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Interview
Im Park in Olhão haben wir viel Zeit verbracht. Er ist direkt am Wasser gelegen und es gibt entlang der Promenade viele kleine Cafés, Restaurants und auch Spielplätze. © Britta Boshuis

„Abenteuer Ausland: Warum der Umzug nach Portugal nicht für immer war“

Britta Boshuis hat schon einige Länder bereist, viele auch mit dem Van. Zudem entschied sie sich, mit ihrer Familie nach Portugal auszuwandern. Was für Herausforderungen damit einher gingen und warum sie heute wieder in Deutschland lebt, berichtet sie uns im Interview.

Was war die größte Herausforderung für euch, als ihr ins Ausland gezogen seid?

Britta: Es fing natürlich bei der Vorbereitung noch in Deutschland an. Auch wenn wir keine Möbel mitgenommen haben, da wir testweise nach Portugal gegangen sind und dort in ein möbliertes Haus gezogen sind, war die Organisation vorher schon immens. Wir haben alles alleine gemacht und hatten gerade eine 6 Monate alte Tochter und unsere Hündin, die natürlich auch beide betreut werden wollen neben all der Organisation. Vor Ort war es dann schon ein kleiner Kulturschock, obwohl wir das Land durch Reisen kennen. Aber eben nur durch Reisen. Die Anpassung an die neue Lebensweise und einige bürokratische Dinge waren schon herausfordernd. Zum einen gab es die sprachliche Barriere. Obwohl viele Portugiesen und Portugiesinnen Englisch sprechen, ist es nicht selbstverständlich, dass man immer verstanden wird, besonders bei Behördengängen oder bei kleineren Dienstleistern wie dem Handwerker oder in Geschäften. Außerdem mussten wir uns an ein anderes System gewöhnen, in dem Dinge nicht immer gleich effizient oder schnell erledigt werden, wie wir es aus Deutschland gewohnt sind. Wir sind in ein kleines Dorf gezogen, in dem nur Einheimische wohnten. Auch die Freundlichkeit, die wir sonst aus dem Land kennen, blieb tatsächlich vorerst aus. Das war schon erstmal schwierig und unerwartet. Als wir dann aber „bekannt“ waren, wurde es besser.

Wie unterscheidet sich das Reisen in einem Land vom tatsächlichen Leben dort?

Britta: Ich hole hier gern ein bisschen weiter aus, weil ich diesen Punkt sehr wichtig finde und er viele Bereiche tangiert, die im Alltag ein Thema werden.

Da ist zum einen die kulturelle Wahrnehmung versus dem Alltag zu nennen: Als Reisende nimmt man hauptsächlich die Highlights eines Landes wahr – Sehenswürdigkeiten, Festivals, Strände, Restaurants, und vielleicht das Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Man erlebt das Land oft in einem begrenzten, idealisierten Kontext, der dich nicht unbedingt mit den täglichen Herausforderungen des Lebens konfrontiert. Wenn man dagegen im Land lebt, wird einem bewusst, dass das Leben oft mit weniger Glamour und mehr Routine verbunden ist. Man muss sich mit bürokratischen Prozessen (Steuernummer beantragen, Gesundheitsversorgung, etc.), der Arbeitssituation, Alltagsstress und manchmal auch mit sprachlichen und kulturellen Barrieren auseinandersetzen.

INTERVIEW Sonnenuntergang im Oasis Surf CampDie Sonnenuntergänge in Portugal sind einfach traumhaft. Hier schauen wir uns den Sonnenuntergang im Oasis Surf Camp an der Algarve an. © Britta Boshuis

Dann sind da die finanziellen Unterschiede: Im Urlaub sind die Preise für viele Dinge oft höher, besonders in touristischen Hotspots. Man gibt vielleicht mehr Geld aus, als ursprünglich geplant, aber es ist eben für einen begrenzten Zeitraum. Als Reisende oder Reisender kann man schon mal jeden Tag essen gehen und einfach genießen.

Der Alltag ist finanziell dann aber doch anders. Viele alltägliche Ausgaben wie Miete, Lebensmittel und Transport summieren sich. Die Lebensmittelkosten und Mieten (an den beliebten Orten, Algarve und Westküste) sind vergleichbar mit Deutschland. Jeden Tag essen gehen, so wie im Urlaub, macht man dann eher nicht.

