ICD-Codes auf Arztrechnungen: Das verbirgt sich dahinter
Jeder Deutsche, der schon mal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, also den gelben Krankenschein, in der Hand hatte, hat möglicherweise schon mal unter dem Punkt „Diagnose“ eine bestimmte Buchstaben-Ziffernfolge gesehen, der wie ein geheimer Code daherkommt. Um einen Code handelt es sich tatsächlich, geheim ist er aber nicht. Dennoch ist er nicht ganz so leicht zu entschlüsseln und dann auch noch zu verstehen. Wer sich aber einmal intensiver damit beschäftigt hat, dem hilft dieser Code nicht nur dabei, vom Arzt gestellte Diagnosen besser zu verstehen, er bietet möglicherweise auch eine Hilfe bei der Kommunikation mit medizinischem Fachpersonal im Ausland.
Hinter dem Kürzel ICD verbirgt sich die Internationale Klassifizierung der Krankheiten (auf Englisch: International Statistic of Diseases and Related Health Problems). Sie ist das wichtigste globale Klassifizierungssystem für medizinische Diagnosen und weltweit anerkannt und im Gebrauch. Die dahinter stehende Auflistung von anerkannten Krankheiten wird regelmäßig aktualisiert. Die derzeit gültige internationale Ausgabe ist die ICD-10 in der Version von 2019. Auch wenn das eigentliche Ziel der Codierung eine weltweite Vereinheitlichung ist, erstellen manche Länder ihre eigenen Ausgaben. Eine Ausnahme bilden etwa die USA, welche für die Meldung von Krankheiten eine eigene nationale Variante von ICD-10 verwendet. Diese wird als ICD-10 Clinical Modification (ICD-10-CM) bezeichnet.
Das Grundgerüst ist allerdings stets gleich, nur in einigen Einzelheiten gibt es aber Unterschiede: Zum einem dienen die Buchstaben-Zahlen-Folgen dazu, die Ursachen eines Todes zu beschreiben. Sie sind überall gleich, deswegen gilt für den Bereich der Sterbestatistik die international identische Ausgabe der Weltgesundheitsorganisation. Zum anderen verwenden Mediziner den Abkürzungskatalog für die Abrechnung von Leistungen mit den Krankenkassen. Das Verfahren dafür läuft in jedem Land anders ab. Eine vollständige Vereinheitlichung ist dabei praktisch unmöglich.
Das ICD-10-Register wird zudem stets aktualisiert. Die Version von 2019 beispielsweise hat unter anderem neue Schlüsselnummern zur Zikavirus-Krankheit hinzugefügt sowie zur Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität mit Beginn in der Kindheit und Jugend, zum komplexen regionalen Schmerzsyndrom und zur Differenzierung nach Typen bei Reizdarmsyndrom und Obstipation. Die derzeit aktuellste Fassung wurde Anfang 2020 veröffentlicht und hat unter anderem die HIV-Präexpositionsprophylaxe neu aufgenommen.
Auch bei Sprachproblemen Diagnose richtig lesen können
Bei ärztlichen Untersuchungen verwenden Mediziner zur Dokumentation der Diagnose weltweit die ICD-Schlüsselnummer, so dass Patienten auf den Rechnungen selbst nachsehen können, welches Krankheitsbild bei ihnen festgestellt worden ist. Für Expats, Auswanderer und Reisende kann dies insofern eine Hilfe sein, als sie trotz Sprachbarrieren und damit einhergehenden Verständigungsproblemen einen gemeinsamen sprachlichen Nenner für ihre Erkrankung haben. Ein Beispiel: "J12" etwa bedeutet, der Patient hat eine Lungenentzündung. Bei "E11" reagieren die Körperzellen nur unzureichend auf Insulin, die Betroffenen sind Typ-2-Diabetiker. Insgesamt gibt es 22 Hauptkategorien, die sich nochmals in zahlreiche Unterkategorien aufteilen
Historischer Hintergrund: Als Urheber des heute verwendeten ICD-Codes gelten die britische Krankenschwester und Statistikerin Florence Nightingale sowie William Farr, ein Pionier der Epidemiologie und Statistik. Während des Krimkrieges versuchte Nightingale Beobachtungen an erkrankten und sterbenden Soldaten statistisch festzuhalten. Dabei wandte sie evidenzbasierte Techniken an, wie zum Beispiel Überwachung und Prävention durch Infektionskontrolle. Dank William Farr nahm sie 1860 am Internationalen Statistikkongress teil, wo sie sich für „das erste Modell für die systematische Sammlung von Krankenhausdaten unter Verwendung einer einheitlichen Klassifikation von Krankheiten und Operationen" einsetzte, "das die Grundlage für den heute verwendeten ICD-Code bilden sollte.
Im Jahr 1891 führte der französische Arzt und Wissenschaftler Jacques Bertillon eine alphanumerische Methode zur Klassifizierung von Krankheiten ein, welche die Krankheit nach anatomischem Ort und Todesursache einbezog. Im Jahr 1948 wurde die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der Koordination des ICD betraut und richtete das „WHO-Zentrum für die Klassifikation von Krankheiten" ein.