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Expatriates
© Monkey Business, AdobeStock

Als Expat-Kind von der US-amerikanischen High School direkt an eine deutsche Uni: Geht das?

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie leben als Expat-Familie schon seit einigen Jahren in den USA, Ihr (schon älteres) Kind geht auf eine staatliche High School irgendwo im Upper Midwest. Alles läuft gut, Ihr Kind ist in der Abschlussklasse und marschiert in Richtung „Graduation“. Auf einmal steht die Frage im Raum, wie es danach eigentlich weitergehen soll.

Die Option, Ihr Kind auf eine amerikanische Universität zu schicken, treibt Ihnen schon beim ersten Überfliegen der jährlichen Schulgebühren Angstschweiß auf die Stirn und Sie überlegen sich, wie Sie um die 20.000 Dollar im Jahr mal eben so stemmen sollen (es können auch gerne um die 50.000 Dollar werden, wenn man sein Kind an einer Universität der „Ivy League“* unterbringen möchte). Spätestens jetzt kommt Ihnen der Gedanke, dass ein Studium an einer staatlichen Hochschule in Deutschland einen ganz entscheidenden Vorteil hätte: es wäre quasi kostenfrei, sieht man mal von den im Vergleich zu den USA läppischen Semestergebühren ab. Gedacht, getan: In vielen deutschen Expat-Familien ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem entweder alle ihre Koffer packen oder aber die 18-jährigen Kids alleine wieder nach Hause geschickt werden.

Auch für uns war das Thema Studium der Kinder ein wichtiger Punkt, unsere Zelte in den USA wieder abzuschlagen. Doch der Plan, in Deutschland zu studieren, ist mit einer entscheidenden Hürde verbunden, die es erst einmal zu überwinden gilt: der Anerkennung des US-amerikanischen High School Abschlusses als deutsche Hochschulzugangsberechtigung. Und um diese Anerkennung zu bekommen muss man im Vorfeld sehr viele Dinge richtig machen und sich schon sehr früh sehr genau informieren.

Kurse, die Spaß machen, werden in Deutschland nicht anerkannt

Was dabei hilft, ist die sogenannte anabin-Datenbank der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (www.anabin.de). Hier kann man unter „Schulabschlüsse mit Hochschulzugang“ nachlesen, „unter welchen Bedingungen mit einem ausländischen Sekundarabschluss ein grundständiges Studium in Deutschland aufgenommen werden kann“. Diese Datenbank ist für die Kurswahl an der High School zu unserem ständigen Begleiter geworden. Sie hat uns gesagt, dass wir noch dringend den höchsten Mathe-Kurs brauchen und dass wir im letzten Schuljahr unbedingt noch einen Physik-Kurs belegen müssen, wenn wir in Deutschland studieren wollen. Und sie hat uns ständig darauf hingewiesen, dass alle Kurse, die Spaß machen, in Deutschland nicht anerkannt werden, was nicht zu ihrer Beliebtheit bei meinen Töchtern beigetragen hat. Ihre US-amerikanischen Freunde haben sich in der Zwischenzeit mit coolen Kursen wie „Ceramics“ und „Interior Design“ durch die Graduation gemogelt.

Mit dem „richtigen“ High School Abschluss allein ist es leider noch lange nicht getan – die anabin-Datenbank verlangt zusätzlich auch noch 4 bis 5 sogenannte Advanced Placement (AP) Exams in unterschiedlichen Fächern. AP Exams sind Prüfungen auf College Niveau, die an unserer Schule nur die etwas strebsameren amerikanischen Kids ablegt haben, um sich bessere Zugangschancen zu bestimmten Hochschulen zu erarbeiten. Sie sind gewiss nicht einfach, die Durchfallquoten werden von Jahr zu Jahr höher, und man muss sich ziemlich gut vorbereiten, um die nötigen 3 Mindestpunkte von maximal 5 zu bekommen, damit das AP Exam in Deutschland auch wirklich zählt.

Anerkennungsstelle am besten vor Kurswahl in High School kontaktieren

Unser Fazit: das Studieren in Deutschland mit einem US-amerikanischen High School Abschluss ist möglich, aber man muss höllisch aufpassen, alles richtig zu machen und am besten schon im Vorfeld Kontakt mit der Anerkennungsstelle im entsprechenden Bundesland aufnehmen. Wir haben unsere Unterlagen gleich nach unserer Rückkehr bei der Anerkennungsstelle in Baden-Württemberg eingereicht (immer das Bundesland des Wohnsitzes) und siehe da, oha, oha, nach erstaunlich kurzer Zeit kamen die Anerkennungsurkunden mit dem umgerechneten deutschen Abi-Schnitt zurück.

Dank Corona (wenigstens ein Gutes hatte diese Pandemie für uns) waren die Hochschulbewerbungsfristen im Jahr 2020 auf den 20. August verschoben, so dass unsere Töchter nach Empfang der deutschen Unterlagen noch genau 72 Stunden Zeit hatten, sich für Studienplätze zu bewerben. Und, wir können es selbst noch nicht richtig glauben, es hat tatsächlich geklappt – wir haben jetzt zwei deutsche Studentinnen.

*Unter dem Begriff „Ivy League (Efeuliga)“ werden die acht traditionsreichen Universitäten Harvard, Yale, Princeton, Columbia, Dartmouth, Brown, Cornell und die Penn (University of Pennsylvania) zusammengefasst.

Alexandra Lehr

Die Autorin

Alexandra Lehr hat drei Jahre mit ihrer vierköpfigen Familie im US-Bundestaat Minnesota gelebt. Vor Kurzem sind alle nach Süddeutschland zurückgekehrt und versuchen sich wieder einzugewöhnen. Wer sich zum Thema High-Scholl-Abschluss und Anerkennung in Deutschland gerne mit ihr austauschen möchte, kann ihr gerne eine E-Mail schreiben. Sie freut sich über Fragen oder ähnliche Erfahrungen!

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