Im Jahr 2023 verließen rund 1,3 Millionen Menschen Deutschland. Davon waren etwa 265.000 deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Im Jahr zuvor lag diese Zahl bei knapp 270.000. Deutschland verliert damit jährlich eine Großstadt an Auswandernden.
Besonders auffällig: Viele von ihnen sind junge, gut ausgebildete Fachkräfte. Die beliebtesten Zielländer innerhalb Europas waren 2021 laut Statista die Schweiz mit über 315.000 deutschen Staatsangehörigen, gefolgt von Österreich mit etwa 233.000 und Spanien mit über 125.000. Doch was bewegt so viele Menschen dazu, ihre Heimat hinter sich zu lassen?
Historische Entwicklung der Auswanderung aus Deutschland
Im 19. Jahrhundert zog es Millionen Menschen aus dem Gebiet des späteren Deutschen Reiches in die Ferne. Allein zwischen 1815 und 1848 wanderten etwa 600.000 Deutsche aus – die meisten davon in die USA, das damals als Land der unbegrenzten Möglichkeiten galt. Rund 90 Prozent der deutschen Auswandernden suchten dort ein besseres Leben.
Der Trend hielt an: Zwischen 1816 und 1914 verließen rund 5,5 Millionen Deutsche ihr Heimatland, um in den USA Fuß zu fassen. Die Gründe waren überwiegend wirtschaftlicher Natur – Armut, Missernten und fehlende Perspektiven trieben vor allem kleinbäuerlich oder handwerklich Tätige sowie Tagelohnarbeitende zur Auswanderung.
Im 20. Jahrhundert änderte sich das Bild. Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre ließ die Emigration einbrechen, da wirtschaftliche Unsicherheiten nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zunahmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Migration wieder zu, wenn auch nicht in den Dimensionen des 19. Jahrhunderts.
Auswandern aus Deutschland: die 7 wichtigsten Gründe
Es gibt verschiedene Auslöser, warum Menschen die Bundesrepublik verlassen. Die häufigsten werden nachfolgend aufgeschlüsselt.
Wirtschaftliche Gründe für die Auswanderung aus Deutschland
Viele Deutsche verlassen ihr Heimatland, weil sie sich bessere wirtschaftliche Perspektiven erhoffen. Besonders Fachkräfte und akademisch Qualifizierte zieht es ins Ausland, wo sie oft höhere Gehälter und attraktivere Arbeitsbedingungen finden.
So war in der Schweiz das durchschnittliche Jahreseinkommen 2023 rund 95.000 Franken (etwa 101.000 Euro), während es in Deutschland nur bei 50.000 Euro lag. Auch in den USA sind die Verdienstmöglichkeiten, insbesondere in den Bereichen Technologie und Ingenieurwesen, oft deutlich höher.
Ein weiteres Motiv für die Auswanderung ist die hohe Steuer- und Abgabenlast in Deutschland. Laut OECD müssen Arbeitnehmende hier durchschnittlich 47,9 Prozent ihres Einkommens für Steuern und Sozialabgaben aufbringen – das ist der zweithöchste Wert unter den OECD-Staaten. Zum Vergleich:
- In der Schweiz liegt die Abgabenlast bei 22,3 Prozent,
- in den USA bei 30,2 Prozent.
Gerade für hochqualifizierte Fachkräfte kann der Steuerunterschied ein entscheidender Faktor sein, sich im Ausland eine finanziell vorteilhaftere Zukunft aufzubauen.
Neben höheren Gehältern und geringeren Steuern spielen auch die Lebenshaltungskosten eine Rolle. Ein Blick auf die Preisniveaus in Europa zeigt, dass Deutschland mit 109,7 Prozent knapp zehn Prozent über dem EU-Durchschnitt liegt. In Ländern wie Spanien (94,2 Prozent) oder Bulgarien (56,6 Prozent) hingegen kann man mit dem gleichen Einkommen deutlich mehr kaufen. Besonders für Personen im Ruhestand oder Menschen mit ortsunabhängigem Einkommen kann das ein entscheidender Grund sein, sich für einen Umzug ins Ausland zu entscheiden.
Auch Südostasien wird für Auswandernde immer interessanter. Singapur punktet, als einer der führenden Wirtschaftsstandorte, mit niedrigen Steuern und hohen Gehältern. Brunei, das oft übersehen wird, bietet mit seiner steuerfreien Einkommenspolitik und staatlich geförderten Gesundheitsversorgung attraktive Bedingungen für hochqualifizierte Expats.
