Skip to main content
Rechtliches
© Denys Rudyi, AdobeStock

Gutschein-Lösung bei Reisen: Das bedeutet sie für Verbraucher

Mit einer Gutscheinlösung versucht die Flugreise-Branche, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern. EU-Recht und Verbraucherschutz stehen dem zurzeit entgegen.

Die Idee hinter der rettenden Gutscheinlösung ist simpel: Wer für später eine Gutschrift annimmt, statt sich die Kosten erstatten zu lassen, belässt so Kapital bei den Betrieben. Dadurch soll nach der Corona-Krise die Erholung der Branche leichter von der Hand gehen. Allerdings befinden sich oft nicht nur die Fluggesellschaften, sondern auch die Verbraucher selbst in einer finanziellen Notsituation. Sie können es sich dann vielleicht nicht leisten, sich solidarisch mit der Flugbranche zu zeigen, indem sie einen Gutschein statt einer direkten Geldzahlung annehmen.

Grundsätzlich gibt die EU-Fluggastrechte-Verordnung dem Verbraucher das Anrecht auf Kostenerstattung: Wer einen Flug gebucht hat und nicht reisen kann, weil der Flug gestrichen wird, hat demnach die Wahl zwischen einer Umbuchung und der Erstattung des Ticketpreises. Es spielt keine Rolle, ob es sich bei der Annullierung um einen Flug für den nächsten Tag oder den nächsten Monat handelt. Die Europäische Kommission stellt hier Informationen zu den Fluggastrechten (speziell im Corona-Fall) zur Verfügung.

Verantwortlich für die Erstattung ist die jeweilige Fluggesellschaft oder der Reisevermittler. Zum Beispiel das Reisebüro oder der Online-Vermittler, bei dem das Ticket gekauft wurde. Die Fluggesellschaft kann Reisenden selbstverständlich einen Gutschein anbieten, jedoch müssen Passagiere diesen nicht akzeptieren und können auf einer Auszahlung bestehen – die dann binnen einer Woche erfolgen soll.

Die Bundesregierung plädiert für eine Gutscheinlösung und befindet sich deswegen seit Wochen in Verhandlungen mit der EU. Ziel ist es, das Annehmen von Gutscheinen zumindest vorübergehend zur Pflicht zu machen. Die EU-Kommission hat bisher Schreiben von insgesamt sieben Mitgliedstaaten erhalten, die sie auffordern, die europäische Gesetzgebung zu den Passagierrechten zu ändern – doch Brüssel bleibt bei der bisherigen Regelung, Fluggästen die Entscheidung freizustellen. Trotzdem versucht die Bundesregierung weiter, eine europarechtskonforme Gutscheinlösung zu finden.

Gegenwind von Verbraucherschützern

Verbraucherschützer unterstreichen, dass eine Gutscheinlösung, die inzwischen viele Unternehmen auch in anderen Branchen anbieten, auf Freiwilligkeit basieren müsse. Denn wenngleich der massenweise Verzicht auf Kostenerstattung die Flugbranche entlasten würde, stünden viele Reisende durch die Corona-Krise selbst vor finanziellen Engpässen und seien darauf angewiesen, sich das Geld erstatten zu lassen, statt einen Gutschein anzunehmen.

Und auch das Portal Flightright, das sich für Fluggastrechte stark macht, äußert klare Kritik an der Gutscheinlösung. “Die Regelungen sind klar: Wer keine Leistung bekommt, muss auch nicht zahlen. Wenn Airlines versuchen, Kunden mit Gutscheinen abzuspeisen, verstoßen sie damit eindeutig gegen geltendes Recht”. Das erläutert Oskar de Felice, Rechtsexperte bei Flightright.

Außerdem können Gutscheine oft nur in einem bestimmten Zeitfenster eingelöst werden. Hinzu kommt, dass Kunden bei der Gutscheinlösung das Insolvenzrisiko der Airline tragen: Wenn sie pleitegeht, nütze der Gutschein nichts mehr, erläutert Flightright in einer Pressemitteilung.

„Die Fluggastrechte dürfen nicht einfach so ‚weggeschenkt‘ werden. Das wäre ein schlechter Tag für Verbraucher“, so Flightright-Gründer Philipp Kadelbach. Das Portal hat einen Online-Assistenten eingerichtet, der Passagieren bei der Erstattung ihrer Kosten helfen soll.

RECHTLICHES AdobeStock 251409911© encierro, AdobeStock

De facto werde EU-Recht ignoriert

Viele Fluggesellschaften ignorierten die Wahlfreiheit bei Erstattungen und benachteiligten Passagiere damit in unfairer Weise finanziell, bemängelt Flightright. So habe beispielsweise Lufthansa die Möglichkeit zur Erstattung auf der Website deaktiviert und mehrfach öffentlich verkündet, nur noch Gutscheine anzubieten.

