Mitarbeitereinsatz in Vietnam: Wachstum zu guten Bedingungen
Vietnams Wirtschaft wächst beständig und davon profitiert auch EU-Handelspartner Nummer 1 Deutschland. Etwa 300 deutsche Unternehmen haben aktuell eine Niederlassung bei einer gesamten Investitionssumme von rund 1,6 Milliarden Euro. Das Mitte 2019 unterzeichnete Freihandelsabkommen der EU mit Vietnam, das im ersten Halbjahr 2020 in Kraft treten wird, soll einen weiteren Schub hinsichtlich der deutsch-vietnamesischen Handelsbeziehungen geben. Weil in China die Lohnkosten immer weiter steigen, verlagern immer mehr fertigende ausländische Unternehmen ihre Produktion in das derzeit noch günstigere Vietnam.
Wachsende Branchen, an deren Ausbau sich deutsche Unternehmen beteiligen, sind vor allem der Medizintechnik-Sektor, der Bereich der IT-Infrastruktur und die Bauwirtschaft. So erwartet die vietnamesische Regierung in diesem Jahr beispielsweise eine Urbanisierungsrate von 45 Prozent. Vor allem die Ein-Personen-Haushalte in den Großstädten Hoh Chi Minh Stadt und Hanoi wachsen und machen bereits jetzt zehn Prozent aller Wohnungshaushalte im Land aus. Auch der dringend benötigte Ausbau von Krankenhäusern (aktuell kommen auf 1.000 Einwohner nur knapp 2,5 Krankenhausbetten) und die Digitalisierung gehen weiter voran.
Um neue Niederlassungen aufzubauen, schicken deutsche Firmen regelmäßig Expatriates nach Vietnam. Das gleiche trifft für technische Experten und strategische Posten, speziell in der Gründungsphase von ausländischen Gesellschaften, zu. Aber auch lokale Arbeitskräfte sind unverzichtbar – etwa für Kontakte zu Behörden und zu vietnamesischen Kunden. Unternehmen, die eine Repräsentanz in Vietnam aufbauen wollen, können zunächst ein Geschäftsreise-Visum beantragen, das bis zu einem Jahr gültig ist. Nach der Einreise besteht die Option, eine Aufenthaltserlaubnis von bis zu drei Jahren ausgestellt zu bekommen.
Voraussetzung für die Erteilung eines Geschäftsvisums, das auch für Dienstreisen von mehr als 15 Tagen benötigt wird, ist die Benennung eines vietnamesischen Geschäftspartners, der eine Einreisegenehmigung bei der örtlich zuständigen Behörde in Vietnam beantragt. Erst wenn eine solche Einreisegenehmigung mit entsprechender Referenznummer vorliegt, kann ein Visum bei der vietnamesischen Botschaft in Deutschland beantragt werden.
Keine Arbeitserlaubnis notwendig für qualifizierte Fachkräfte
Im Grunde benötigen alle ausländischen Arbeitnehmer in Vietnam eine Arbeitserlaubnis (Work Permit). Doch seit 2016 gibt es eine Lockerung (Decree No. 11/2016/ND-CP), die es qualifizierten Arbeitnehmern aus dem Ausland leichter macht. So müssen diese keine Arbeitserlaubnis mehr beantragen, wenn sie über einen Bachelorabschluss verfügen und seit mindestens drei Jahren als Experte, Manager oder in einem technischen Beruf für ein ausländisches Unternehmen tätig waren. Das schließt auch Manager ein, die im Sinne des Enterprise Law agieren, etwa Inhaber einer Ein-Personen-Limited Liability-Company oder Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft.
Auch bei firmeninternen Entsendungen nach Vietnam in eine vietnamesische Tochtergesellschaft ist keine Arbeitserlaubnis erforderlich, wenn es sich um eine von elf festgelegten Dienstleistungsbranchen handelt – darunter Beratungs- und Finanzdienstleistung, Bauwirtschaft, Transport und Logistik, Tourismus, Kultur und Bildung. Wichtig: Das entsendende Unternehmen muss eine Bescheinigung der Freistellung für den entsandten Arbeitnehmer beim Department of Labor, War Invalids and Social Affairs beantragen (Artikel 8 des Decrees) beantragen.