Auch die Unsicherheit über die zukünftige Rentenversorgung bewegt viele dazu, Deutschland zu verlassen. Während das deutsche Rentensystem immer wieder auf den Prüfstand gestellt wird und oft als wenig zukunftssicher gilt, setzen andere Länder auf stabilere Modelle. Die Schweiz kombiniert beispielsweise staatliche, berufliche und private Vorsorge zu einem Drei-Säulen-System, das für viele als robuster und langfristig nachhaltiger gilt. Gerade für jüngere Generationen stellt sich daher die Frage, ob sie ihre Altersvorsorge nicht besser in einem Land aufbauen, das langfristig stabilere Rentenperspektiven bietet.
Jakarta, Indonesien © Creativa Images, AdobeStock
Arbeitsmarkt und Karrierechancen
Viele Menschen, die Deutschland verlassen, sind gut ausgebildete Fachkräfte und Akademikerinnen und Akademiker. Laut dem Talente-im-Ausland-Bericht der OECD (2015) leben rund 3,4 Millionen Deutsche im Ausland, von denen rund 2,7 Millionen im erwerbsfähigen Alter sind. Viele von ihnen sind in Berufen mit hohem Qualifikationsniveau tätig.
Der Grund dafür: In anderen Ländern sind die Arbeitsbedingungen oft attraktiver. Viele schätzen dort nicht nur die besseren Gehälter, sondern auch weniger Bürokratie, effizientere Behörden und eine bessere Work-Life-Balance.
Auch für Selbstständige und Gründende gibt es im Ausland oft bessere Optionen. In Ländern wie Singapur oder Dubai ist es viel unkomplizierter, ein Unternehmen zu gründen, da es weniger Vorschriften gibt. Dadurch können neue Ideen schneller umgesetzt werden.
Südostasien entwickelt sich zunehmend zu einem Hotspot für Expats, Unternehmer und Unternehmerinnen sowie digitale Nomadinnen und Nomaden. Während Malaysia mit Steuervergünstigungen und dem Malaysia Tech Entrepreneur Programme (MTEP) Start-ups und Selbstständigen den Markteintritt erleichtert, erlebt Vietnam einen starken Wirtschaftsboom, vor allem in den Bereichen IT, E-Commerce und digitale Dienstleistungen – besonders Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt ziehen ausländische Fachkräfte an. Indonesien hat mit Bali längst einen der weltweit beliebtesten Standorte für ortsunabhängiges Arbeiten geschaffen. Thailand bietet mit Bangkok als wirtschaftlichem Zentrum und Chiang Mai als Mekka für digitale Nomaden eine gute Mischung aus moderner Infrastruktur, erschwinglichen Lebenshaltungskosten und einem entspannten Lebensstil. Besonders in der Tech-, Tourismus- und Gesundheitsbranche gibt es wachsende Karrieremöglichkeiten für internationale Fachkräfte.
Ein weiterer Vorteil der Arbeit im Ausland ist die internationale Berufserfahrung. Sie macht Bewerbende für Unternehmen attraktiver, da sie Fachwissen, interkulturelle Kompetenzen und Sprachkenntnisse mitbringen. Gerade in einem globalen Arbeitsmarkt kann das die Karrierechancen deutlich verbessern.
Politische und gesellschaftliche Faktoren
Viele Deutsche sind mit der politischen Entwicklung unzufrieden. Laut einer Umfrage der Universität Freiburg empfinden 74 Prozent die Spaltung der Gesellschaft als größte Krise – noch vor dem Ukrainekrieg und der Inflation. Statt die tatsächlichen Probleme gemeinsam anzugehen, scheint eher der Kampf gegeneinander im Fokus zu stehen.
Auch das gesellschaftliche Klima empfinden viele als angespannt. Laut der Allensbach-Umfrage 2023 glauben nur noch 40 Prozent, dass sie ihre Meinung frei äußern können. Besonders in sozialen Medien fürchten Menschen berufliche Konsequenzen oder soziale Ächtung, wenn sie offen sprechen. Wer das Gefühl hat, sich nicht mehr frei äußern zu können oder gesellschaftlich unter Druck zu stehen, sieht im Ausland oft eine bessere Alternative.
