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Interview
Tatiana und Alex

„Wir wollen den Markt für das Einkaufen mit Sinn erweitern.“

Das aus Mexiko stammende Ehepaar Tatiana Jimenez Cardenas und Alejandro (Alex) Alfaro Arrieta  kam für ihr Informatikstudium nach Freiburg, Deutschland. Nachdem in den letzten Jahren ihre Liebe für die Entdeckung neuer Kulturen und Länder gewachsen ist, haben sie nun einen neuen Pfad eingeschlagen und im April 2023 ihren Online-Shop „Multiculti“ gegründet.

Ihr Ziel ist es, nicht nur eine Vielzahl von Waren aus der ganzen Welt anzubieten, sondern auch den Multikulturalismus zu fördern – und nicht nur ein Produkt zu verkaufen, sondern damit auch eine Geschichte zu erzählen. Das Interview wurde ursprünglich auf Englisch geführt.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Waren von überall an einem Ort zu verkaufen?

Tatiana: Wir spielen eigentlich schon seit Jahren mit dieser Idee. Ich glaube, es begann mit unserer eigenen Erfahrung, als wir nach Deutschland gezogen sind. Irgendwann haben wir angefangen, unsere Kultur zu vermissen, vor allem unsere mexikanischen Aromen. Wir waren sozusagen auf der Suche nach etwas Authentischem, zum Beispiel beim Kochen. Oft fehlten in Deutschland Zutaten, die man in Mexiko leicht kaufen kann, und wir dachten uns, wie schön es wäre, alles an einem Ort zu haben. 

Als wir nach Deutschland kamen, hatten wir uns in internationale Communities eingebracht. Dabei wurde uns klar, dass das nicht nur ein Problem ist, das wir als Mexikaner und Mexikanerin haben, sondern etwas, das jede Kultur erlebt: Wenn man ins Ausland zieht, vermisst man Dinge aus der Heimat und der eigenen Kultur. Damit ist nicht nur das Essen gemeint, es geht auch um Dekoration und Waren, die einem das Gefühl geben, zu Hause zu sein.

„Uns fehlte noch das richtige Geschäft“

Alex: Wir haben auch versucht, die authentischsten Produkte zu finden, denn als wir 2010 nach Deutschland kamen, war das Angebot noch nicht so groß. Inzwischen ist es besser geworden, aber immer noch ist das, was man in den üblichen Supermärkten findet, nicht unbedingt das Beste. Uns fehlt also immer noch das Echte, das Authentische. In Gesprächen mit Freunden aus anderen Kulturen erfuhren wir, dass es ihnen ganz ähnlich geht. Die Leute vermissen immer authentische Dinge aus ihrer Heimat, nicht nur die „eingedeutschten“ Versionen davon. 

Und da haben wir uns gedacht: Okay, also das Angebot für diese Dinge, die man online finden kann, ist ziemlich verstreut, es ist nicht wirklich an einem Ort. Es gibt keine großen Anbieter, denn die meisten dieser Unternehmen sind wirklich Nischenanbieter und sehr klein. Manche machen das einfach als Nebenjob, dabei bieten sie so tolle Produkte an. Das und die Tatsache, dass sie einen Einfluss auf ihre Heimatgemeinden haben, ist großartig. Wahre Geschichten auf die wir gestoßen sind! Das alles hat uns dazu bewogen, eine Plattform zu schaffen, auf der wir mit vereinten Kräften stärker sind und ein breiteres Publikum erreichen können. Ich denke, der deutsche Markt ist auch bereit dafür, weil Konsumentinnen und Konsumenten immer offener für neue Dinge werden. Außerdem wird es für sie immer wichtiger, auf die Auswirkungen ihres eigenen Konsums zu schauen. 

„Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der all diese Nischen zusammenkommen.“

Tatiana: Wir haben die Sache von unserer Seite aus betrachtet: Die Verkäuferinnen und Verkäufer konzentrieren sich auf den internationalen Vertrieb in kleinem Maßstab oder auf bestimmte Regionen. Alex und ich haben einen technischen Hintergrund, wir beide könnten diese Produkte wahrscheinlich nicht herstellen oder hierher bringen. Aber wir können eine Menge tun, um die Produkte online zu bewerben und sie besser verfügbar und erreichbar zu machen. Das ist etwas, was wir anbieten können. Wir haben lange Zeit mit dieser Idee gespielt. Letztes Jahr haben wir dann mit der Arbeit daran begonnen und sind in diesem Frühjahr gestartet.

