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Expatriates

Wie der Albtraum „Plötzliche Kündigung“ zu einem Traumleben in Australien führte

© Derek Simpson

Es war der schlimmste Tag meines Lebens. Ich fühlte mich, als würde ich in ein Loch ohne Boden fallen. Ich saß im Büro meines Chefs in London, der mir soeben verkündete, dass ich in den Plänen für das nächste Jahr nicht vorkommen würde. Ich sei in sieben Tagen arbeitslos – genau am 24. Dezember 2010! Eine solche grundlose Kündigung war zwar auch in England nicht legal, allerdings erlaubte das dortige System mir nicht, rechtlich dagegen vorzugehen, solange ich noch keine 365 Tage für das Unternehmen gearbeitet hatte – und das wäre erst eine Woche nach Weihnachten der Fall gewesen. Dass hatte man offensichtlich genauestens recherchiert.

Ich weiß nicht, was mehr weh tat: Die menschliche Enttäuschung oder die nackte Existenzangst. Ich hatte so viel Schweiß, Tränen und Überstunden in diesen Job investiert und saß nicht selten bis Mitternacht in meinem Büro am Trafalgar Square, das zwar einen atemberaubenden Blick über Big Ben und das London Eye hatte, mir aber durch die viele Arbeit kaum Zeit für ein Privatleben ließ. Doch was tut man nicht alles für einen sicheren Arbeitsplatz und eine erfolgreiche Karriere.

Sicherheit – eine Illusion

Ich hatte mein Leben lang fest daran geglaubt, was mir seit meiner Kindheit von Gesellschaft und Umfeld vermittelt wurde: Dass harte Arbeit und eine gute Anstellung meine Sicherheit wären. Sicherheit?! Ich lebte in einer der teuersten Städte der Welt, wurde gerade ohne eigenes Verschulden arbeitslos gemacht (mein neuer Chef wollte meine Stelle für seinen früheren Teamkollegen aus der alten Firma) und hatte keinen Anspruch auf rechtliche oder finanzielle Unterstützung, wie ich es in Deutschland gehabt hätte. Und selbst wenn, dann wäre es doch nur ein „Überleben“ gewesen – keine Sicherheit!

Ich war völlig erschüttert. Nicht nur von der Kündigung, sondern auch von der Erkenntnis, dass alles, woran ich bisher glaubte, sich als naiver Irrglaube entpuppte.

„Dann Australien, oder was?“

Ich ging nach Hause, gebrochen und desillusioniert. Ich klappte den Computer auf, um meine Bewerbungsunterlagen zu aktualisieren. Doch ich konnte nicht. Ich konnte niemandem überzeugend erzählen, dass ich enthusiastisch und begeistert den ausgeschriebenen Job ausführen würde. Ich klappte den Computer wieder zu. Was dann? Ich rief einen Freund an und erzählte ihm von meinem Tag. „Dann Australien, oder was?“ fragte er nur. Australien? Stimmt, dort wollte ich immer mal hin, mit einem Working-Holiday Visum. Genau! Jetzt oder nie. Das war genau, was ich brauchte: Eine Auszeit, um herauszufinden, wie ich weitermachen wollte. Ungefähr sechs Monate.

EXPATS stephie hauk rinderfarmStephie Hauk auf einer Rinderfarm im australischen Busch. © privat

Drei JAHRE später war ich wieder zu Hause. Wieder angestellt, wieder im Marketing für eine US-Technologie-Firma. Allerdings mit einem Unterschied: Mittlerweile war ich „Permanent Resident“ in Australien, konnte jederzeit zurückkehren und dort unbegrenzt leben und arbeiten. Doch ich wollte dem „normalen Leben“ in Deutschland nochmal eine Chance geben. Ich hatte eine Wohnung, ein Auto und einen guten Job in meinem Fachgebiet. Und ich war totunglücklich. Ich litt unter Dauer-Migräne und einer tiefen Leere in mir. DAS sollte es sein? Für eine Firma meine Lebenszeit und Energie geben, die mir nichts bedeutete und die nichts anderes bewirkte auf der Welt, außer die Teilhaber reicher zu machen? Sich 10,5 Monate quälen für insgesamt sechs Wochen eigenes Leben im Jahr?!