„Viele alltägliche Ausgaben wie Miete, Lebensmittel und Transport summieren sich. Die Lebensmittelkosten und Mieten (an den beliebten Orten, Algarve und Westküste) sind vergleichbar mit Deutschland.“

Auch die wirtschaftlichen und sozialen Realitäten sind auf Reisen anders: Touristinnen und Touristen erleben das Land oft in einem Zustand der Entspannung, wo sie sich wenig um die wirtschaftlichen oder sozialen Probleme des Landes kümmern müssen. Viele Reisende sehen hauptsächlich das Land durch eine rosarote Brille.

Wenn man allerdings in Portugal lebt, wird man schneller mit den realen wirtschaftlichen Bedingungen konfrontiert. Obwohl Portugal eine hohe Lebensqualität bietet, gibt es Herausforderungen, wie die hohe Arbeitslosigkeit bei jungen Leuten oder Probleme im Immobilienmarkt, die für Auswandernde oder Einheimische belastend sein können. Auch wurde uns oft widergespiegelt, dass gerade ausländische Einwanderer das „Problem“ des Ganzen sind, da dadurch vor Ort natürlich Miete, Grundstückspreise und weitere Kosten steigen, was es für die Einheimischen schwieriger machen kann.

Das Thema Sprache und Kommunikation ist ein weiterer Punkt, den man nicht vernachlässigen sollte. Reisende kommen in touristischen Gegenden mit Englisch oder anderen Fremdsprachen gut zurecht, da viele Menschen, vor allem im Servicebereich, auf Englisch kommunizieren können. Im Alltag waren wir teilweise schon auf die portugiesische Sprache angewiesen. In ländlicheren Gebieten oder bei formellen Angelegenheiten (zum Beispiel Behördengänge, Krankenhäuser) ist Portugiesisch fast unerlässlich. Zum Glück gibt es mittlerweile Google Translate, denn unser Portugiesisch, welches wir im Kurs angefangen hatten zu lernen, reicht noch lange nicht aus. 

Auch das Thema Soziale Integration ist anders, sobald man in einem Land lebt. Reisende sind oft „passive“ Beobachtende, die das Land nur in ihrer Freizeit erleben. Sie haben in der Regel weniger Kontakt zu Einheimischen, und die wenigen Interaktionen sind häufig flüchtig und auf den Urlaub konzentriert.

INTERVIEW Praia da Falésia Weihnachten 2023Praia da Falésia – hier haben wir uns Weihnachten 2023 ein Haus mit Freundinnen und Freunden gemietet und mit ihnen zusammen die Weihnachtstage verbracht. © Britta Boshuis

Wenn man in einem Land lebt, wird man tiefer in die Gesellschaft eingebunden. Man hat die Möglichkeit, Freundinnen undFreunde zu finden, sich kulturell zu integrieren und die sozialen Dynamiken vor Ort zu erleben. Das kann sowohl bereichernd als auch herausfordernd sein, besonders wenn man mit kulturellen Unterschieden und der Integration in eine neue Gesellschaft zu kämpfen hat.

Wenn man in einem Land lebt, muss man sich, wenn man nicht gerade im Ruhestand ist, mit dem Thema Arbeit befassen, denn irgendwie muss das Leben ja auch finanziert werden. Als Reisende haben wir unseren Aufenthalt damit verbracht, uns zu entspannen, zu erkunden und Zeit mit Urlaub zu verbringen.

Lebt man vor Ort, können Arbeit und Beruf einen Großteil deiner Zeit einnehmen und der Arbeitsmarkt kann gewisse Herausforderungen bieten, vor allem in bestimmten Branchen. Auch das Finden einer gut bezahlten Arbeit kann schwieriger sein, wenn man nicht in spezialisierten Sektoren arbeitet.

Je länger man in einem Land lebt, desto langfristiger werden die Perspektiven. Reisen bietet eine kurzfristige Flucht aus dem Alltag, und man sieht das Land mit einer „Urlaubsbrille“, was bedeutet, dass man viele der kleineren Probleme des Lebens einfach nicht wahrnimmt.

Die langfristige Perspektive zeigt, wie sich die Jahreszeiten verändern, wie sich soziale Normen und Arbeitsbedingungen entwickeln, und man wird mit den täglichen Herausforderungen konfrontiert, die man als Reisende nicht sieht.