INTERVIEW madukani glasses homeGlasgefäße aus recyceltem Glas © Madukani / Multiculti

Ihr würdet Euch also als Plattform bezeichnen, wo alle Angebote, die normalerweise nicht miteinander verbunden sind, zusammenkommen, und Ihr verpackt sie und versucht, neue Kundinnen und Kunden zu erreichen?

Alex: Ganz genau. Unsere Verkäufer betreiben bereits ihre Online-Shops oder verkaufen auf einigen Online-Plattformen. Die Produktpalette ist wirklich gut, aber manchmal reicht das nicht aus, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Stattdessen zielen die Händler auf bestimmte Marktnischen ab, zum Beispiel internationale Gemeinschaften in ihrer Region. Zum Beispiel hier in München oder in Hamburg. Das sind sehr, sehr kleine Nischen. Wir wollen also eine Plattform aufbauen, auf der all diese Nischen zusammenkommen, damit wir dieses Angebot an qualitativ hochwertigen und wirkungsvollen Produkten einem breiteren Publikum zugänglich machen können. Letztendlich ist Multiculti ein zusätzlicher Verkaufskanal für die Verkäuferinnen und Verkäufer. Sie führen ihr Geschäft wie gewohnt weiter. Aber durch uns können sie mehr verkaufen.

Tatiana: Eine andere Sache ist, dass sich das Publikum irgendwie überschneidet. Jetzt, wo wir im Ausland leben, vermissen wir natürlich mexikanische Dinge. Aber wir sind auch viel mehr gereist und haben so auch andere Kulturen und andere Geschmacksrichtungen kennengelernt. Und ich glaube, dieser Effekt ist auch bei anderen da: Wenn jemand etwas aus einem Land entdeckt, ist er vielleicht generell offener, auch etwas Neues aus einem ganz anderen Land zu entdecken. Wenn nun verschiedene Anbieter für verschiedene Waren völlig verstreut sind, dann geht dieses Interesse, etwas anderes zu entdecken, verloren. Denn jedes Mal müsste der Kunde oder die Kundin aktiv nach einem bestimmten Anbieter suchen. 

Genau das will Multiculti besser machen. Man geht dorthin, um etwas zu suchen, und während man stöbert und einkauft, ist man bereits offen für neue Erfahrungen, Geschmäcker und Sehenswürdigkeiten. In diesem Moment ist es einfacher zu sagen: „Ich könnte auch etwas aus Thailand probieren. Denn ich war schon einmal dort und möchte das auch wieder probieren!“

Es ist eine wirkungsvolle Strategie, die Produkte zusammenzubringen und die Kundschaft dann zwischen den Verkäuferinnen und Verkäufern aufzuteilen. Viele von ihnen bekommen oft nur einmalige Kunden, nach dem Kauf sind diese weg und kämen normalerweise nicht wieder. Eines unserer Produkte sind zum Beispiel Waschbecken für das Badezimmer. Das sind keine Dinge, die man zehnmal kauft, oder? Aber es sind Keramikarbeiten, handbemalt – sie sind wunderschön und farbenfroh! Wer so etwas kauft, möchte sich etwas Einzigartiges nach Hause holen, kommt aber nicht oft wieder. Solche Kundinnen und Kunden suchen etwas ganz Bestimmtes, aber bei Multiculti werden sie beiläufig auch andere Kulturen entdecken – während sie bereits auf der Suche nach Waren mit multikulturellem Touch sind.

Alex: Es gibt auch Dinge, nach denen man wahrscheinlich nicht einmal suchen würde. Wenn man bei Multiculti nach farbenfroher Kleidung sucht, sieht man lateinamerikanische Kleidung, afrikanische Kleidung, asiatische Kleidung. Es ist eine Art Mischung aus den Kulturen der Welt. Wahrscheinlich ist man am ehesten mit, ich weiß nicht, Südamerika verbunden. Aber am Ende mag man dann doch etwas aus Afrika.

