Schulungskultur in China: Tipps vom Interim Manager des Jahres 2024
Um als westlicher Stakeholder in China wirtschaftlichen Erfolg zu haben, muss man auch die dortige Unternehmenskultur verstehen.
Wie zum Beispiel eine wertschätzende Schulungskultur in China bei westlichen Unternehmen gut gelingt, erläutert Karlheinz Zuerl, CEO der German Technology & Engineering Corporation (GTEC) und ausgezeichnet als „Interim Manager des Jahres 2024“.
„Wer in China ein Geschäft aufbaut, muss zuerst das Qualifikationsniveau seiner Mitarbeiter genau prüfen und anpassen“, erklärt Zuerl, der auf Beratung und Interim-Management für westliche Firmen in Asien spezialisiert ist. Zuerl mahnt vor der Qualität von Bildungsabschlüssen in China: „In Deutschland kann man bei der Einstellung eines Maschinenbauingenieurs darauf vertrauen, dass dieser gut ausgebildet ist. In China ist jedoch nicht einmal sicher, ob das Diplom echt ist – und das betrifft nahezu alle Berufsgruppen.“
Deshalb rät Zuerl Unternehmen dringend zur Einrichtung einer unternehmensinternen Akademie. Diese soll jedoch nicht nur der Weiterbildung dienen: „Im ersten Schritt geht es darum, den aktuellen Wissensstand der Mitarbeiter durch ein Assessment zu überprüfen. Erst danach sollten gezielte Schulungen für bestimmte Positionen initiiert werden“, so Zuerl. Mit dieser Vorgehensweise können Unternehmen nicht nur die Qualifikationen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser einschätzen, sondern auch eine passgenaue Weiterbildung sicherstellen, die langfristig zum Geschäftserfolg beiträgt.
Unternehmensinterne Schulungen und „training on the job“
Von externen Schulungsanbietern rät der Manager jedoch ab. „In der chinesischen Kultur ist es unüblich, dass jemand von außen mehr weiß als die internen Mitarbeiter“, erklärt er. „Schulungen sollten daher im Unternehmen selbst stattfinden und dem Prinzip des Voneinander-Lernens folgen. Statt nüchterner Trainings, wie sie in westlichen Industrienationen üblich sind, sollten Schulungen in China von Enthusiasmus und gegenseitiger Anerkennung geprägt sein“, betont er. „Jeder Lernfortschritt sollte ausdrücklich gelobt werden, um die Motivation der Mitarbeiter zu steigern.“
Ein weiterer entscheidender Faktor im Unternehmen ist laut Zuerl das „training on the job“. Statt längerer Schulungsblöcke empfiehlt er kürzere Lerneinheiten von zwei Tagen, gefolgt von vier bis fünf Tagen praktischer Anwendung am Arbeitsplatz. „So kann das Erlernte direkt in die Praxis umgesetzt werden, bevor die nächste Schulungseinheit beginnt.”
Weiterbildungen haben einen hohen Stellenwert in China. „Chinesische Mitarbeiter betrachten es als persönliches Geschenk, wenn der Arbeitgeber eine Qualifizierungsmaßnahme finanziert“, so Zuerl. Dies sei Teil der chinesischen Mentalität: „Was man gelernt hat, kann einem keiner mehr nehmen.“ Angesichts der hohen Fluktuation in der chinesischen Arbeitswelt sei es daher besser, Schulungen in kleinen Einheiten über einen längeren Zeitraum zu verteilen. Dies steigert die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sorgt dafür, dass sie motiviert bei der Sache bleiben.
Betriebliches Vorschlagswesen fördert Innovationen und die Anerkennung der Mitarbeiter*innen
Außerdem rät der China-Experte Unternehmen zur Einführung eines betrieblichen Vorschlagswesens als festen Bestandteil der Lern- und Unternehmenskultur in China. „Viele westliche Firmen gehen davon aus, dass ihre Geschäftsprozesse perfekt sind und es nur darum geht, die chinesischen Mitarbeiter darauf anzupassen“, erklärt Zuerl. „Das ist nicht nur arrogant, sondern auch oft realitätsfern.“
Ein betriebliches Vorschlagswesen, bei dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre eigenen Verbesserungsvorschläge einbringen können, fördert laut Zuerl nicht nur Innovationen, sondern trägt auch zur deren Anerkennung bei. „Wenn Vorschläge ernsthaft diskutiert und umgesetzt werden, fühlt sich die Belegschaft wertgeschätzt. Das verwandelt den Arbeitsplatz in einen «Happy Place», der zur Mitarbeiterzufriedenheit und damit zur Produktivität beiträgt.“
“Neben einer finanziellen Prämie für umgesetzte Vorschläge sei laut Zuerl auch die öffentliche Anerkennung entscheidend. „Die Belobigung ist genauso wichtig wie die Prämie“, betont er. „In China kann ein Unternehmen nur dann langfristig wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn die Mitarbeiter sich wohlfühlen. Dieses Wohlbefinden sicherzustellen, ist zwar eine Herausforderung, aber der Aufwand lohnt sich auf lange Sicht.“