Reisen mit dem Wohnmobil beliebter denn je
Mit dem Wohnmobil auf Reisen sein ist ein Trend, der bereits vor der Coronapandemie für Aufmerksamkeit sorgte. Seit 2020, dem ersten Coronajahr, kann sich die Branche vor Anfragen jedoch kaum retten. Das schlägt sich auch in den Zahlen der deutschen Caravaningindustrie nieder. Diese erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 12,5 Milliarden Euro und erreichte damit einen neuen Bestwert. Das entspricht einem ordentlichen Umsatzplus von 6,3 Prozent. Das meldet der Caravaning Industrieverband (CIVD). Die Branche fuhr damit bereits das siebte Jahr in Folge ein neues Rekordergebnis ein. In dieser Zeit hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt.
Vor allem gebrauchte Fahrzeuge gefragt
Der Verkauf von Neufahrzeugen brachte der Branche mit insgesamt 6,5 Milliarden Euro den größten Umsatz ein, allerdings entspricht dies einem Minus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Grund: Die Corona-Pandemie ließ das Produktionsniveau sinken . Der Umsatz im Ausland ging um 6,2 Prozent zurück auf 2,5 Milliarden Euro. Mit dem Verkauf neuer Reisemobile setzte die Branche insgesamt 5,6 Milliarden Euro um und übertraf damit leicht das Rekordniveau aus dem Vorjahr (plus 0,3 Prozent). Der Erlös aus dem Absatz neuer Caravans betrug 900 Millionen Euro – ein Minus von 11,3 Prozent.
Der Markt für gebrauchte Freizeitfahrzeuge legte im vergangenen Jahr erneut stark zu. Entsprechend stieg der Umsatz mit Wohnmobil, Caravan und weiteren Freizeitfahrzeugen aus zweiter Hand um herausragende 18,2 Prozent auf ein neues Allzeithoch von 4,9 Milliarden Euro. Gebrauchte Caravans brachten vier Prozent mehr Umsatz ein als 2019, Reisemobile gar 21,6 Prozent.
© Mihai Tufa
Zubehör für Wohnmobil und andere Freizeitfahrzeuge besonders begehrt
Auch der dritte Geschäftsbereich der Branche, das Zubehörgeschäft, legte 2020 weiter zu. Der Umsatz stieg um 7,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1,1 Milliarden Euro. „Caravaning liegt im Trend wie kaum eine andere Urlaubsform. Wir sind optimistisch, dass wir die Produktion 2021 wieder erhöhen können und auch das Exportgeschäft wieder anzieht. Unter diesen Voraussetzungen winkt ein neuer Rekordumsatz von erstmals über 13 Milliarden Euro“, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes.
Vanlife spricht mittlerweile jede Altersgruppe an. Der Grund: Das Bedürfnis nach Freiheit, Gesundheit und Natur hat seit der Coronapandemie an Bedeutung gewonnen und zu einer grundlegend neuen Reisementalität beigetragen, die sich besonders im Campingsegment bemerkbar macht, konstatiert die Hamburger Camper-Vermietung VANTOPIA. Die Zeiten, in denen Wohnmobil-Reisen eine gewisse Spießbürgerlichkeit und fehlender Komfort zugeordnet wurden, sind lange vorbei, so der Experte fürs Camping. Heute stehe der Urlaub mit dem Van wie kaum etwas anderes für Selbstbestimmung und Individualität fernab des Massentourismus. Tatsächlich habe die ehemals konservative Form des Reisens einen Glamfaktor, was sich in den Begrifflichkeiten „Glamping“ oder eben „Vanlife“ niederschläft.
ADAC rechnet mit hoher Nachfrage nach Wohnmobilen und Campingplätzen ab Frühjahr
Dementsprechend rechnet der ADAC im Frühjahr mit einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Wohnmobilen und Campingplätzen. Sobald Reisen wieder möglich sind, spricht vieles für die erneute Favorisierung des individuellen, distanzbewussten Campingurlaubs. Als bevorzugtes Reiseziel dürfte Deutschland wieder hoch im Kurs stehen.