INTERVIEW madukani kids cushionsGecko-Kissenbezug, handgemacht © Madukani / Multiculti

„Wir wollen den Markt für das Einkaufen mit Sinn erweitern.“

Es gibt also eine große Vielfalt an Produkten. Könntet Ihr einen kurzen Überblick darüber geben, was Ihr verkauft? Gibt es eine bestimmte Art und Weise, wie Ihr auswählt, was Ihr in euer Portfolio aufnehmt? 

Tatiana: Wir haben drei Hauptkategorien, aber man könnte auch sagen, dass wir fast alles anbieten. Wir haben Mode, Essen und Lifestyle, was im Grunde Dekoration und Accessoires bedeutet. Wir haben uns die ursprüngliche Produktpalette angesehen, die wir hatten, und haben die Kategorien entworfen und gesagt, lass uns einfach hier anfangen. 

Aber wir suchen nicht nur nach dem Produkt selbst, sondern auch nach der Geschichte hinter dem Produkt – und danach, wie wir durch den Verkauf dieses Produkts eine positive Wirkung erzielen können. Wir fügen also eine zusätzliche Ebene hinzu: Wenn wir Modeartikel verkaufen, achten wir darauf, dass sie handgefertigt sind und dass die Verkäuferinnen und Verkäufer Produkte aus fairem Handel beziehen. Wir wollen sicher sein, dass sie faire Arbeitsplätze für Kunsthandwerker im Ausland schaffen.

Wir haben auch das Kriterium, dass die Verkäufer soziale oder ökologische Projekte unterstützen müssen, indem sie zum Beispiel einen Teil ihrer Einnahmen für etwas in der Gemeinde oder dem Land spenden, aus dem sie ihre Produkte beziehen. Wir wollten mit unserem Shop einerseits die kulturelle Vielfalt fördern und andererseits den Markt zum Einkaufen mit Sinn erweitern. 

Alex: Was Multiculti wahrscheinlich auch von anderen Plattformen unterscheidet, ist, dass wir nach Produkten suchen, die für die Kulturen repräsentativ sind. Wenn also etwas in Mexiko handgefertigt wird, aber nur ein Halloween-Kostüm ist, das der thailändischen Kultur entlehnt ist, sagt das nicht wirklich etwas über Thailand aus. Wir möchten also Produkte anbieten, die die Kultur des jeweiligen Landes hervorheben. Denn wir sind der Meinung, dass das kulturelle Erbe der Welt – aufgrund der Massenproduktion – in gewisser Weise gefährdet ist. Alles scheint in einem jeweils anderen Land in Massenproduktion hergestellt zu werden, und das geschieht nicht wirklich mit Leidenschaft. Wir wollen Produkte haben, die mit Liebe hergestellt werden und die wirklich etwas über die Kultur aussagen, aus der sie stammen. Es müssen nicht nur traditionelle mexikanische Hüte sein, es kann auch moderne mexikanische Mode sein. Aber die sollte ausdrücken: „Ich bin Mexikaner, ich bin stolz darauf, Mexikaner zu sein.“

INTERVIEW tee set MadukaniTee-Variationen © Madukani / Multiculti

Es muss schwierig sein, eine Fülle von Nachhaltigkeitskriterien auf eine so breite Palette von Produkten anzuwenden. Wie sieht der Prozess hinter den Kulissen aus? Könnt Ihr euch auf eine bestimmte Standardisierung verlassen – oder ist es so, dass Ihr bei einer so breiten Palette die Nachhaltigkeitskriterien mit jedem Verkäufer einzeln besprechen müsst?

Tatiana: Im Moment führen wir Einzelgespräche. Da wir gerade erst anfangen, haben wir im Moment eine wirklich enge Beziehung zu unseren Verkäufern. Natürlich würden wir gerne auf eine Größe anwachsen, die einen stärker formalisierten Prozess erfordern würde – aber im Moment arbeiten wir auf einer Fall-zu-Fall-Basis. In gewisser Weise schlägt das wieder den Bogen zur Idee hinter Multiculti: Wir arbeiten eng mit unseren Verkäufern zusammen, sodass wir sehen können, wie sie ihr Geschäft betreiben und woher sie kommen. Wir kennen die Geschichten, die hinter dem Produkt stehen.