Novelliertes Sozialversicherungsrecht
Im Oktober 2018 hat die vietnamesische Regierung das Dekret Nr. 143/2018/ND-CP verabschiedet, das spezielle Vorschriften für ausländische Arbeitnehmer bei der Sozialversicherung vorsieht. Weil es aber zahlreiche Beschwerden von ausländischen Unternehmen im Land gab, verzögert sich die Umsetzung der Pflicht auf den 1. Januar 2022. Dann müssen auch Expats den Bestimmungen des Sozialversicherungsgesetzes entsprechend in den Sozialversicherungsfonds einzahlen, wenn sie mit einer Arbeitsgenehmigung oder der Sondererlaubnis für Fachkräfte und Manager in Vietnam tätig sind. Von dieser Pflicht ausgenommen sind allerdings Mitarbeiter, die innerhalb eines Unternehmens aus dem Ausland in die vietnamesische Tochtergesellschaft entsandt worden sind und die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen erfüllen.
2016 wurde das vietnamesische Sozialversicherungsrecht reformiert und seitdem beträgt der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil des Bruttolohnes für die Absicherung 34 Prozent. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt seit Juli 2019 bei 1.280 US-Dollar. Es gibt einen Sozialversicherungsfonds, in dem unter anderem die Beiträge für die Rentenversicherung eingezahlt werden (Arbeitgeber 17,5 Prozent, Arbeitnehmer acht Prozent). Derzeit sind jedoch nur 30,4 Prozent der Bevölkerung über diesen Fonds abgesichert. Die gesetzliche Arbeitslosenversicherung wurde erst 2006 errichtet und im Jahr 2009 eingeführt.
Versichert sind bislang ausschließlich vietnamesische Staatsbürger mit Arbeitsverträgen von mindestens einem bis drei Jahren Dauer. Der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil vom Gehalt beträgt jeweils ein Prozent. In der Arbeitslosenversicherung sind bislang noch weniger Arbeitnehmer erfasst als im Sozialversicherungsfonds. Immerhin ist die Krankenversicherung inzwischen weiter verbreitet und führt derzeit rund 90 Prozent aller Einwohner Vietnams. Sogenannte Volkshelden, Offiziere der Armee, Beamte, Kinder unter sechs Jahren in Hoh Chi Minh Stadt sowie Kriegsgeschädigte müssen keine Beiträge zahlen. Deren Gesundheitskosten übernimmt der Staat beziehungsweise die Stadt. Arbeitgeber zahlen drei Prozent und Arbeitnehmer 1,5 Prozent in die Krankenversicherung ein.
Experten weisen darauf hin, dass es nach wie vor lokale Arbeitgeber gibt, die entgegen den Gesetzesvorgaben keine Sozialversicherungsbeiträge abführen. Wer in lokale Unternehmen investieren will, sollte im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung auch die Sozialversicherungs-Buchführung genau im Blick behalten, um später nicht von ausstehenden Forderungen und Strafzahlungen überrascht zu werden.
Neues Steuerverwaltungsgesetz in 2020
In Sachen Steuern müssen Expats beachten, dass sie mit ihren erzielten Einkünften der vietnamesischen Einkommensteuer in Höhe von 20 Prozent unterliegen. Gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Vietnam müssen ihre Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit in Vietnam besteuert werden, wenn sie sich dort länger als 183 Tage im Kalenderjahr aufhalten. Ein ausländischer Arbeitnehmer gilt als „resident“, wenn er sich mindestens 183 Tage in einem Zeitraum von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten ab seinem Ankunftstag in Vietnam aufhält. Das erste Steuerjahr bemisst sich nach diesem Zeitraum, ab dem zweiten bildet das Kalenderjahr die Basis, wobei unter Umständen im zweiten Steuerjahr ein Abzug des doppelten Steuerbetrages erfolgt.
Am 1. Juli 2020 soll das novellierte Steuerverwaltungsgesetz (Law on Tax Administration, No. 38/2019/QH14) in Kraft treten. Dieses führt unter anderem eine Pflicht zur Steuerzahlung in Vietnam für ausländische Unternehmen ohne Betriebsstätte vor Ort ein, die insbesondere im E-Commerce ihre Leistungen direkt an Verbraucher in Vietnam erbringen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Vietnam ausländischen Investoren sehr wohlgesonnen ist und es Unternehmen relativ leicht macht, Expats vor Ort einzusetzen. In Sachen Absicherung sollten Unternehmen für ihre Mitarbeiter allerdings auf private Lösungen zurückgreifen, da sich das Sozialversicherungssystem des Landes noch immer im Aufbau befindet.