Land in Sachen Gleichstellung von Frauen in Führungspositionen ist Weißrussland auf Platz Sechs, gefolgt von Lettland, Moldawien und Russland. Generell sind osteuropäische Länder und ehemalige Sowjetrepubliken in der Rangliste weit oben zu finden, ebenso wie mittelamerikanische Staaten. Die Vereinigten Staaten liegen mit einem Frauenanteil von 40,7 Prozent in Führungspositionen auf Platz 21.
Asiatische und afrikanische Länder rangieren mit einigen Ausnahmen weiter hinten. Die Philippinen sind ein offensichtlicher Ausreißer: Das Land rangiert weltweit auf Platz fünf und erreicht damit sogar Parität im Management. Das nächste große asiatische Land ohne historische Bindungen an Sowjetrussland findet sich erst viel weiter unten in der Liste. Es ist Myanmar auf Platz 39 mit mageren 35,7 Prozent weiblicher Führungskräfte.
Frauen weltweit vor allem in geschäftsunterstützenden Positionen bessergestellt
Die ILO stellt fest, dass Frauen am ehesten Führungspositionen in den Bereichen Personalwesen, Verwaltung, Finanzen, Marketing oder Öffentlichkeitsarbeit bekleiden – Bereiche, die die Organisation als geschäftsunterstützende Funktionen definiert. Der Erfolg weiblicher Führungskräfte auf den Philippinen hängt also mit der starken lokalen Business Process Outsourcing-Industrie zusammen. Frauen sind in der gesamten Branche überrepräsentiert und stellen laut der philippinischen Statistikbehörde sogar zwei Drittel der Beschäftigten in der Datenverarbeitung und etwa drei Viertel derjenigen, die in der medizinischen Transkription arbeiten.
Wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, ist die Welt noch weiter von der Parität entfernt, aber die Philippinen rangieren wieder einmal ganz oben. Laut einer Umfrage von Grant Thornton in 32 Ländern führen philippinische Frauen in Führungspositionen die Liste an, indem sie 43 Prozent der Positionen besetzen. Laut ILO-Ranking liegt der Anteil der Frauen im mittleren und oberen Management des Landes mit nicht einmal 30 Prozent jedoch deutlich niedriger.
Schweden in Europa führend bei Gleichstellung von Frauen
Zurück nach Europa: Der Gleichstellungsindex des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen hat ergeben, dass in Sachen Geschlechterparität noch nicht ausreichend viel getan worden ist. Dieser Index setzt sich aus der Bewertung der EU-Länder in sechs Kategorien in Bezug auf die Geschlechter zusammen: Arbeit, Geld, Bildung, Zeit, Macht und Gesundheit. Hinzu kommen Faktoren wie etwa Gewalt gegen Frauen. Deutschland liegt mit 67,5 von 100 möglichen Punkten auf Rang 13. Wie langsam die Entwicklung voranschreitet, zeigt der Indexwert für die gesamte EU. 2015 waren es 66,2 Punkte, ein halbes Jahrzehnt später 67,9 Punkte. Am fortschrittlichsten ist Schweden (83,8). Am schlechtesten schneidet Griechenland ab (52,2).
Geht es um die Frage, ob bereits genug für die Gleichstellung von Frauen getan wurde, so sind sich die Menschen der einzelnen Nationen nicht einig. Laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos in 26 Ländern sind die Spanier am stärksten der Meinung, dass bereits genug für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern getan wurde. 71 Prozent der Befragten in der Online-Umfrage stimmten der Aussage zu: „Wenn es um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern geht, ist in meinem Land schon genug getan worden“, wobei 74 Prozent der männlichen Befragten diese Antwort gaben.