Alex: Wir verfolgen auch unseren eigenen Ansatz, um nachhaltig zu sein. Zum Beispiel pflanzen wir bei jedem Einkauf einen Baum. So läuft der Shop selbst emissionsneutral. Es ist gut, dieses Nachhaltigkeitsprojekt zu haben, das greifbarer und nachvollziehbarer ist, denn auf der anderen Seite haben wir im Moment keinen formalisierten Weg, um die Nachhaltigkeit aller unserer Produkte zu zertifizieren oder zu validieren. 

Viel eher ist es so, dass Siegel und Zertifikate für unsere Verkäuferinnen und Verkäufer eine Hürde darstellen. Die Antwort lautet oft ‚Nein, wenn ich so etwas mache, geht mein Geschäft pleite.‘ Denn diese Nachhaltigkeitssiegel oder -zertifikate sind für größere Produzenten gedacht, die es sich leisten können, dafür zu bezahlen. Und viele dieser Prozesse laufen so ab, dass man eine Lizenz für zehntausend Siegel oder Ähnliches bestellen muss, was sich eine kleinere Produktionsstätte einfach nicht leisten kann. Was wir also tun, ist eine Alternative: Wir schauen uns die Nachhaltigkeitsfaktoren in jedem einzelnen Fall an, sprechen mit den Beteiligten und lernen sie kennen, und wir lesen auch einfach ihre Geschichten.

„Die Herausforderung besteht nun darin, alles so zu gestalten, dass es einheitlich aussieht.“

Wenn die Leute im Shop bestellen, können sie dann von überall her bestellen?

Alex: Man kann anfangs nur aus Deutschland bestellen, aber das liegt auch daran, dass unsere Kapazitäten am Anfang noch begrenzt sind. Wir wollen in der Lage sein, überall in Europa zu liefern. Aber im Moment, da unsere eigenen Marketingstrategien auf Deutschland ausgerichtet sind, war es einfacher, den Shop für Deutschland zu eröffnen.

INTERVIEW wayu bag lanativa homeWayuu Mochila © La Nativa / Multiculti

Wann habt Ihr angefangen?

Tatiana: Wir haben im Januar gegründet und sind Mitte April an den Start gegangen, also haben wir vier Wochen lang einen Soft Launch gemacht.

Alex: Seitdem haben wir neue Verkäuferinnen und Partner an Bord genommen. Anfangs waren es nur ein paar, und jetzt arbeiten wir mit etwa zwanzig Partnerinnen und Partnern zusammen. 

Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Tatiana: Ich glaube, wir haben nicht nur ein großes Problem, sondern stehen jeden Tag vor kleinen Herausforderungen. Als wir vom Soft-Launch zum richtigen Start übergingen, ging es unter anderem darum, alles von den unterschiedlichen Quellen zu vereinheitlichen. Vor allem, weil die Waren aus verschiedenen Kulturen und von verschiedenen Unternehmen stammen – von der Solopreneurin oder dem Solopreneur bis hin zum Unternehmen, das zwar noch klein, aber schon ziemlich etabliert ist. Die Herausforderung besteht darin, alles so zu präsentieren, dass es einheitlich aussieht und visuell unterstreicht, dass alles „unter einem Dach“ ist.

Ich glaube nicht, dass wir diese Herausforderung vollständig gemeistert haben. Darüber nachzudenken ist eine Sache, aber wenn man es dann tatsächlich tut, merkt man, dass es so viele Variablen gibt. Das ist vielleicht ein natürlicher Prozess, aber es ist dennoch eine Herausforderung.

Alex: Da wir eine breite Produktpalette haben, haben wir natürlich nicht Tausende von Produkten für jede Kategorie. Wenn ein Kunde oder eine Kundin also unsere Hüte sieht, gibt es ein paar Produkte, aber es ist nicht so, dass wir eine riesige Auswahl hätten. Eine weitere Herausforderung bestand also darin, all diese Zweige von Kategorien zu präsentieren, obwohl viele Kategorien teils aus einer geringen Anzahl von Produkten bestehen.

Ihr seid recht breit aufgestellt: Sowohl bei der Produktvielfalt als auch bei der Beschaffung der Waren aus der ganzen Welt. Versucht Ihr, ein Gleichgewicht zu finden, wenn es darum geht, verschiedene Teile der Welt zu repräsentieren, oder versucht Ihr vielleicht, euch auf eine bestimmte Region zu konzentrieren?

