Menschen heute fitter im Kopf als vor 100 Jahren
Die kognitive Leistungsfähigkeit eines jetzt geborenen Menschen ist signifikant höher als noch vor rund 100 Jahren. Laut Forschern der Universität München (LMU) folgt diese einem Altersprofil, das zunächst ansteigt und ab etwa Mitte 40 den Höhepunkt erreicht. Dieses Altersprofil hat sich über die vergangenen 125 Jahre verändert. Später Geborene sind im Schnitt kognitiv leistungsfähiger.
Daten von 125 Jahren
"In unserem empirischen Modell greifen wir auf Daten aus dem professionellen Schachspiel zurück, das paradigmatisch für Kopfarbeit ist", so LMU-Forscher Uwe Sunde. Der Vorteil: Es gibt Datenbanken, die sämtliche Turnierspiele der Schachweltmeister gespeichert haben, und das 125 Jahre zurück. Vergleicht man die einzelnen Schachzüge eines Spielers mit denen eines leistungsfähigen Schachcomputers, kann man etwas über die kognitiven Fähigkeiten ableiten, erklärt der Wissenschaftler.
Der Computer berechnet für jede Stellung auf dem Brett den idealen Zug. Die aus diesem Vergleich mittels mathematischer Berechnungen abgeleitete kognitive Fähigkeit lässt sich nicht nur für einen bestimmten Zeitpunkt bestimmen, sondern solange der Schachspieler aktiv war. Und weil die Daten 125 Jahre zurückreichen, können die Experten auch sagen, ob und wie sich die kognitiven Fähigkeiten von Profi-Schachspielern über die Zeit verändert haben. Das empirische Modell der Forscher nutzt Daten von über 24.000 Schachpartien zwischen 1890 und 2014 mit mehr als 1,6 Million Zug-für-Zug-Beobachtungen.
Vorsicht bei Interpretation
Bei der Interpretation der Daten ist laut den Forschern allerdings Vorsicht geboten: "Das Problem: Professionelle Schachspieler hören ab einem gewissen Alter auf, öffentlich bei Turnieren zu spielen, weil sie nicht mehr gut genug sind", schränkt Sunde ein. Deshalb würden sogenannte Selektionseffekte die Berechnungen verzerren, so dass man etwa ab dem Alter von 50 Jahren vorsichtig bei der Interpretation des Modells sein sollte. "Wahrscheinlich würde die Kurve der kognitiven Leistungsfähigkeit etwas stärker abfallen, wenn wir weniger Selektion hätten, also die Spieler ihr Leben lang öffentlich Spiele absolvierten", resümiert Sunde.