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Interview
Foto: Katja Hiller

„Die Berufsanerkennung ist ein ziemlich komplexes Verfahren“

Seit 2012 gibt es die Möglichkeit, einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen zu lassen. Dabei wird in einem offiziellen und rechtssicheren Verfahren ermittelt, wie groß die Übereinstimmung der ausländischen Qualifikation mit dem vergleichbaren deutschen Referenzberuf ausfällt. Am Ende des Verfahrens steht der Anerkennungsbescheid, der die Ergebnisse des Anerkennungsverfahrens übersichtlich und in deutscher Sprache darstellt. Wie genau das Verfahren abläuft, erklärt Katja Hiller vom Projekt „Unternehmen Berufsanerkennung“ im Interview.

BDAE: Warum gibt es die berufliche Anerkennung?

Hiller: Wenn Unternehmen Bewerbungen mit ausländischen Aus- und Weiterbildungszeugnissen erhalten, können sie oftmals nicht einschätzen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten mit dem Berufsabschluss einhergehen. Sprich: Sie wissen häufig nicht so recht, ob die Bewerberin oder der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle wirklich geeignet ist. Genau hier setzt die Berufsanerkennung an. Sie hilft Fachkräften mit ausländischem Berufsabschluss, ihre Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gegenüber Arbeitgebern transparent und verständlich darzustellen. Umgekehrt können Unternehmen zuverlässig einschätzen, welche Qualifikationen mit dem ausländischen Berufsabschluss verbunden sind und an welchen Stellen möglicherweise eine Nachqualifizierung nötig ist.

BDAE: Den Antrag stellt also die ausländische Fachkraft – nicht der Arbeitgeber?

Hiller: Genau. Antragsteller ist immer die Person, die ihren ausländischen Berufsabschluss anerkennen lassen möchte. Arbeitgeber können den Antrag aber auf vielfältige Weise unterstützen: Beispielsweise können sie die Fachkraft zur Erstberatung begleiten, ihr beim Zusammenstellen der nötigen Dokumente helfen oder sich an den Kosten des Verfahrens beteiligen. Wir empfehlen Antragstellern übrigens grundsätzlich, eine kostenlose Erstberatung zur Berufsanerkennung in Anspruch zu nehmen. Erstberatungsstellen sind beispielsweise die örtlichen Kammern oder das IQ-Netzwerk.

BDAE: Kann ich jeden ausländischen Beruf mit jedem deutschen Beruf vergleichen?

Hiller: Der Vergleich ist mit jedem der rund 330 dualen Ausbildungsberufe möglich. Voraussetzung für den Antrag ist allerdings, dass der ausländische Berufsabschluss in dem Land, in dem er erworben wurde, staatlich anerkannt ist.

BDAE: Wo kann man den Antrag stellen?

Hiller: Die Berufsanerkennung obliegt den Kammern, also beispielsweise den Handwerks- und den Industrie- und Handelskammern. Während die Handwerkskammern die Berufsanerkennung selbst durchführen, übernimmt das für die meisten Industrie- und Handelskammern die IHK FOSA als Zentralstelle. Welche Kammer im konkreten Einzelfall zuständig ist, hängt unter anderem davon ab, mit welchem deutschen Referenzberuf die ausländische Qualifikation verglichen werden soll. Auch hier kann das Erstberatungsgespräch sehr sinnvoll sein. Die Beraterinnen und Berater wissen genau, mit welchem Abschluss man sich an welche Stelle wenden muss. Alternativ bietet das Internetportal der Bundesregierung zur Berufsanerkennung unter www.anerkennung-in-deutschland.de mit dem „Anerkennungsfinder“ ein Tool, mit dem man die zuständige Stelle auch selber ermitteln kann.

„Fehlen Zeugnisse kann die Qualifikation auch praktisch nachgewiesen werden“

BDAE:  Wie funktioniert dann die Anerkennung?

Hiller: Die Berufsanerkennung ist für die zuständigen Stellen ein in der Tat ziemlich komplexes Verfahren. Zunächst analysieren die Sachbearbeiter alle eingereichten Unterlagen. Das können neben Aus- und Weiterbildungsnachweisen auch Arbeitszeugnisse und Nachweise über Zusatzqualifikationen sein. Dabei wird genau ermittelt, welche Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten die Person in der Ausbildung und ihrer beruflichen Praxis erworben hat. Im Anschluss überprüft die zuständige Stelle, ob Unterschiede zu den Ausbildungsinhalten des deutschen Referenzberufs bestehen.

Gibt es keine wesentlichen Unterschiede, wird die volle Gleichwertigkeit beschieden. Wenn wesentliche Unterschiede existieren, also Kenntnisse, Fertigkeiten oder Fähigkeiten fehlen, die für das Ausüben des Berufs nötig sind, wird eine teilweise Gleichwertigkeit anerkannt. In ganz seltenen Fällen kann es passieren, dass keine Gleichwertigkeit mit dem deutschen Berufsbild beschieden wird.

BDAE: Was geschieht, wenn nur eine teilweise Gleichwertigkeit vorliegt?

Hiller: In diesem Fall besteht die Möglichkeit, fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen einer Anpassungsqualifizierung nachzuholen. Dabei können Arbeitgeber ihre ausländischen Fachkräfte übrigens gut unterstützen, indem sie ihnen beispielsweise ermöglichen, fehlende Fertigkeiten im Betrieb zu erlernen.

BDAE: Was machen Geflüchtete, die ihre Zeugnisse auf der Flucht verloren haben?

Hiller: Auch für diesen Fall gibt es eine Lösung. Wer seine Qualifikation nicht mit Dokumenten nachweisen kann, kann sie praktisch unter Beweis stellen, beispielsweise in Form einer Arbeitsprobe oder eines Fachgesprächs.

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Dieses Interview wurde uns vom NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge zur Verfügung gestellt.