Tatiana: Ich denke, wir werden eher ein Gleichgewicht anstreben. Aber wir könnten uns mehr auf bestimmte kulturelle Ereignisse oder Dinge konzentrieren, die es wert sind, je nach Saisonalität hervorgehoben zu werden. Das muss nicht immer auf der Produktebene geschehen. Denn wenn wir einen Verkäufer oder eine Verkäuferin gewonnen haben, möchten wir, dass er oder sie bei uns bleibt, und nicht, dass wir diese Partnerschaft verlieren, weil wir uns plötzlich mehr auf eine andere Kultur konzentrieren wollen. Wir wollen, dass diese Plattform zu ihrem Erfolg beiträgt, damit der Partner oder die Partnerin das Geschäft weiter betreiben kann. Dennoch wollen wir die Elemente und Ereignisse aus jeder Kultur berücksichtigen, und wir können diese online hervorheben. Wenn jemand ein Produkt aus einer anderen Kultur entdeckt, können wir sagen: „Hey, hier haben wir noch etwas, das in einer bestimmten Kultur zu dieser Jahreszeit verwendet wird.“ So lassen sich die Geschichte – und auch der Impact – eines Produkts erzählen.

Alex: So weit sind wir noch nicht, denn irgendwo muss man ja mit seiner begrenzten Kapazität anfangen – aber die Idee ist, Räume für Kampagnen zu diesen Ereignissen auf der ganzen Welt zu haben. Wir werden einen Kalender für das Jahr haben, in dem wir die Ereignisse auswählen, die für unsere Kunden und Verkäufer am wichtigsten sind, wie Festivals und Feiertage und so weiter.

Wir glauben wirklich, dass es noch interessanter wird, wenn man sich nicht auf eine bestimmte Region konzentriert. Denn wir richten uns an Menschen, die offen sind, Dinge zu entdecken und kennenzulernen, die aus einem winzigen Land in Südamerika oder ähnlichem stammen. Und dann sieht man es zum ersten Mal und sagt: „Wow, das ist etwas, das ich noch nicht kannte, es ist erstaunlich! Das ist die Art von Entdeckungsaspekt der Plattform, den wir hervorheben wollen. Und dafür müssen wir wirklich global sein.“ 

Im Moment findet man wahrscheinlich mehr Produkte aus Lateinamerika, aber das liegt daran, dass wir von dort kommen und ähnliche Wurzeln und vielleicht mehr Verbindungen haben. Aber wir haben jetzt auch Verkaufspartnerinnen und -partner aus allen Ländern, also denke ich, dass das nicht lange so bleiben wird.

„Wir wollen Ihnen die Möglichkeit geben, die kulturelle Vielfalt auf eigene Faust zu erkunden.“

Tatiana: Der Marktplatz und die Produkte sind eine sehr haptische Seite unseres Geschäfts. Aber unsere Vision ist immer noch, dass wir in der Lage sind, Kulturalität zu teilen. Das ist also sozusagen die Ebene, von der Alex gesprochen hat, und man kann tatsächlich andere Dinge entdecken. Ich denke, das ist etwas ganz anderes als Inklusion, für die es bereits eine Menge Initiativen gibt. Wir wollen Menschen die Möglichkeit geben, die kulturelle Vielfalt auf eigene Faust zu erkunden und die Vielfalt, die die Welt zu bieten hat, zu genießen. Das muss nicht bedeuten, mit anderen Menschen zu interagieren oder gar zu reisen. Es kann auch bedeuten, einfach nur zu berühren, zu sehen, zu riechen und zu schmecken, was die Welt zu bieten hat.

INTERVIEW Multiculti Website Home Mockup© Multiculti

Ihr habt erwähnt, wie wichtig es ist, den Menschen die Möglichkeit zu geben, neue Kulturen zu entdecken, während sie in Ihrem Laden nach einer anderen Kultur suchen. Ihr habt auch den Aspekt des Geschichtenerzählens betont: dass es nicht nur um die Produkte geht, sondern um die Geschichte hinter den Produkten. Habt Ihr Pläne, diese Geschichte in einem Blog oder in den sozialen Medien zu erzählen?