Kritik übt auch der Verband Internet Reisebetrieb (VIR) in einer Stellungnahme. „Nur wenige Airlines gestatten derzeit noch einen Refund auf normalem Wege“, erläutert VIR-Vorstand Michael Buller. Die Erklärung, dass Systeme überlastet gewesen seien, lässt er nicht gelten. „Dies ist eine völlig an den Haaren herbeigezogene Argumentation.“

Der VIR-Vorstand fordert die Airlines dazu auf, ihre Systeme umgehend wieder hochzufahren und dem Vertrieb verfügbar zu machen. Andernfalls, so fürchtet der Verband, gerieten etwa Reiseagenturen und Ticket-Vertreiber unverdient in die Kritik. „Die Vertriebspartner geraten zum aktuellen Zeitpunkt völlig zu Unrecht in die Rolle der Buhmänner“, so der Verbandschef. „Es ist eine große Enttäuschung für die gesamte Branche, dass genau jene, die unmittelbar große Hilfen erhalten haben, sich derart verhalten.“

Die Europäische Kommission hat unterdessen ihre Empfehlungen zu Corona-bedingten Anpassungen im Reiserecht vorgestellt. Demnach sollte es in den EU-Ländern eine für Reisende freiwillige Gutscheinlösung, nicht jedoch Zwangsgutscheine geben.

Gutscheine, die auf Wunsch des Kunden statt einer Erstattung des Reisepreises ausgestellt werden, sollten zudem gegen Insolvenz abgesichert sein. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Kunden im Falle einer Unternehmenspleite nicht auf dem Gutschein sitzen bleiben. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßt die Empfehlung der Europäischen Kommission und fordert die Bundesregierung auf, nun schnell einen Reisesicherungsfonds einzuführen.

Die Tourismusindustrie befindet sich in einer schwierigen Lage. Dafür zeigt die Europäische Kommission Verständnis und zeigt Lösungswege auf, wie freiwillige Gutscheine attraktiver gemacht werden können. Sie macht auch klar, dass es haushaltsrechtlich die Aufgabe der Mitgliedsstaaten ist, finanziell Abhilfe zu schaffen.

Trotz Grenzöffnungen ist Auslandsurlaub unklar

Für Reisewillige gibt es jedoch weiterhin keine eindeutig positiven Signale. Zwar hat die Bundesregierung angekündigt, dass die Grenzen vorsichtig und teilweise geöffnet werden sollen. Reisen aus touristischen Gründen werden aber weiterhin nicht möglich sein. Weltweit gilt eine Reisewarnung bis zum 14. Juni 2020. Damit ist nicht klar, ob der gebuchte Sommerurlaub im Ausland stattfinden kann. Aus heutiger Sicht sei die Wahrscheinlichkeit nach wie vor hoch, dass die Umstände der Covid-19-Pandemie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Reisen im Sommer führen werden.

Reisende stehen nun vor der Frage, ob, für welches Reiseziel und wann sie ihre Pauschalreise ins Ausland selbst kostenfrei stornieren können. „Einige Reiseveranstalter verweigern die kostenfreie Stornierung. Tatsächlich ist dieses Recht aber unter anderem von der Prognose darüber abhängig, ob und wie eine gebuchte Reise überhaupt möglich sein wird. Diese Prognose kann sich jederzeit ändern. Ich rate daher dringend, sich bei fachkundigen Anwälten oder den Verbraucherzentralen vor Ort über etwaige Stornierungsmöglichkeiten eingehend zu informieren“, empfiehlt Klaus Müller vom vzbv.

Der Verband fordert von der Bundesregierung, offizielle Reisewarnungen künftig spätestens 35 Tage vor dem entsprechenden Zeitraum bekannt zu machen. Eine Pflicht zur Zahlung der zweiten Rate einer Reise darf es unter diesen Umständen nicht vier Wochen im Voraus geben.

Hygieneregeln für Hotels müssen europaweit einheitlich sein

Zudem seien europaweit einheitliche Standards für Hygieneregeln in Hotels wichtig, um Reisen in Europa zu ermöglichen. Reiseveranstalter und Reisebüro sollten jedoch ausdrücklich auf diese Regeln hinweisen. Diese müssten möglichst einheitlich und verständlich, vor allem aber verlässlich sein. „Es muss klar sein, dass es zu Einschränkungen kommt und ein Urlaub nicht mehr das gleiche Erlebnis sein wird, wie vor der Corona-Krise“, so Müller weiter. Über Einschränkungen müsse bei Buchung transparent und ehrlich kommuniziert werden.

Während die Reisebeschränkungen innerhalb der EU immerhin schrittweise gelockert werden, sind Geschäftsreisen und Mitarbeitereinsätze in anderen Weltregionen oftmals unmöglich. Fast alle Staaten haben infolge der Coronakrise die Einreisebedingungen drastisch verschärft.

Der internationale Luftfahrtverband (IATA) hat auf seiner Webseite eine aktuelle Übersicht veröffentlicht, welche Länder Flüge zulassen und welchen Gruppen die Einreise gestattet wird.