Zusammenfassend ist klar zu unterscheiden, dass Reisen nicht den Alltag abbildet. Es bietet eine entspannte, idealisierte Version eines Landes, die oft nur die schönen Seiten und touristischen Höhepunkte zeigt. Das tatsächliche Leben vor Ort ist komplexer und umfasst viele andere Aspekte, wie Arbeit, Integration, soziale Normen und wirtschaftliche Herausforderungen, die Touristinnen und Touristen nicht immer wahrnehmen oder erleben. Die wahre Erfahrung, in einem Land zu leben, erfordert Anpassung und kann sowohl bereichernd als auch herausfordernd sein.

„Langfristig man wird mit den täglichen Herausforderungen konfrontiert, die man als Reisende nicht sieht.“

Wie sah ein Alltag bei euch aus und wie unterschied er sich von einem Alltag in Deutschland?

Britta: Im Grunde war der Alltag dem in Deutschland schon relativ ähnlich. Wir haben unsere Jobs behalten, da wir beide remote arbeiten. Ich habe oft gesagt: „Unser Alltag ist irgendwie genau wie in Lübeck, nur in warm.“

Wenn man das aber größer betrachtet, dann ist der Alltag in Portugal in vielerlei Hinsicht schon etwas entspannter als in Deutschland. Der Tag beginnt später, viele Menschen gehen erst gegen 9 oder 10 Uhr zur Arbeit, und auch die Mittagspause ist länger – sie dauert oft bis zu zwei Stunden. In den südlichen Regionen, besonders im Sommer, geht das Leben deutlich später weiter. Die Menschen essen oft erst gegen 20 Uhr zu Abend, und es ist üblich, sich nach dem Abendessen noch einen Spaziergang zu machen oder in ein Café zu setzen. Auch unsere Tochter war immer super spät im Bett, weil wir auch abends oft noch länger unterwegs waren.

INTERVIEW Faro Beach hier haben wir viele unserer Tage und Abende verbrachtFaro Strand – hier haben wir viele unserer Tage und Abende verbracht. © Britta Boshuis

Ein weiterer großer Unterschied ist, dass das soziale Leben stark auf das gemeinsame Essen und den Austausch ausgerichtet ist. In Deutschland ist man oft sehr organisiert und fokussiert auf Effizienz, was in Portugal eher in den Hintergrund tritt. Hier wird das Mittagessen als eine Auszeit gesehen, ein Moment der Geselligkeit. Viele Dinge gehen einfach deutlich langsamer vonstatten. Was einerseits entspannt ist, andererseits auch viel Geduld erfordert – gerade, wenn man es aus Deutschland eher anders kennt.

Was sind die wichtigsten Dinge, die man beachten sollte, bevor man in ein anderes Land zieht?

Britta: Man sollte sich gut auf die kulturellen Unterschiede vorbereiten. Es hilft, die Sprache zu lernen oder zumindest Grundkenntnisse zu haben, um die ersten wichtigen Kommunikationsbarrieren zu überwinden. Auch die rechtlichen und bürokratischen Anforderungen, wie die Anmeldung im neuen Land, die Krankenversicherung und die Steuervorschriften, müssen frühzeitig geklärt werden. In Portugal gibt es beispielsweise andere Steuersysteme und Sozialversicherungsregelungen als in Deutschland, was sich auf das tägliche Leben auswirken kann. Eine gute Vorbereitung auf all diese Dinge erleichtert den Umzug erheblich.

„Es hilft, die Sprache zu lernen oder zumindest Grundkenntnisse zu haben, um die ersten wichtigen Kommunikationsbarrieren zu überwinden.“

Außerdem sollte man sich vorher über die Lebenshaltungskosten und die Gehaltsstruktur im neuen Land informieren, um nicht von unerwarteten finanziellen Belastungen überrascht zu werden. Es ist auch wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, wie das soziale Netz funktioniert – ob man sich leicht mit anderen Expats oder Einheimischen vernetzen kann und wie leicht es ist, sich in die Gesellschaft zu integrieren.

Wir haben relativ schnell Kontakte zu anderen Expats geknüpft. Meine Empfehlung dazu: Facebook-Gruppen. Ich habe nach passenden Gruppen gesucht und dort einen Beitrag einer Frau gesehen, die so ziemlich die gleiche Geschichte hatte, wie wir. Durch sie sind wir mit vielen anderen Expats in Kontakt gekommen. In diesen Gruppen kann man natürlich auch selbst einen Beitrag erstellen und so in Kontakt kommen.

