Wer Dr. Google fragt, tut seiner Gesundheit nichts Gutes
64 Prozent der Menschen in Deutschland nutzen laut Eurostat das Internet zur Beschaffung von gesundheitsrelevanten Informationen – das sind über 20 Prozentpunkte mehr als vor zehn Jahren. Damit liegen die Bundesbürger auf Rang Drei. Nur die Niederländer (72 Prozent) und die Dänen (66 Prozent) suchen häufiger Rat bei „Dr.“ Google. Allerdings ist die Neigung, Gesundheitsthemen online zu recherchieren, hierzulande schon seit 2015 nicht mehr gestiegen. Das liegt vielleicht auch daran, dass das Internet bislang nur bedingt zuverlässige Informationen liefert. Abhilfe könnte hier der digitale Arztbesuch schaffen. In diesen Markt drängen nun die großen Krankenhausbetreiber wie Fresenius. Das Problem dabei: Ferndiagnose ist den Deutschen suspekt.
Schon fünf Minuten Suche sind schädlich
Die globale Suchmaschine bei Krankheitssymptomen um Rat zu fragen, kann allerdings die psychische Gesundheit schädigen. Schon fünf Minuten Suche auf Google zu individuellen Krankheitssymptomen wirkt sich negativ auf die Psyche und das generelle Wohlbefinden aus. Zu dem Schluss kommen Forscher der Universität zu Köln in ihrer aktuellen Studie. Details sind in der Ausgabe 02/2020 der „Zeitschrift für Psychologie“ nachzulesen.
Die Wissenschaftler ließen vorrangig junge Erwachsene im Alter von durchschnittlich 23 Jahren fünf Minuten lang persönliche Symptome im Internet suchen. Obwohl in dieser Altersgruppe das Risiko für eine Krankheitsangststörung üblicherweise gering ist, gaben die Probanden direkt nach der Suche an, sich nun mehr Sorgen über ihre Gesundheit und die Krankheitssymptome zu machen.
Sorgen werden verstärkt
Dabei führte das gezielte Googeln zu größerer Besorgnis, wenn die Teilnehmer bereits zuvor über eine negative Stimmung berichtet hatten. Die nachteiligen Folgen der Internetrecherche zeigten sich nicht nur, wenn Studienteilnehmer auf Internetseiten landeten, die über besonders gravierende Krankheiten informierten. Auch bei Webseiten mit zurückhaltenden, moderaten Auskünften zu Symptomen steigerte sich das Unwohlsein der Probanden.
Im Internet nach Symptomen und Krankheitsbildern zu suchen, ist normal geworden. 46 Prozent der Deutschen recherchieren laut der Bertelsmann Stiftung regelmäßig zu Gesundheitsthemen im Web. Die Stiftung hat einen Ratgeber dazu herausgegeben, der hier heruntergeladen werden kann. Das Internet liegt quantitativ gesehen im vorderen Bereich der genutzten Quellen, gleichauf mit kostenlosen Broschüren und Zeitschriften von Krankenkassen, Apotheken und ähnlichen Herausgebern (je 46 Prozent).
Die Vermutung, dass das Netz bei den Deutschen bereits auf Platz Eins liegt, ist aber nicht zutreffend. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dies jedoch in Kürze eintreten, wenn die hier noch zurückstehenden Angehörigen der Ü60- und Ü70-Generationen bei der Webnutzung aufgeholt haben.
Persönliche Kommunikation schlägt Dr. Google aktuell (noch)
Hervorzuheben bleibt, dass die persönliche Kommunikation, mit medizinischen Professionals ebenso wie im persönlichen sozialen Umfeld, immer noch eine überaus große Rolle spielt. Würde man die in den vier Items der Fragenbatterie genannten persönlichen Adressaten addieren, wäre dies sogar die mit weitem Abstand am häufigsten (kumuliert 150 Prozent) genannte Quelle.
Ganz oben auf der Liste der genutzten Quellen im Internet (von 72 Prozent der Befragten) stehen Online-Lexika und „Wikipedia“. Gesundheitsportale (42 Prozent) sind ebenfalls hoch im Kurs und auch Internetseiten von Krankenkassen (49 Prozent). Offensichtlich wissen Nutzer, dass Kassen hier seit einiger Zeit ebenfalls gesundheitsbezogene und medizinische Informationen publizieren und ihre Websites damit einer Enzyklopädie recht nahekommen.
Bertelsmann-Studie: „Das Internet: Auch Ihr Ratgeber für Gesundheitsfragen?“
Mangelhafte Gesundheitskompetenz („Health Literacy“) wurde in den vergangenen Jahren in vielen Studien als neues Krankheitsrisiko entdeckt. Konkret beschreibt eine unzureichende Kompetenz in diesem Zusammenhang etwa folgende Merkmale: Von Ärzten ausgegebene Informationen oder auch Beipackzettel für Medikamente und dort formulierte Verhaltensanweisungen werden nicht richtig interpretiert und umgesetzt, körperliche Symptome und Krankheitsvorboten werden unterschätzt und umgekehrt Werbebotschaften allzu wörtlich genommen.
Zum Konzept der Gesundheitskompetenz gehören aber auch komplexere Fähigkeiten, etwa sich im medizinischen Versorgungssystem zurechtzufinden, sich fundiert für oder gegen eine Früherkennungsuntersuchung zu entscheiden oder Risiken und Nutzen unterschiedlicher Therapien korrekt einzuschätzen. Vor diesem Hintergrund hat die Bertelsmann Stiftung eine Studie herausgegeben, die sowohl die Nutzung und Verbreitung von Internetinformationen zu gesundheitlichen Fragen untersucht als auch zwei Befragungen beinhaltet: eine qualitative Befragung mit Tiefeninterviews sowie eine repräsentative Bevölkerungsumfrage.