Weniger Wohlstand, aber mehr Erfüllung

Die Reaktion von meinem Umfeld war: „So ist das Leben!“ Aber ich glaubte nach meiner Erfahrung in London nicht mehr so einfach, was mir gesagt wurde. Ich hatte in meinen drei Jahren Auszeit in Australien, Neuseeland und Südostasien auch andere Lebenskonzepte gesehen und ein glücklicheres Leben erfahren. Weniger Wohlstand, aber mehr Erfüllung.

Ganz besonders geprägt haben mich die knapp zwei Jahre auf den riesigen Rinderfarmen im nordaustralischen Outback, die in Amerika „Ranch“ und in Australien „Cattle Station“ genannt werden. Dort lebte ich zusammen mit Cowboys, Cowgirls, Rindern und den Tieren im Busch, arbeitete als Köchin und zog Waisen-Kälbchen mit der Flasche auf. Ich fühlte mich dort draußen, ohne Handyempfang oder Internet, erfüllter und glücklicher als in meinem schicken Londoner Büro mit Aussicht.

Am meisten geholfen haben mir die schwierigen Zeiten meiner Reise: Es gab Momente, in denen mir das Geld ausging oder ich nicht weiterwusste. Und ich löste sie alle – weil ich musste! Diese Erfahrungen zeigten mir, dass es Jobs auf dieser Welt gibt, die mich mehr erfüllten als das, was ich zu meinen Karrierezeiten getan hatte, und dass ich keine Angst vor fehlender Sicherheit haben brauchte. Meine wichtigste „Sicherheit“ ist es, daran gewöhnt zu sein, Lösungen zu finden, anstatt mich darauf zu verlassen, dass alles immer planmäßig läuft.

Zurück nach Australien

Und so beendete ich das Projekt „sicheres Leben“ und ging wieder zurück nach Australien. Ich hatte keinen Plan und keine Anlaufstelle, aber die Gewissheit, dass ich immer eine Lösung finden werde. Ich werde oft gefragt, woher ich den Mut genommen habe. Doch zu gehen war nicht mutig. Zu gehen war überlebensnotwendig, denn es gab für mich im „normalen Leben“ nichts, was ich wollte!

EXPATS stephie hauk darcy2Unternehmerin Stephie Hauk in ihrem „Homeoffice“ in Australien. © Danielle Darcy

In den folgenden Jahren experimentierte ich mit verschiedenen Möglichkeiten der Selbständigkeit und lebte mal in Australien, mal in Deutschland. Ich ging immer wieder zurück ins Outback, wo das Leben langsamer lief und ich neue Inspiration und Ideen fand. Ich wollte eine ortsunabhängige Selbstständigkeit, so dass ich in Australien, Deutschland, und überall sonst auf der Welt Geld von meinem Laptop aus verdienen konnte. Heutzutage geht das alles. Es gibt auch immer mehr ortsunabhängige Anstellungen, in denen das „Homeoffice“ überall auf der Welt sein kann, doch ich wollte nichts mehr mit Firmenpolitik und Vorgesetzten zu tun haben.

Der Erfolg kam nicht über Nacht und war definitiv nicht leicht. Zeitweise arbeite ich nebenbei – trotz zwei Studienabschlüssen – sogar in einem Hotel als Zimmermädchen und Tellerwäscherin, um in meiner Gründungsphase zu überleben. Ich war trotzdem glücklicher, als in meinem Marketing-Job zuvor! Ich musste es auch nicht lange machen, denn schnell konnte ich meine Umsätze steigern und gut von meinem Einkommen leben.