Dass Camping trotz Corona im Trend liegt, belegen die Aufrufzahlen bei PiNCAMP, dem ADAC Campingportal. Insgesamt gab es 2020 über dieses Portal sowie über die ADAC Camping- und Stellplatz App über 52 Millionen Seitenaufrufe von mehr als 5,8 Millionen Campern. Dies entspricht einer Steigerung von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insbesondere die deutschen Destinationen waren im Corona-Jahr stark nachgefragt, die Seitenaufrufe haben sich dort ab dem verspäteten Saisonstart mehr als verdreifacht. Mit insgesamt rund 26.000 Reservierungsanfragen sowie 3,4 Millionen Klicks von PiNCAMP zu den Homepages der Campingplätze konnte das Campingportal ein Plus von 28 Prozent erzielen.
Campingurlaub früh planen und reservieren
Uwe Frers, Geschäftsführer der ADAC Camping GmbH, empfiehlt auch für die kommende Saison, sich möglichst frühzeitig zu entscheiden: “Wir erwarten 2021 eine extrem hohe Nachfrage für Camping. Wir raten zur Vorabreservierung im Internet. Wer ohne Vorabbuchung losfährt, läuft Gefahr, seinen Campingurlaub auf dem Parkplatz eines voll belegten Campingplatzes zu verbringen.”
Auch die ADAC Wohnmobilvermietung verzeichnete 2020 unmittelbar nach Ende des ersten Lockdowns ein sprunghaft steigendes Besucherinteresse auf der Buchungsplattform. Dieser Trend hielt bis Ende des Jahres an. Auslöser für dieses Wachstum war der hohe Informationsbedarf zum Thema Individualurlaub in Corona-Zeiten.
„Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Individualurlaub konnte 2020 im Bereich Wohnmobil ein deutliches Wachstum an Besuchern gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden“ sagt Tobias Ruoff, Geschäftsführer der ADAC Autovermietung GmbH. „Auch die Anzahl der sogenannten ‚Erstcamper‘ ist im zurückliegenden Jahr stark angestiegen. Wohnmobilurlaub liegt voll im Trend.“
Das Wohnmobil wirkt nicht mehr spießig
Auch der Wohnmobil-Vermieter Indie Campers glaubt, dass die Pandemie zu einem bislang nie dagewesenen Boom von Camping-Reisen geführt hat und somit neue Reisetrends mit sich bringt. Basierend auf Umfragewerten, Erfahrungswerten der letzten Jahre und Expertise in der Tourismusbranche, erwartet die Wohnmobilvermietung Indie Campers den Trend eines naturverbundenen, individuellen Urlaubs, der nicht nur während der „klassischen“ Urlaubszeit stattfinden wird, sondern auch außerhalb der üblichen Reisezeiten. Mobiles Arbeiten und flexiblere Arbeitszeitmodelle ermöglichen dies. Damit könne auch Massentourismus zu bestimmten Stoßzeiten verhindert werden.
Da die Deutschen nun sehr viel Zeit in Isolation und Einschränkung der sozialen Kontakte gelebt haben, werden ihnen in Zukunft die Reisebegleitung und gemeinsame Erfahrungen wichtiger sein als je zuvor. Reisen werden zunehmend genutzt, um Verbindungen zum engeren Familienkreis und Freunden wieder aufzubauen. Indie Campers beobachtete diesen Trend bereits im letzten Jahr, als Familienreisende zum ersten Mal den größten Teil ihrer Kundenbasis ausmachten. Außerdem werden Trips in die Natur, das heißt abseits des Massentourismus, sowie Outdoor Aktivitäten an Attraktivität für viele Urlauber gewinnen.
Während der Trend in der Vergangenheit eher Richtung exotische Fernreisen ging, stellt Indie Campers nun fest, dass eine erhöhte Nachfrage nach Inlandsreisen besteht und vorerst auch bestehen bleibt: Gingen die Reisen der deutschen Kunden im Jahr 2019 noch größtenteils ins europäische Ausland, nutzten sie in 2020 die bestehenden Möglichkeiten, Orte im eigenen Land zu erkunden. Insgesamt ist die Anzahl der deutschen Buchungen innerhalb von Deutschland um 450 Prozent gestiegen.