Welche kulturellen Unterschiede sind dir besonders aufgefallen?

Britta: Ein sehr starker kultureller Unterschied in Portugal war die Bedeutung von Familie und sozialen Netzwerken. In vielen portugiesischen Familien leben mehrere Generationen unter einem Dach, und es ist nicht ungewöhnlich, dass Eltern und Großeltern aktiv in das Leben der Kinder und Enkelkinder eingebunden sind. Auch die Zeit, die mit der Familie verbracht wird, hat einen hohen Stellenwert. Es ist nicht selten, dass die ganze Familie am Wochenende zusammenkommt, um zu essen oder Zeit zu verbringen.

Außerdem fällt auf, dass das Zeitverständnis viel entspannter ist als in Deutschland. In Portugal ist es normal, dass Termine flexibel sind – sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Pünktlichkeit wird weniger streng gesehen, was einem wirklich viel Geduld abfordern kann. Ein weiterer Punkt ist, dass in Portugal das soziale Leben sehr stark im Freien stattfindet. Besonders in den Sommermonaten sind die Straßen, Plätze und Cafés bis spät in die Nacht voller Menschen, was ein völlig anderes Lebensgefühl vermittelt als in Deutschland.

INTERVIEW Die kleinen Gassen in OlhãoDie kleinen Gassen in Olhão sind besonders charmant. Fun Fact: Auf unseren Reisen haben wir Olhão immer ausgelassen. Ein Besuch lohnt sich auf einer Reise aber auf jeden Fall! © Britta Boshuis

Kinder sind in Portugal überall willkommen – auch abends in Restaurants. Wenn unsere Tochter dann mal keine Lust mehr hatte, sitzen zu bleiben, kam immer jemand von den Angestellten und hat sie entertaint. Wir hatten tatsächlich das Gefühl, dass Kinder hier mehr ins Leben integriert werden und einfach dazu gehören. So wie es sich eben gehört. Das vermissen wir tatsächlich in Deutschland teilweise sehr.

Wie unterscheidet sich das Gesundheitssystem in Portugal im Vergleich zu Deutschland?

Britta: Das portugiesische Gesundheitssystem ist grundsätzlich sehr gut und deckt viele grundlegende Bedürfnisse ab. Das öffentliche Gesundheitssystem (SNS) bietet allen Einwohnerinnen und Einwohnern Zugang zu Gesundheitsdiensten, jedoch mit längeren Wartezeiten, besonders bei nicht dringenden Fällen. In Deutschland sind die Wartezeiten in der Regel kürzer, und die Qualität der medizinischen Versorgung ist allgemein sehr hoch. Auch die Verfügbarkeit von Fachärzten ist in Deutschland besser.

„Das portugiesische Gesundheitssystem ist grundsätzlich sehr gut und deckt viele grundlegende Bedürfnisse ab.“

In Portugal gibt es aber auch viele private Gesundheitsoptionen, die schneller zugänglich sind, aber eben auch teurer. Privatversicherungen sind daher sehr beliebt, wenn man die Wartezeiten umgehen möchte. Wir waren zweimal mit unserer Tochter im privaten Krankenhaus, da dort auch die Kinderärzte ansässig sind. Dort war alles super sauber und sehr gut organisiert.

Welche Kosten sollte man vor Ort einplanen, die vorher nicht bedacht wurden?

Britta: Dadurch, dass immer mehr Expats nach Portugal gehen, sind die Mietkosten – vor allem in den beliebten Regionen, wie zum Beispiel der Algarve, der südlichen Westküste bei Aljezur und im Surferort Ericeira – enorm angestiegen. Gerade in der Hauptsaison zahlt man hier teilweise genau so hohe Mieten wie in kleineren Städten in Deutschland. 

Auch die Häuser und Grundstückspreise sind in Portugal enorm gestiegen. Im Binnenland bekommt man schon günstige Grundstücke und Häuser, aber in den beliebten Regionen sind die Preise sehr in die Höhe geschossen.

Ein großer Kostenfaktor ist auch immer die Versicherung. Besonders bei einem Umzug ins Ausland sollte man sich frühzeitig mit der Krankenversicherung auseinandersetzen. In Portugal gibt es gute private Versicherungsmöglichkeiten, die man in Betracht ziehen sollte, besonders wenn man nicht sofort die portugiesische Sozialversicherung in Anspruch nehmen möchte. Wenn man sich jedoch regelmäßig in Deutschland aufhält, sei es Familienbesuche oder Urlaube, die man nun dort macht, sollte man eine Krankenversicherung haben, die auch im Heimatland Behandlungskosten deckt, sonst zahlt man alles privat aus der eigenen Tasche.

