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Interview
aus Privatbestand

Ein Leben (fast) ohne Hektik: „In Thailand haben wir unser Zuhause gefunden“

Vor 13 Jahren ist Bernd Ritter von Uleniecki mit seiner Frau Ursel vom schwäbischen Weil im Schönbuch nach Pattaya in Thailand ausgewandert. Der Wunsch nach einem Leben in Ruhe und ohne Hektik hatte sie zu diesem Schritt bewogen. Wenn man den Erzählungen von Uleniecki zuhört, klingt sein Leben dort allerdings alles andere als ruhig und beschaulich, der Besuch von FBI-Agenten inbegriffen.

Herr von Uleniecki, Sie waren in Deutschland erfolgreicher Unternehmer und Leiter einer Gebäudereinigungsfirma mit vier Niederlassungen. Wie kam es dazu, dass Sie all dies aufgegeben haben und nach Thailand gezogen sind?

v. Uleniecki: Meine Frau und ich hatten schon immer den Wunsch nach einem Ort zum Entspannen. Vor Thailand hatten wir schon zehn Jahre lang ein Sommerhaus in Schweden. Das war unser Rückzugsort als Ausgleich zum hektischen Arbeitsalltag und dem Aufbau der Firma. Durch mehrere Urlaube in Thailand, haben wir uns immer mehr in dieses Land verliebt. Die Idee war geboren, vielleicht einmal ganz in Thailand zu leben. Die Entscheidung fiel dann 2006. Ich verkaufte meine Anteile an der Firma. Wir verkauften unser Haus in Deutschland und zogen in eine Wohnung in Pattaya.

Welche Schwierigkeiten ergaben sich bei der Auswanderung und wie haben Sie die Probleme gelöst?

v. Uleniecki: Wir mussten uns zunächst mal mit den örtlichen Rechten und Gegebenheiten auseinandersetzen, die, wie überall, kompliziert sein können. In Thailand kann man zum Beispiel nicht einfach ein Haus kaufen als Ausländer. Das Gesetz sieht vor, dass 51 Prozent des Eigentums von Thais gehalten werden müssen. Wir kauften daher erst einmal ein Appartement, ein für Thailand typisches Condominium oder kurz Condo, in dem wir drei Jahre lang lebten. Zusammen mit befreundeten Ehepaaren, bei denen ein Partner Thai war, kauften wir dann später unser jetziges Haus.

"In Thailand wird der Buddhismus gelebt und den muss man verstehen lernen, wenn man hier leben will."

Mit welchen kulturellen Unterschieden müssen Sie in Thailand klarkommen?

v. Uleniecki: In Thailand wird der Buddhismus gelebt und den muss man verstehen lernen, wenn man hier leben will. Ich hatte nie Berührungsängste mit anderen Kulturen und Religionen. In meiner Firma hatte ich bis zu 80 Prozent ausländische Mitarbeiter, mit denen ich wunderbar klargekommen bin. Auch in Thailand hatte ich nie Schwierigkeiten, mich auf Land und Leute einzulassen. Wir mögen das thailändische „Leben in Ruhe“. Man lebt in den Tag hinein und lässt keine Hektik aufkommen. Das kann natürlich auch mal nervig sein im Alltag, wenn man etwas erledigt haben will. Aber alles in allem, kann man sich darauf einstellen und damit umgehen.

Die einzige Hektik, die es in Thailand gibt, ist der Straßenverkehr. Es ist schon teilweise ein Wagnis, sich auf die Straßen zu begeben. Man kann eigentlich nicht genug Spiegel haben, um auf alle, quer durcheinander fahrenden, Fahrzeuge reagieren zu können. Wir selber haben ein Motorrad für die kürzeren Strecken und ein Auto, wenn die Fahrt mal ein bisschen länger wird. Wir wohnen zehn Kilometer außerhalb von Pattaya in der Nähe eines Wasserreservats. Hier herrscht absolute Ruhe. In Pattaya finden wir alles was wir brauchen. Da gibt es riesige Shopping-Malls, die in Deutschland ihresgleichen suchen. Überhaupt bekommt man in Thailand alles, was es in Deutschland gibt. Teilweise ist es natürlich ein bisschen teurer.

Ist es leicht, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen?

v. Uleniecki: Ich bin generell ein Mensch, der den Kontakt zu anderen sucht und leicht auf fremde Menschen zugehen kann. Zugleich freue ich mich auch, wenn ich bei Aufgaben helfen und neue Projekte mit anstoßen kann. Schon in Deutschland war ich erster Vorsitzender unseres Sportvereins und entwickelte, zusammen mit benachbarten Vereinen, eine Kindersportschule. In Pattaya trat ich erst einmal dem englischsprachigen Expat-Club bei, später dann auch dem deutschsprachigen, der sogar einen eigenen TV-Sender hat. Dort arbeitete ich ehrenamtlich als Kassenwart. Wir veranstalteten regelmäßig Vorträge und Lehrgänge zu verschiedenen Themen, die Auswanderer in Thailand interessieren. Über 100 Menschen kamen zu unseren Treffen.