Tatiana: Das ist in Arbeit. Wir hoffen, unsere Content-Strategien in diesem Sommer umsetzen zu können, wobei wir in dieser Hinsicht verschiedene Schwerpunkte setzen werden. Einer davon ist, dass wir die Geschichte hinter den Verkäufern zeigen wollen, denn die sind mitunter sehr spannend. Und wir wollen auch die Geschichten zu den Produkten erzählen. Die meisten unserer Verkäuferinnen und Verkäufer sind auch aus dem Ausland, oder Einheimische, die eine Bindung zu einer bestimmten Kultur im Ausland aufgebaut haben. Und das ist auch genau das Publikum, das wir ansprechen.

Wir wollen eine Geschichte in unserem Shop erzählen, so dass man, wenn man ein Produkt verfolgt, sehen kann, welche Auswirkungen es hat. Nicht jedes Produkt hat den gleichen sozialen oder Umwelteffekt – hier hat unsere Kommunikation noch Potenzial – aber wir wollen dies über die Plattform selbst, nicht nur durch die sozialen Medien, tun. Wir haben zum Beispiel Produkte, die für sich genommen nicht unbedingt einen kulturellen Bezug, aber eine Auswirkung auf eine Kultur haben. Zum Beispiel upgecycelte Gläser, die aus Flaschen hergestellt werden, die an den Stränden von Sansibar eingesammelt werden. Das hat sehr wohl einen Effekt, es schafft Arbeitsplätze, und es ist ein Beitrag zur Säuberung der Strände, was für das Land und die Welt im Allgemeinen von Wert ist. Das sind die Geschichten, die wir erzählen wollen.

Bei einem Online-Shop ist es nicht so wichtig, wo Ihr geografisch ansässig seid. Wollt Ihr trotzdem lokale Kulturveranstaltungen im Raum München besuchen?

Alex: Auf jeden Fall! Wir planen, an einigen der Veranstaltungen teilzunehmen, die bereits stattfinden. Ich kann nicht sagen, wann, aber wir planen auch unser eigenes multikulturelles Festival. Das ist etwas, das wir gerne in der Zukunft sehen würden, vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft. Mehr kann ich aber nicht sagen, die Idee steckt noch in den Kinderschuhen. Aber wir würden gerne eine Veranstaltung haben, bei der die Menschen die Möglichkeit haben, anzufassen und zu erleben, mit ihnen zu sprechen und Zeit mit den Verkäufern zu verbringen. Wir glauben, dass das einen großen positiven Einfluss haben kann. Also ist das etwas, das wir auf jeden Fall von der Online- oder virtuellen Welt in die reale, physische Welt bringen wollen, weil es viel wirkungsvoller ist.

Tatiana: Wir haben diese Art von Festivals auch selbst besucht, und sie sind eine natürliche Kontaktquelle von Verkäufern und Verkäuferinnen für uns. 

Alex: Gerade in München gibt es ein paar von ihnen, mit denen wir gerne in Kontakt treten und kommunizieren.

Wir haben viel über andere Kulturen und das Reisen an andere Orte gesprochen. Seid Ihr selbst oft auf Reisen?

Alex: Das hat sich vor genau drei Jahren mit der Geburt unserer Tochter geändert. Davor sind wir viel gereist und haben es genossen, in Asien und Amerika zu sein und durch Europa zu reisen. Afrika, das ist ein Kontinent, den wir sehr vermissen. Aber wir lieben das Reisen. Das ist auch der Grund, warum Multiculti Sinn macht, denn wir haben uns gedacht: Die mexikanische Kultur ist eine reiche Kultur. Aber wir lieben es auch, indisch zu kochen, Souvenirs zu sammeln und so weiter. Wir haben eine Tassensammlung mit 70 Tassen aus der ganzen Welt, und wir lieben es einfach, diese vielfältige Sammlung zu sehen. (lacht)

Tatiana: Weißt Du, das ist das Einzige, das mit uns gereist ist. Als wir nach Deutschland gezogen sind, haben wir angefangen, ein bisschen mehr zu reisen, weil es in Europa auch viel einfacher ist. Mexiko ist ein größeres Land, in dem man viel innerhalb der Grenzen reisen kann, aber als wir nach Deutschland zogen, war eine unserer ersten Erfahrungen, dass man mit so vielen verschiedenen Kulturen so leicht in Kontakt kommen kann. Wir wollten etwas zum Sammeln haben, also haben wir angefangen, Tassen zu sammeln. Als wir dann nach ein paar Jahren Studium und Arbeit nach Mexiko zurückkehrten war das eines der Dinge, die mit uns zurückreisten. Dann zogen wir zurück nach Deutschland, und so reiste die Tassensammlung mit uns hin und her.

