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Interview
Bastian Müller, Training Officer bei ICARDA in Amman, Jordanien (mit seinem Sohn Titus)., Untold Colors

„Die Arbeitswelt in Jordanien ist völlig anders, aber auch flexibler als in Deutschland“

Bastian Müller lebt mit seiner Familie in Jordanien und betreibt einen Blog über das dortige Expat-Dasein. Im Interview erzählt er über sein privates und berufliches Leben im Ausland.

BDAE: Du lebst und arbeitest seit anderthalb Jahren in Amman, der Hauptstadt Jordaniens. Wie kam es dazu?

Bastian: Ich habe seltsamerweise damals direkt nach dem Studium einen Job in Amman, Jordanien angeboten bekommen. Ich war eigentlich zu einem Job-Interview in England eingeladen. Daraus wurde leider nichts und zwei Wochen später habe ich eine Stelle für die gleiche Firma in Jordanien angetreten.

Dann war ich zunächst einige Jahre in Deutschland für private Bildungseinrichtungen tätig. Zuletzt suchte ich eine neue Herausforderung und ich beobachtete regelmäßig das Jobportal der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit). Ich bewarb mich auf eine Stelle bei ICARDA in Jordanien, welche vom CIM (Centrum für internationale Migration und Entwicklung) gefördert ist.

Es ist also eine Kombination verschiedener Aspekte, wie mein vorheriger Arbeitsaufenthalt in Jordanien, meine Berufserfahrung in dem gesuchten Bereich und sicherlich auch des Timings.

 „Die Gesellschaft und Arbeitswelt in Jordanien ist völlig anders als in Deutschland“

BDAE: Welche Herausforderungen gab es beim Einleben in die neue Umgebung? Wie hast du diese gemeistert?

Bastian: Da ich bereits mehrere Jahre im Ausland und auch schon konkret in Amman gelebt habe, fiel mir das natürlich leichter als beim ersten Mal. Mein erster Aufenthalt im Mittleren Osten war auch nicht ganz einfach, da ich schon meine Probleme mit der Kultur und auch den Einschränkungen hatte.

Beim zweiten Anlauf waren die Voraussetzungen jedoch andere. Ich hatte viel mehr Berufserfahrung, hatte bereits Landeserfahrung, hatte auch bereits etwas Arabischkenntnisse und wusste, dass ich einfach nicht so hohe Erwartungen haben darf. Vieles läuft einfach viel schleppender, mit Umwegen, manchmal unergründlich und oft auch einfach willkürlich. Das ist für mich als Deutschen nicht immer einfach, aber man lernt auch mal, einen Gang runter zuschalten.

Die Gesellschaft und Arbeitswelt in Jordanien ist völlig anders als in Deutschland, aber auch viel flexibler und das weiß ich sehr zu schätzen.

BDAE: Gab es eine besonders schöne Begegnung, von der du uns berichten möchtest?

Bastian: Es gibt zum Teil sehr entgegenkommende Menschen hier in Jordanien und man wird zu allen möglichen Anlässen eingeladen. Zum Beispiel, wenn eine Kollegin ein neues Auto kauft, bringt sie Süßes mit zur Arbeit und teilt es mit den anderen.

Auf die Idee wird wohl niemand in Deutschland kommen. Es ist auch in der Tat so, dass man auch von Fremden zum Tee oder Kaffee eingeladen werden kann, falls man an ihrem Haus vorbeiwandert, was uns bei einer Wanderung auf dem Jordan Trail passiert ist. Die arabische Kultur ist gastfreundlich und Essen und Trinken dürfen nie fehlen. Da fühle ich mich sehr wohl.

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© Christophe Cappelli - Fotolia.com

BDAE: Du bist als technischer Training Officer am International Center for Agricultural Research in Dry Areas (ICARDA) beschäftigt. Was ist ICARDA und was sind deine Aufgaben dort?

Bastian: ICARDA ist eine von 15 Agrarforschungsgesellschaften des CGIAR (Consultative Group on International Agricultural Research) und fokussiert ihre Rechercheaktivitäten auf die trockenen Regionen in der Welt. Da ich jedoch kein Agrarwissenschaftler bin, sondern meine Berufserfahrung hauptsächlich im Bildungsbereich gesammelt habe, bin ich auch hier für die Organisation von Trainings, Stipendien und insbesondere E-Learning verantwortlich.

Unsere Capacity Development Unit hat eine E-Learning Plattform aufgesetzt und bietet auch erste Kurse an. Demnächst bauen wir diese aus und wir wollen eigene Kurse entwickeln, die für ICARDA spezifisch sind. Es geht darum, das generierte Wissen zugänglich zu machen und zur Anwendung zu bringen. Meist sind die Teilnehmer unserer Kurse Mitarbeiter der nationalen Agrarforschungsinstitutionen oder Ministerien. Diese wiederum erreichen dann die Farmer oder Produzenten vor Ort in den jeweiligen Regionen, in denen wir arbeiten, aber nicht direkt vertreten sind.