Ich war auch Mitglied in einem privaten Fußballclub. Hier spielten Thais zusammen mit Auswanderern aus der ganzen Welt zum Beispiel aus Deutschland, Israel oder Frankreich. Einmal im Jahr gab es auch ein großen Beach-Fußball-Turnier, organisiert von der Stadt Pattaya und der örtlichen Zeitung.

Ich bin also offen für mein Umfeld. Für die thailändische Sprache hat es allerdings bisher nicht gereicht. Sie ist sehr kompliziert. Ich kann lediglich ein paar Brocken. Für uns war es jahrelang schon schwierig genug, die verschiedenen Akzente im Englischen richtig zu verstehen. So international Pattaya ist, so hart sind auch die Akzente der verschiedenen Landsleute.

Sie waren jahrelang ehrenamtlich für die Royal Thai Police tätig. Was haben Sie da genau gemacht?

v. Uleniecki: Im Zuge unserer Arbeit für den Expat-Club wurde die thailändische Polizei auf uns aufmerksam. Sie fragte nach Unterstützung bei ihrer Arbeit mit Touristen und Ausländern. Durch mangelnde Englischkenntnisse gab es immer wieder Probleme bei den Einsätzen. Sie hofften, dass wir sprachlich vermitteln könnten.

Ich war sofort begeistert. Auf diese Weise konnte ich wieder ganz neue Einblicke in das Land gewinnen und neue Kontakte schließen. Im Schichtdienst kümmerten wir uns um die Probleme von Touristen. Oftmals fungierten wir als Schlichter, bevor erste rechtliche Schritte eingeleitet wurden oder Fälle vor dem Richter landeten.

"Der thailändischen Polizei bei ihrer Arbeit mit Touristen zu helfen,war für mich eine spannende Erfahrung"

Können Sie uns von ein paar Fällen berichten?

v. Uleniecki: Wir hatten häufig Vorfälle, bei denen Touristen von Einheimischen übers Ohr gehauen wurden. Zum Beispiel gibt es am Strand von Pattaya unzählige Verleiher von Jetskis. Darunter auch Schlitzohren, die einen Schaden am Fahrzeug dem letzten Nutzer anhängen wollen. Da versuchten wir dann, zu verhandeln. Wir erklärten dem Touristen, dass er unbedingt, bevor er etwas leiht, das Gerät auf vorhandene Schäden prüfen muss. Im Nachhinein ist nicht mehr feststellbar, wer den Schaden verursacht hat. Meistens kann man sich auf eine geringere Schadenszahlung an den Verleiher einigen.

Ich erinnere mich an einen Franzosen, der sich quer stellte und partout nicht bezahlen wollte. Er würde in ein paar Stunden sowieso seinen Flieger nach Hause nehmen, sagte er. Ich konnte ihm dann begreiflich machen, dass der Fall bei einer Nicht-Einigung mitsamt seinem Pass beim verantwortlichen Offizier landen würde und er dann gewiss nicht nach Hause fliegen könne. Dann war er doch bereit, zu verhandeln.

Ein Engländer wurde mal von einer Thailänderin beschuldigt, sie am Hals gekratzt und verletzt zu haben. Der Engländer sagte er habe nichts getan. Nach Gesprächen mit beiden Seiten konnte der Fall gelöst werden. Die Frau gab zu, dass sie sich die Wunde selbst zugefügt hatte, um Geld von dem Engländer zu bekommen. Ihr drohte ein Platzverweis, den sie unbedingt vermeiden wollte.

Ich habe mich auch um die ausländischen Insassen im Gefängnis von Pattaya gekümmert. Jeden Morgen um acht Uhr gab es eine Meldung, ob es Ausländer in der Zelle gab. Meist handelte es sich um Betrunkene oder Leute, die wegen Schlägereien oder den Besitz von Rauschgift festgenommen wurden. Die Zelle fasst 50-60 Mann und die Betroffenen wurden dann zu mir rausgerufen. Ich habe abgeklärt, inwieweit man helfen kann. Ob man zum Beispiel die Botschaft informieren soll oder ob man abwarten muss, was der Richter sagt.

Haben Sie auch Lehrgänge oder Kurse für Ihre Tätigkeit besucht?

v. Uleniecki: Sogar vom FBI persönlich. Eines Tages besuchten uns zwei FBI-Agenten auf der Polizeistation, die sehen wollten, wie wir in Pattaya so arbeiten. Wir haben mit ihnen ein Training zum Schutz von VIP-Eskorten absolviert und dabei auch einen Angriff simuliert. Außerdem haben wir an einem Training zum richtigen Verhalten bei Entführungen und Geiselnahmen teilgenommen. Das war wirklich sehr spannend und lehrreich.