Alex: Das Reisen hat sich verlangsamt, weil wir inzwischen zwei Kinder haben. Es ist ein bisschen schwieriger geworden. Wir versuchen immer noch zu reisen, aber es ist einfach mit mehr Aufwand verbunden. 

Tatiana: Aber ja, wir haben es sehr genossen. Insgesamt kommen wir bestimmt auf zehn Jahre reisen. Unsere Kinder sind noch jung, aber ich will das nicht aufgeben.

Habt Ihr ein Lieblingsreiseziel?

Tatiana: Ich glaube, mein Favorit war Thailand. Wir hatten eine unglaubliche Erfahrung, als wir drei, vier Wochen dort waren, und wir haben einfach alles genossen: die Natur, die Menschen, das Essen. Die Vielfalt Thailands liegt mir sehr am Herzen. Das gilt auch für die Tiere. 

Alex: Für mich wäre das Thailand, aber auch Kolumbien. Ein Ort, der mir sehr gut gefallen hat, es ist wie ein Paradies, egal wo man hingeht. Natürlich ist es Mexiko ähnlicher als Thailand.

„Vielfalt bedeutet Spaß!“

INTERVIEW Tatiana Jimenez Cardenas und Alejandro Alfaro Arrieta (1)© Tatiana und Alex

Habt Ihr schon eine Vorstellung davon, wo Ihr als nächstes hinwollt?

Alex: Wir haben zwei Hauptkandidaten, würde ich sagen. Es ist nur eine Frage der Organisation – mit den Kleinen – Südafrika und Japan stehen ganz oben auf der Liste. Wir haben sehr gute Freunde in Südafrika und auch in Japan, und das sind Kulturen, die uns dorthin ziehen.

Tatiana: Wir waren kurz davor, nach Südafrika zu reisen, und wir hatten dieses Problem, wirklich ein Luxusproblem: Wir brauchten ein Visum für Südafrika, und sie brauchten zwei aufeinander folgende Seiten in deinem Reisepass, um das Visum dort einzutragen, und – ich weiß nicht mehr, ob es Alex‘ oder mein Reisepass war – der hatte diese Seiten nicht.

Alex: Zu viele Stempel, also gab es keine aufeinanderfolgenden Seiten mehr. (lacht)

Tatiana: Aber der Pass wäre noch sechs Jahre gültig gewesen, und wir hätten einen neuen gebraucht, um das Visum zu bekommen, also haben wir uns gesagt: Wir wollen uns ein anderes Ziel suchen.

Alex: Es könnte also Japan als nächstes dran sein. (lacht)

Was möchtet Ihr den Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben?

Alex: Ich glaube, unser Hauptziel mit Multiculti ist es, den Menschen die Botschaft zu vermitteln, dass man durch die Akzeptanz von Multikulturalität viel Freude haben kann. Es geht nicht nur darum, andere Kulturen zu respektieren. Das ist natürlich die Grundlage, glaube ich. Man kann einfach akzeptieren, dass die andere Seite anders ist. Aber wenn man sich wirklich auf die andere Seite einlässt und die Vielfalt bewusst erlebt, wird man sehen, dass es sehr viel Spaß machen kann – Vielfalt bedeutet Spaß! 

Über Tatiana und Alex

Tatiana und Alex stammen aus Mexiko und sind 2010 nach Deutschland gekommen. Hier vermissten sie viele Dinge, die sie von zu Hause kannten und hatten oft Schwierigkeiten, beim Einkaufen die richtigen Produkte zu finden. Die beiden wissen, dass es vielen Expats genauso geht! 

Deshalb gründeten sie Anfang des Jahres Multiculti, um Expats in Deutschland Produkte aus ihrem Heimatland zugänglicher zu machen. Sie bieten verschiedene Produkte aus mehr als 20 Ländern in den Kategorien Mode, Dekoration, Accessoires, Kinder und Lebensmittel an. 

multiculti.world

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Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Juli 2023 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.