INTERVIEW Fuseta BeachHier stehen meine Tochter und ich am Fuseta Strand. Wir sind auch oft mit unserer Hündin hier spazieren gegangen und haben jedes Mal Flamingos gesichtet. Das war schon was ganz Besonderes. © Britta Boshuis

Auch die Lebensmittelpreise können variieren – in touristischen Gegenden sind sie teurer als erwartet. Wenn man häufiger auswärts isst oder in Cafés geht, sollte man auch das Budget dafür etwas höher ansetzen, da das Leben in den Städten an touristischen Hotspots teurer sein kann. Die Lebensmittel in Supermärkten sind denen in Deutschland gleichzusetzen. Günstiger ist es, wenn man auf Märkten einkaufen geht.

„Tatsächlich viel gefehlt hat uns in der Zeit, in der wir da waren, nicht.“

Gab es etwas, was euch besonders gefehlt hat, als ihr in Portugal gelebt habt?

Britta: Tatsächlich viel gefehlt hat uns in der Zeit, in der wir da waren, nicht.

Klar, die Nähe zu Familie und Freundinnen und Freunden – das haben wir dann aber eher auf lange Sicht gesehen. Für den Moment war das fein, für allezeit konnten wir uns diese Entfernung nicht vorstellen.

Mir persönlich hat um die Weihnachtszeit herum ein bisschen die Gemütlichkeit gefehlt. Unser Haus war komplett auf den Sommer ausgelegt, die Einrichtung war auch nicht wirklich gemütlich, so wie wir es kennen.

Ach ja und so banal das klingen mag, ein Ding fehlte mir persönlich doch ziemlich oft: Deutsche Drogeriemärkte.

Welche unvorhergesehenen Gegebenheiten hast du erlebt, die du vorher gar nicht in Betracht gezogen hast?

Britta: Wir wollten zum Beispiel mit unserer Tochter zum Impfen. Es gibt für jedes Land unterschiedliche Impfschemen, was uns tatsächlich nicht bewusst war. Zur Impfung mussten wir ins staatliche Gesundheitszentrum. Es gab keine Möglichkeit die Impfung im privaten Krankenhaus machen zu lassen. Im Zentrum pochten sie aber darauf, dass wir uns an das portugiesische Impfschema halten. So hätte unsere Tochter erstens Impfungen doppelt erhalten und einige Impfungen gar nicht. Nach Rücksprache mit unserem Kinderarzt in Deutschland haben wir gewartet und alle Impfungen in Deutschland machen lassen.

Außerdem: die Kälte in der Wohnung im Winter! In Portugal haben die Häuser meistens keine Heizung. Im Winter ist es üblich, dass die Portugiesinnen und Portugiesen mit Jacke im Haus sitzen. Dadurch entsteht natürlich auch superschnell Schimmel, was auch wir gemerkt haben, obwohl unser Haus neu saniert war. Wir hatten bei uns zwar Standheizungen von unserer Vermieterin, die reichten aber natürlich nicht, um die Wände aufzuwärmen und gegen den Schimmel zu schützen.

Ein Tipp einer Freundin: Geh im Winter ins Ausland, wenn du dir überlegst dort länger zu leben. Die Sommer sind meist schön, voller Touristinnen und Touristen, sonnig und warm. Im Winter kann es auch im Süden zu Kälte kommen – vor allem eben in den Häusern, weil sie meist keine Heizung haben.

INTERVIEW Unser Camper, den wir hatten vor unserem kleinen Haus in PortugalUnser Camper, den wir hatten, vor unserem kleinen Haus in Portugal. Auch während wir unten gelebt haben, haben wir viele kleine Trips mit dem Camper gemacht. © Britta Boshuis

Hast du mit banalen Dingen wie ständig bellenden Hunden im Süden Probleme gehabt?

Britta: Leider ja. Um uns herum gab es in jedem Haus Hunde. Diese Hunde werden aber anders gehalten als bei uns. Oft sind sie in einem Käfig oder an einer Kette fest. Sie werden als Wachhunde genutzt und bellen teilweise stundenlang non-stop. Das kommt sicherlich immer auf die Region an, aber bei uns in der Gegend war es leider sehr auffallend. Auch nachts war das Gebell zeitweise zu hören, dennoch können einem die Hunde nur leid tun.