Doch dann zeigte sich die nächste Enttäuschung: Ich war wieder nicht glücklich! Meine eigene Selbständigkeit erfüllte mich nicht und ich fühlte mich wieder gefangen in Arbeit. Ich hatte aber keine Zeit, darüber nachzudenken, weil ich soviel zu tun hatte. Aber ich wusste, es gab einen Ort, der mich bisher aus jeder inneren Krise geholt hatte: Das australische Outback. Also sperrte ich alle meine Firmen für sechs Wochen „Betriebsurlaub“ zu, um mir eine Auszeit zu gönnen und zu meiner liebsten Cattle Station zurückzukehren.

Angekommen im Traumleben Australien

Kaum angekommen, wurde mir eines klar: Ich hatte mich schon wieder durch meinen Arbeitswahn selbst verloren. Meine Selbständigkeit machte mir keinen Spaß, zeitweise hasste ich sogar, was ich tat. Das lag daran, dass direkt nach der Gründung meine finanzielle Existenz im Vordergrund stand. Ich arbeitete verbissen daran, mein früheres Einkommen als Angestellte jetzt als Selbständige zu übertreffen, und vergaß wieder einmal, meinem Tun einen Sinn zu geben.

Ja, es tut sehr weh, sich das einzugestehen. Bloß hilft es nichts, es zu verdrängen und sich weiter zu quälen. Ich wollte ein für alle Mal eine Tätigkeit finden, die mir Energie gab, statt sie mir zu rauben. So wie das Kochen im Outback auch.

Kochen in Australien

Nach vier Wochen fragte ich meinen Cowboy-Chef, ob er mir Satelliten-Internet installieren und mir einen Tag pro Woche freigeben würde, damit ich eine neue Selbständigkeit aufbauen und bleiben könnte. Ich bekam beides – also gab ich alles auf, wofür ich die letzten Jahre so hart gearbeitet hatte, und blieb bei den Rindern, Cowboys und magischen Sonnenuntergängen im isolierten Outback, wo ich bis heute lebe.

EXPATS stephie hauk kochen outbackSo geht Kochen im Outback. © Stephie Hauk privat

Mittlerweile betreibe ich neben meinem „Vollzeit-Hobby“ als Köchin auch ein sehr erfolgreiches Business, mit dem ich meine Kunden dabei unterstütze, noch mehr Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Endlich habe ich sowohl meine Work-Life-Balance, also auch meine berufliche Erfüllung gefunden und fühle mich „angekommen“.

So führte der schlimmste Tag meines Lebens, kurz vor Weihnachten 2010 in London, zu dem Traumleben, das ich heute führe.

Die Autorin:

Stephie Hauk ist selbständige Beraterin für verkaufspsychologisch wirkungsvolle Online-Texte und hilft ihren Kunden dabei, mehr Verkäufe über ihre Webseite zu erreichen. Da der Einsatz von Psychologie im Bereich des Verkaufens ein sehr mächtiges Werkzeug ist, das verantwortungsvollen Einsatz verlangt, widmet sie ihre verkaufsfördernde Beratung ausschließlich Kunden, deren Angebote tatsächlich etwas Positives bei den Käufern bewirken.

Sie war früher internationale Marketing Managerin in amerikanischen IT Unternehmen und später Gründerin von vier verschiedenen Online-Firmen. Als sie bemerkte, dass sie sich in der Selbständigkeit genauso ausgelaugt fühlte, wie früher als Angestellte, gab sie alles auf, um ihren Traum zu leben: Im Australischen Outback ein Cowgirl-Leben zu führen und ihre berufliche Tätigkeit ausschließlich Projekten zu widmen, welche die Welt ein Stück weit besser machen.

Seither lebt sie ein sehr unkonventionelles, aber glückliches Leben als Köchin auf einer Rinderfarm und führt gleichzeitig ein erfolgreiches Online-Business, das sie von ganzem Herzen erfüllt.

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