Singapur © TTstudio, AdobeStock
Bildung und Familienmotive
Viele Familien verlassen Deutschland, weil sie sich für ihre Kinder ein besseres Bildungssystem wünschen. In vielen Ländern gibt es deutlich flexiblere Schulkonzepte, die weniger Druck ausüben und individuellere Förderung ermöglichen. Einige Eltern möchten ihre Kinder zuhause unterrichten oder befürworten das Unschooling-Konzept. Sie fühlen sich in Deutschland in ihrer Freiheit und Eigenverantwortung beschnitten, da hier eine strikte Schulpflicht gilt.
Auch Studierende zieht es ins Ausland. Deutschland hat nur wenige Elite-Universitäten, während Hochschulen wie Oxford, Harvard oder das MIT international einen exzellenten Ruf genießen. Ein Abschluss von solchen Institutionen kann Karrieren fördern und Türen öffnen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sprachliche und kulturelle Erfahrung. Wer im Ausland aufwächst, lernt früh neue Sprachen und entwickelt interkulturelle Kompetenz – ein klarer Vorteil in einer globalisierten Welt.
Schließlich spielen auch persönliche Verbindungen eine Rolle. Manche ziehen aus Liebe oder wegen der Familie ins Ausland, um näher bei ihren Partnern oder Verwandten zu sein. In solchen Fällen geht es weniger um Bildung oder Karriere, sondern einfach darum, das Leben mit den richtigen Menschen zu teilen.
Lebensqualität und Umweltfaktoren
Die Lebensqualität und Umweltfaktoren spielen eine entscheidende Rolle für viele, die Deutschland verlassen möchten. Während es in Deutschland von Oktober bis März oft grau und regnerisch ist, bieten Länder in Südostasien deutlich mehr Sonnenstunden und angenehmere Temperaturen.
In Bangkok, Thailand, liegen die durchschnittlichen Höchsttemperaturen im Januar bei etwa 32 Grad Celsius, mit minimalen Niederschlägen von durchschnittlich 6 mm im gesamten Monat. Auf Bali, Indonesien, bewegen sich die Temperaturen im Januar zwischen 24 Grad Celsius und 31 Grad Celsius, wobei die Regenzeit zu kurzen, aber heftigen Schauern führen kann.
Neben dem Wetter sehnen sich viele nach mehr Raum und Natur. Deutschland hat eine Bevölkerungsdichte von 233 Einwohnern pro Quadratkilometer, während es in Malaysia mit rund 100 Einwohnern pro Quadratmeter und Laos mit etwa 32 Einwohnern pro Quadratkilometer deutlich weniger dicht besiedelt sind. In den ländlichen Gebieten der Philippinen oder auf Inseln wie Palawan ist die Bevölkerungsdichte noch geringer. Wer von hektischen Städten Abstand nehmen will, findet in Südostasien viele Orte mit unberührter Natur und weniger Stress.
Auch der Lebensstil in Südostasien unterscheidet sich deutlich. Während in Singapur hohe Produktivität und Effizienz dominieren, setzen Thailand, Indonesien, die Philippinen und Malaysia stärker auf familiäre Werte und ein entspanntes Zusammenleben. Die Gelassenheit im Alltag, insbesondere in kleineren Städten oder auf den Inseln, trägt dazu bei, dass sich viele Auswandernde wohler und ausgeglichener fühlen.
Wer eine bessere Work-Life-Balance sucht, findet in vielen südostasiatischen Ländern attraktive Alternativen.
Bangkok, Thailand © tawanlubfah, AdobeStock
Sicherheit und gesellschaftliche Entwicklungen
Das Sicherheitsgefühl ist für viele Menschen ein Faktor, wenn sie über eine Auswanderung nachdenken. Während Deutschland insgesamt als sicheres Land gilt, haben sich die Kriminalitätsraten in den letzten Jahren verändert. 2023 wurden rund 5,9 Millionen Straftaten registriert – ein Anstieg von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders auffällig ist die Zunahme von Gewaltverbrechen.
Ein besorgniserregendes Thema sind Messerangriffe, die in Deutschland häufiger werden. Täglich gibt es im Durchschnitt etwa 25 Fälle, die oft auch Frauen, Kinder oder ältere Menschen betreffen. Diese Entwicklungen führen dazu, dass sich manche Menschen in Deutschland nicht mehr sicher fühlen und gezielt nach Ländern suchen, die eine geringere Kriminalitätsrate haben.