Man gewöhnt sich zwar mit der Zeit an das Gebell, aber es bricht einem schon das Herz, wenn man sieht, wie die Hunde dort teilweise gehalten werden.

Viele Menschen ziehen in ein neues Land, um nicht in einem System zu landen. Hast du das Gefühl, dass du in einem System gelandet bist? 

Britta: Ja, man landet immer irgendwie in einem System – ob in Deutschland oder Portugal oder irgendeinem anderen Land. Sobald man sich anmeldet, wird man Teil der Bürokratie des Landes, was eben gewisse Verpflichtungen mit sich bringt und auch per se nicht schlimm ist. Der Autokauf in Portugal zum Beispiel war schon eine kleine Herausforderung, da man erst die Steuernummer brauchte und dann mit etlichen Papieren zusammen mit der Verkäuferin zum Amt musste. Und auch da wussten wir nicht sofort, wo wir hinmussten. Also ja, man landet im System, immer und überall. Das könnte man ja nur vermeiden, wenn man sich abmeldet und versteckt im Wald lebt.

„Sobald man sich anmeldet, wird man Teil der Bürokratie des Landes.“

Einige Menschen verwechseln, dass sie bei Besuchen zu jemandem kommen, der sein Leben in einem anderen Land lebt. Hattet ihr auch solche Situationen?

Britta: Ja, das ist ein häufiges Missverständnis. Teilweise war es schon so, dass der Besuch davon ausgegangen ist, dass wir jeden Tag mit auswärts essen und Ausflüge machen können. Aber natürlich hatten wir unseren normalen Alltag, haben in der Woche gearbeitet und können auch nicht jeden Tag essen gehen. Das machen wir hier im Alltag auch nicht. Im Urlaub ist das natürlich immer was anderes. Es kam aber nie zu einem Streit oder einer Auseinandersetzung dazu. Wenn wir es erklärt haben, war da immer Verständnis.

INTERVIEW Unsere Terrasse in Portugal zwischen Faro und OlhãoUnsere Terrasse in Portugal – zwischen Faro und Olhão. Ein absoluter Lieblingsort für uns alle. © Britta Boshuis

Am Wochenende oder an den Nachmittagen haben wir aber super gern unsere Umgebung und alles gezeigt und haben uns immer über Besuch gefreut. Das heißt schon etwas, wenn jemand den langen Weg auf sich nimmt und uns besuchen kommt. Wir haben es sehr wertgeschätzt.

“Das Leben in einem neuen Land wird immer anders sein als im Urlaub.”

Was würdest du jemandem sagen, der aus Deutschland wegziehen will, weil er dort unglücklich ist?

Britta: Du wirst nicht automatisch glücklich sein, nur weil du den Ort oder das Land wechselst. In gewissem Maße kann natürlich ein schöner Wohnort, nah am Meer, in den Bergen oder in der Natur dazu beitragen, dass es einem gesundheitlich besser geht und auch das Glücksgefühl steigert. Wenn man dann allerdings im Alltag angekommen ist, dann werden vermutlich auch die Probleme und Sorgen wiederkommen, die man vorher hatte. Glück kommt nicht per se mit der Sonne oder mit dem schönen Ort. Das klingt jetzt wahnsinnig spirituell, aber Glück findet man nur bei sich selbst. Am besten vorher schauen, wo das Gefühl herkommt, dass man unglücklich ist. Sich selbst fragen, warum es so ist und ob man daran schon arbeiten kann. Auf keinen Fall erwarten, dass Probleme wie von selbst verschwinden. Das wird mit Sicherheit nicht passieren.

Ich würde ihnen raten, sich gründlich mit der Entscheidung auseinanderzusetzen und nicht nur aus einer momentanen Unzufriedenheit heraus zu handeln. Ein Umzug ins Ausland kann eine großartige Erfahrung sein, aber er ist auch mit vielen Herausforderungen verbunden. Man sollte sich gut vorbereiten und wirklich verstehen, was einen an dem neuen Land fasziniert und was man dort sucht. Es ist auch wichtig, realistisch zu sein – das Leben in einem neuen Land wird immer anders sein als im Urlaub.