Unter den zehn Staaten mit den höchsten Zustimmungsraten waren vier lateinamerikanische Länder: Peru, Kolumbien, Mexiko und Argentinien. Weitere Länder, die weit oben auf der Liste standen, waren Malaysia, Indien und Russland. Japan, Großbritannien und Brasilien waren die Länder, in denen die wenigsten Befragten der Meinung waren, dass die Gleichstellung der Geschlechter weit genug fortgeschritten sei. Frauen und Männer in den drei Ländern waren sich einigermaßen einig, dass sie noch einen langen Weg vor sich haben.
Männer öfter der Meinung, dass genug für Gleichstellung getan wurde
Während Männer der Aussage im Allgemeinen eher zustimmten, wurde die größte Diskrepanz bei den Antwortquoten zwischen den Geschlechtern in Südkorea verzeichnet, wo 33 Prozent mehr Frauen der Aussage nicht zustimmten als Männer. Die gleiche Diskrepanz in dieser Fragewar auch in Deutschland (26 Prozent), Schweden (20 Prozent) und den Niederlanden (13 Prozent) erstaunlich hoch.
Malaysia war das Land, in dem die Antworten von Männern und Frauen am nächsten beieinander lagen: 68 Prozent der Frauen und 69 Prozent der Männer sagten, die Gleichberechtigung sei weit genug fortgeschritten.
Trotz der Uneinigkeit in Bezug auf die Dringlichkeit dieses Problems gibt es laut einer weiteren aktuellen Ipsos-Studie eine breite Unterstützung für die Notwendigkeit, die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen langfristig zu überwinden. 36 Prozent der Befragten weltweit (48 Prozent der Deutschen) ist davon überzeugt, dass dieser Punkt ein echtes Problem darstellt – Frauen (41 Prozent weltweit und 52 Prozent in Deutschland) stimmen dieser Aussage wenig überraschend häufiger zu als Männer (31 Prozent). Nur eine kleine Minderheit (acht Prozent weltweit und 13 Prozent in Deutschland) glaubt, dass die Forderung nach gerechter Bezahlung vielmehr ein Beispiel für übertriebene politische Korrektheit ist.
Flexible Arbeitsmodelle nach der Pandemie für Frauen besonders wichtig
Danach gefragt, was die wichtigsten Prioritäten sind, um sicherzustellen, dass bei der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise auch Probleme berücksichtigt werden, die speziell Frauen betreffen, wird am häufigsten der Wunsch nach flexibleren Arbeitsmodellen wie zum Beispiel Homeoffice oder Teilzeit genannt. Sowohl in Deutschland (42 Prozent) als auch weltweit (40 Prozent) halten etwa zwei von fünf Personen diesen Aspekt für besonders wichtig. Dahinter folgen in Deutschland das Thema bezahlte Elternzeit beziehungsweise Einrichtungen zur Kinderbetreuung (33 Prozent) und die Forderung nach mehr Unterstützung für Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt oder Missbrauch sind (30 Prozent). Global gesehen (36 Prozent) spielt das Missbrauchsthema für die Befragten sogar noch eine deutlich wichtigere Rolle, vor allem in der Türkei (56 Prozent), in Südafrika (52 Prozent) und in Peru (51 Prozent).
Allerdings: Eine Mehrheit der Befragten aus 28 Ländern (52 Prozent) glaubt nicht daran, dass sich eine Annäherung in der Gleichstellung von Mann und Frau bemerkbar machen wird, während sich die Welt von Corona erholt. Nur jeder zehnte Befragte (elf Prozent) glaubt, dass sich die Gleichstellung der Geschlechter im kommenden Jahr verbessern wird, ebenso viele (elf Prozent) befürchten sogar eine Verschlechterung.
In Deutschland wird diese Aussicht sogar noch pessimistischer gesehen als im internationalen Durchschnitt: Nur sechs Prozent der Deutschen vermuten, dass sich die Gleichstellung von Mann und Frau nach der Pandemie bessern wird, etwa jeder Zweite (45 Prozent) prognostiziert keinerlei Veränderungen, fast jeder Fünfte (19 Prozent) vermutet, dass die Corona-Krise eher negative Auswirkungen auf die Geschlechtergerechtigkeit haben wird.