„Für mich zählen Ehrlichkeit, Engagement und Humor“

BDAE: Wie sieht dein Tagesablauf im daily business aus? Gibt es so etwas wie eine tägliche Routine oder ist jeder Tag völlig anders?

Bastian: Eine Routine gibt es nun wirklich nicht. Übers Jahr richten sich einige Tätigkeiten an den landwirtschaftlichen Kalender der jeweiligen Länder, dem Ramadan oder auch an das Finanzjahr. Je nachdem was wir unternehmen oder ob zum Beispiel Trainings vor Ort sind, bin ich auch teils außerhalb des Büros tätig.

Das Arbeitsumfeld ist sehr international mit Kollegen aus Jordanien, Syrien, Libanon, Tunesien, Irak aber auch Italien, Belgien, Japan oder Kanada.

Da sowohl die Mitarbeiter als auch die Standorte und auch Projekte sehr divers sind und wir über Ländergrenzen hinweg arbeiten, bedienen wir uns viel digitaler Kommunikationswege und Technologien wie Outlook, Skype, Sharepoint etc..

BDAE: Seit zehn Jahren bist du professionell im Bildungssektor unterwegs. Was ist deine persönliche Lernphilosophie?

Bastian: Ich bin der Meinung, dass Interaktion mit anderen Lernenden extrem hilfreich und wichtig ist. Ich glaube also nicht, dass pures E-Learning im Selbststudium das Nonplusultra ist. Es kann jedoch einen Grundstein legen, eine gemeinsame Basis schaffen, von der aus man dann Diskussionen führen kann und Wissen austauschen kann. In meinem MBA Bildungs- und Wissensmanagement wurde dieses Konzept sehr gut angewandt und ich befürworte diese Art des Lernens und Lehrens.

BDAE: Hast du bestimmte professionelle Vorbilder? Welche menschlichen Eigenschaften bewunderst du am meisten?

Bastian: Eine konkrete Person habe ich nicht im Kopf. Für mich zählen Ehrlichkeit, Engagement, Humor.

„Jordanien ist im Vergleich zu Deutschland ein sehr konservatives Land“

BDAE: Du hast vor Kurzem einen Blog über das Expat-Dasein in Jordanien gestartet. Was hat dich dazu motiviert?

Bastian: Es ist eine Kombination aus Leidenschaft zum Fotografieren, Schreiben und Selbstreflexion. Da ich schon länger hier bin, ich auch einige arabische Freunde habe, fallen mir viele Dinge hier leichter als anderen. Aber auch ich stoße oft an Grenzen oder kann manchmal nicht fassen, wie bestimmte Prozesse hier funktionieren oder eben auch nicht.

Da der Schritt ins Ausland immer auch mit Hindernissen, Sorgen, Ängsten oder einfach nur Unwissenheit zusammenhängt, versuche ich ein wenig, die schönen Seiten Jordaniens aber auch Themen wie Wohnungssuche, Kontoeröffnung oder Transportation anzusprechen.

In den Medien wird Jordanien immer als sehr offen und modern dargestellt. Das trifft meiner Meinung nach aber nur auf einen kleinen Teil des Landes und der Bevölkerung zu. Es ist im Vergleich zu Deutschland ein sehr konservatives Land und nicht zuletzt eine Monarchie, in der das Königshaus das letzte Wort hat.

Und natürlich ist der Islam Staatsreligion und das tägliche Leben wird dadurch geprägt. Eventuell möchte ich in zukünftigen Beiträgen etwas mehr darauf eingehen. Man muss jedoch vorsichtig sein, welche Themen man anspricht.

BDAE: Du bist schon ziemlich viel in der Welt herumgekommen. Was bedeutet Heimat für dich und welchen Ort suchst du am Liebsten auf?

Bastian: Eine schwierige Frage. Da ich den Großteil meines Lebens am Niederrhein gelebt habe, dort aufgewachsen und zur Schule gegangen bin und nicht zuletzt die meisten meiner Freunde und auch meine Eltern dort leben, würde ich diese Region wohl als Heimat bezeichnen. Dafür lebe ich auch noch nicht zu lange an einem bestimmten Fleck, dass sich das ändern würde.

Sehr wohl mag ich aber Sonnenschein und das Wetter in Australien und Jordanien ist durchaus vergleichbar, auch wenn es meist noch trockener ist in Jordanien und leider der Strand fehlt. Aber wenn ich daran denke, dass es gerade 10 Grad in Deutschland ist und es vor Kurzem einen Schneesturm gab, bin ich ganz gerne hier momentan.

Infokasten:

Das Interview führte Jan-Christoph Daniel, Gründer von Untold Colors. Er hilft Unternehmen bei der strategischen Mitarbeiterentwicklung und der länderübergreifenden Zusammenarbeit. In seiner Rolle als Berater und Trainer kreiert er maßgeschneiderte Lösungen für lebenslanges Lernen.

Spannende Stories und Interviews veröffentlicht er regelmäßig auf seinem Blog.

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