Dennoch ist es meiner Meinung nach gut und wichtig mehrere Dinge ausprobiert zu haben und – wenn es geht – eben auch an mehreren Orten gelebt zu haben, um zu wissen, was man wirklich möchte. Daher würde ich jedem raten das Leben im Ausland auszuprobieren, wenn dieser Wunsch besteht. Denn, wenn man es nicht probiert, wird man es eben nie wissen.

INTERVIEW Salema Eco Camp wir waren dort sehr oft mit unserem CamperSalema Eco Camp – hier waren wir öfter für einige Tage mit unserem Camper. Viele Reisende, Familien, Auswandernde halten sich hier auf. Wir haben auch Gruppen getroffen, die dort eine Schulgruppe aufbauen wollten. Es gibt tägliche Yogaklassen, einen Co-Working Space und ein Restaurant. © Britta Boshuis

Am besten eine Testphase einplanen: In Deutschland noch nicht alles kündigen und im Ausland etwas befristetes und möbliertes mieten. So kann man schauen, wie das Leben vor Ort ist. Wenn man sich dann sicher ist, kann man sich um den Rest kümmern und weiß dann sicher: Das ist es! Genau hier möchte ich leben und bleiben. Oder eben auch nicht.

Egal, wie die Entscheidung dann ausfällt: Man ist auf jeden Fall um eine Erfahrung reicher und einen Schritt weiter in der Frage, was man im Leben möchte oder nicht.

„Man weiß immer erst ob etwas für einen selbst passt, wenn man es ausprobiert hat.“

Ihr habt euch nach acht Monaten entschieden, wieder zurückzukommen nach Deutschland. Was führte zu der Entscheidung?

Britta: Da spielen mehrere Dinge zusammen. Zum einen war die Nähe zu Familie und Freundinnen und Freunden, die wir wohl auf Dauer vermisst hätten. Die Familie ist im letzten Jahr gewachsen. Wir wollen Nichten und Neffen aufwachsen sehen und möchten die Nähe auch für unsere Tochter haben. All unseren Urlaub hätten wir daher vermutlich für Besuche in Deutschland und in den Niederlanden genutzt, da die Familie meines Mannes in den Niederlanden lebt. Dadurch wäre uns kaum Zeit zum Reisen geblieben. Da wir das Reisen aber lieben und auch neue Länder entdecken wollen, kam das langfristig für uns nicht in Frage und war tatsächlich ein sehr großer Punkt für unsere Entscheidung. Bei spontanen Heimatbesuchen hätten wir außerdem immer eine Betreuung für unsere Hündin gebraucht, mit der wir nicht einfach spontan losfliegen können.

INTERVIEW Picture for the part ÜBER BRITTA Salema BeachDer Salema Strand ist vom Salema Eco Camp per Shuttle zu erreichen und auch im Sommer bisher nicht ganz so überfüllt wie viele andere Strände an der Algarve. © Britta Boshuis

Allgemein war es die ganze Zeit auch einfach ein starkes innerliches Gefühl. Dass wir da in diesem Moment und zu diesem Zeitpunkt nicht richtig sind. Portugal ist und bleibt unser absolutes Herzensland. Und wer weiß, vielleicht passt es zu einem anderen Zeitpunkt. 

Bei allen Punkten kann man natürlich sagen: Das hätte man doch vorher wissen können. Ja, vielleicht hätte man sich das denken können. Aber es hätten uns 1000 Personen 1:1 so erzählen können und wir hätten es trotzdem probiert. Denn mein Mann und ich sind zum Glück beide der Meinung, dass man immer erst weiß, ob etwas für einen selbst passt, wenn man es ausprobiert hat. Und wir sind so dankbar für die Erfahrung und dass wir es gemacht haben. Das kann uns niemand mehr nehmen. 

Über Britta Boshuis

Britta ist gebürtige Hamburgerin und hat 2013 während eines Work&Travel Aufenthalts in Australien die Liebe zum Reisen so richtig entdeckt. In Sydney hat sie auch ihren heutigen Mann kennengelernt, mit dem sie in jeder freien Minute neue Länder entdeckt hat. 2021 haben sie in Portugal eine Hündin adoptiert und 2022 kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt. Britta hat einige Jahre als Freelancerin für den BDAE gearbeitet und ist heute fester Teil des Teams der Unternehmenskommunikation und Marketing. Zudem gibt sie Einblicke in ihre Reisen und ihr Leben auf ihrem Instagram-Kanal und ist ausgebildete Yogalehrerin.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Dezember 2024 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.