Pattaya hat einen Tiefseehafen und wird regelmäßig von der US-amerikanischen Asienflotte angelaufen. Dann fahren hier Flugzeugträger mit 6.000 Mann Besatzung ein. Mit unserem Team haben wir geholfen, dass der Mannschaft auf ihren Landgängen und Barbesuchen in Pattaya nichts passiert und sie wieder aufs Schiff zurückkehrten. Als Dank wurden wir vom Kommandanten zu einer Schiffsbesichtigung eingeladen.

Sie waren außerdem noch ehrenamtliches Mitglied der Highway-Polizei. Was gab es da zu tun?

v. Uleniecki: Ich habe ja schon erwähnt, dass der Straßenverkehr in Thailand ein absolutes Chaos ist. Viele Touristen schätzen sich und ihre Fahrkünste völlig falsch ein. Bei Kontrollen stellt sich oft heraus, dass sie absolut keine Ahnung von den örtlichen Verkehrsregeln haben. Da wird ohne Helm gefahren, mit der Begründung, dass „die Thailänder das ja auch so machen“.

Vielen ist gar nicht bewusst, dass bei einem Unfall die eigene Versicherung eventuell gar nicht zahlt, wenn sich herausstellt, dass kein Helm getragen wurde. Man sollte sich auch darüber informieren, ob der Führerschein in Thailand gültig ist. Sonst kann nämlich auch eine saftige Strafe drohen.

Verkehrsunfälle in Thailand enden nicht selten tödlich. Das musste ich leider öfter mit ansehen. Touristen mieten sich gerne schnelle Motorräder und brettern über Thailands Straßen, die nicht für schnelle Geschwindigkeiten ausgelegt sind. Hinzu kommen Alkoholkonsum und fehlende Helme. Hier haben wir versucht, Touristen auf die Gefahren aufmerksam zu machen.

"Um in Thailand leben zu können, muss man das Land lernen zu begreifen mit all seinen Strukturen, Regeln und Gerichtbarkeiten."

Seit zwei Jahren haben Sie sich von ihren Ehrenämtern zurückgezogen. Wie sieht ihr Alltag jetzt aus?

v. Uleniecki: Ich hatte mit meiner Frau vereinbart, dass ich mit meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten aufhöre, wenn ich 70 Jahre alt werde. Und daran habe ich mich gehalten. Schließlich sind wir ja hergekommen, um die Ruhe zu genießen.

Wir haben ein schönes Haus mit einem Pool. Dort lässt sich die Zeit gut verbringen. Wir gehen gerne shoppen und einmal pro Woche gönnen wir uns eine Massage. Sport können wir beide leider nicht mehr machen, nachdem wir beide eine Herz-OP hatten. Wir machen aber gerne kleine Reisen. Unsere goldene Hochzeit haben wir auf den Malediven gefeiert. Nach Vietnam reisen wir auch gerne. Das ist nur eine Flugstunde entfernt.

Können Sie sich vorstellen wieder nach Deutschland zurück zu kehren?

v. Uleniecki: Ganz eindeutig: Nein. Unsere Kontakte in Deutschland sind sowieso weit verstreut, die könnten wir auch in der Heimat nicht regelmäßig besuchen. Unser Sohn und seine Familie und viele unserer Freunde kommen uns gerne in Thailand besuchen. Das ist sehr schön für uns, weil man dann viel Zeit für die Gäste und Gespräche hat.

Auch gefällt uns der Lebensstandard, den wir hier in Thailand genießen. Man kriegt alles was man braucht. Alles ist in der Nähe. Die ärztliche Versorgung ist sehr gut und günstig. Für einen Herz-Check mit EKG, Blutabnahme, Arztgespräch und Medikamenten für drei Monate zahle ich ungefähr 280 Euro. Auch auf Termine muss man in der Regel nicht lange warten. Untersuchungsergebnisse bekommt man meist noch am gleichen oder dem nächsten Tag mitgeteilt.

Pattaya und die Region entwickelt sich derzeit immer mehr zu einem großen Wirtschaftszentrum. Das ist besonders der geografisch günstigen Lage innerhalb der ASEAN-Freihandelszone geschuldet, der auch die Philippinen, Indonesien, Kambodscha, Brunei, Vietnam, Laos, Myanmar, Singapur und Malaysia angehören. Die Autoindustrie hat sich hier schon angesiedelt. Auch in den Bereich Gesundheit und den Bau von Krankenhäusern wird hier viel investiert.

Meine Frau und ich genießen unser Leben hier. Wir sagen immer wir könnten eigentlich ein Buch darüber schreiben was wir hier alles erlebt haben. Es gibt viele Unterschiede zum Leben in Deutschland. Thailand muss man begreifen können mit all seinen eigenen Strukturen, Regeln und Gerichtbarkeiten. Wer das nicht kann, wird hier nicht glücklich werden.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe August des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.