Neben der Kriminalität spielen auch gesellschaftliche Veränderungen eine Rolle. Viele Menschen wünschen sich ein harmonischeres, ruhigeres Lebensumfeld mit weniger sozialer Spannung und einer stabileren gesellschaftlichen Atmosphäre. In Ländern mit einer entspannten Kultur und einem hohen Sicherheitsniveau fühlen sich manche Auswandernde wohler. Besonders die Schweiz, Kanada oder Japan gelten als sichere Staaten mit einer starken sozialen Ordnung.
Bessere medizinische Versorgung im Ausland
Eine gute Gesundheitsversorgung ist für viele Auswandernde ein entscheidender Faktor – besonders für ältere Menschen oder Personen mit chronischen Erkrankungen. Zwar ist das deutsche Gesundheitssystem gut ausgebaut, doch die Kosten für Versicherungen und Zuzahlungen steigen. Gleichzeitig sorgen lange Wartezeiten für Facharzttermine oder Operationen dafür, dass manche im Ausland eine bessere Alternative suchen.
In einigen Ländern ist die medizinische Versorgung nicht nur günstiger, sondern auch hochwertig. Laut Statista gehören Singapur, Japan und Südkorea zu den Ländern mit den besten Gesundheitssystemen weltweit. Auch in Spanien und Portugal finden viele Personen im Ruhestand eine solide medizinische Betreuung – oft zu deutlich niedrigeren Kosten als in Deutschland.
Ein Vergleich einiger beliebter Zielländer zeigt deutliche Unterschiede:
- Spanien: Hochwertige Gesundheitsversorgung, viele deutschsprachige Ärztinnen und Ärzte, gesetzliche Krankenversicherung für EU-Bürgerinnen und Bürger oft günstiger als in Deutschland.
- Portugal: Gute medizinische Versorgung, niedrigere Arztkosten, allerdings teils längere Wartezeiten in staatlichen Kliniken.
- Thailand: Private Krankenhäuser mit moderner Ausstattung und kurzen Wartezeiten, Behandlungen oft preiswerter als in Europa.
- Schweiz: Sehr hohe Qualität, aber teuer. Eine private Versicherung ist für viele unumgänglich.
- USA: Spitzenmedizin, aber extrem hohe Kosten. Ohne private Versicherung kaum bezahlbar.
Wer ins Ausland zieht, sollte sich frühzeitig über das Krankenversicherungssystem vor Ort informieren. Während manche Länder eine staatliche Absicherung für EU-Bürgerinnen und Bürger bieten, ist in anderen Ländern eine private Krankenversicherung notwendig. Auch die Behandlungskosten variieren stark: Eine Routineuntersuchung in Thailand kostet beispielsweise 30 bis 50 Euro, während in der Schweiz oder den USA schnell das Zehnfache fällig wird. Wer im Ausland lebt, kann also sowohl von besserer als auch günstigerer medizinischer Versorgung profitieren – vorausgesetzt, man informiert sich gut.
Auswandern: Zusammenspiel verschiedener Gründe
Die Entscheidung, auszuwandern, ist individuell und entsteht oft aus einer Mischung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und persönlicher Faktoren. Bei mir war es eine Kombination aus Freiheitsliebe, Abenteuerlust und dem Wunsch nach mehr Sonne, die mich 2017 den Schritt ins Ausland gehen ließ. In Deutschland hatte ich oft das Gefühl, nicht richtig hineinzupassen – als würde ich mich ständig in ein System pressen müssen, das mir nicht entsprach. Bei meiner ersten Asienreise 2004 hingegen hatte ich sofort das Gefühl, angekommen zu sein. Die Mentalität der Menschen hier – zurückhaltend, sanftmütig, weniger auf Ellenbogen-Mentalität ausgerichtet – passt einfach besser zu mir.
Heute bin ich dankbar, dass ich meinem Kind ein Leben in Asien ermöglichen kann. Als Alleinerziehende kann ich hier einen relativ hohen Lebensstandard bieten. Wir haben uns bewusst für eine Privatschule entschieden, in der es keine Anwesenheitspflicht, keinen Hausaufgabendruck und keinen Stress mit Pünktlichkeit gibt – genau das, was ich mir für meine Tochter wünsche. Für andere Auswandernde stehen vielleicht eher Karrierechancen oder ein stärkeres Sicherheitsgefühl im Vordergrund. Welche Faktoren am meisten wiegen, ist letztlich für jeden Menschen unterschiedlich.